Kleingartenverein Breitenlee
Im idyllischen Kleingartenverein mit Badesee in Breitenlee profitierten Grundstücksbesitzer von einer Umwidmung – darunter auch der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy und weitere SPÖ-Politikerinnen.
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Wenn Grünland zu Bauland wird

Ernst Nevrivy (SPÖ) spricht von einer "nicht optimalen" Optik. Der Bezirksvorsteher von Wien-Donaustadt meint damit den Kauf seines Grundstücks in einer Kleingartensiedlung in Breitenlee im Jahr 2020 – und die erfolgte Umwidmung von Grün- in Bauland nur rund ein Jahr später. Das um 161.700 Euro erworbene Grundstück dürfte seither zumindest die Hälfte mehr wert sein. Auch weitere SPÖ-Politikerinnen, die zwischen 2017 und 2020 Parzellen in der idyllischen Kleingartensiedlung mit Badeteich nahe der U2 kauften, haben deutliche Umwidmungsgewinne eingefahren.

Nevrivy beteuert, keinen Einfluss auf das Verfahren genommen zu haben. Das bestätigt das Wiener Planungsressort unter der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ): Das Verfahren sei korrekt durchgeführt worden. Demnach hat der betroffene Kleingartenverein bereits 2006 erstmals um eine neue Widmung angesucht. Dass eine Umwidmung bevorsteht, sei 2019 bekannt gewesen.

Recherchen legen aber nahe, dass rund um die Kleingärten einiges nicht legal ablief. Gerhard Cech, Leiter der Wiener Baupolizei (MA 37), bestätigte bereits im Jahr 2019, dass zahlreiche Gebäude im Kleingartenverein widmungswidrig zu groß errichtet wurden. Teils waren es nur einige wenige Quadratmeter, teils waren es auch signifikante Überschreitungen der 30-Quadratmeter-Grenze für die Badehütten. Am Montag sagte Cech dem STANDARD, dass insgesamt gleich 16 behördliche Abrissaufträge von der MA 37 erlassen wurden. Weitere Verfahren seien eingestellt worden, weil es entweder zu Rückbauten gekommen ist oder Vermessungen keine Überschreitung ergeben haben. Tatsächlich abgerissen wurde aber kein einziges der betroffenen 16 Gebäude.

Der Einsatz der Beteiligten für eine Umwidmung hat sich ausgezahlt. "Es hat keine Vollstreckung der Abtragungsbescheide gegeben, da aufgrund der Umwidmung nachträgliche Bewilligungen erteilt werden konnten", sagte Cech. Sprich: Mit der Umwidmung durch den Gemeinderat im Jahr 2021 wurden nicht nur die illegalen Bauten legalisiert, sondern die betroffenen Besitzer konnten auch noch eine Wertsteigerung für ihre Grundstücke einstreifen. Denn statt der Badehütten sind nun Gebäude mit 100 Quadratmetern erlaubt.

Nevrivy kaufte sein Grundstück übrigens vom Zentralverband der Kleingärtner, wie er dem STANDARD am Montag mitteilte. Auf diesem sei beim Kauf nur ein Mobilheim unter 30 Quadratmetern gestanden. Die Thematik rund um widmungswidrig errichtete Gebäude im beschaulichen Kleingartenverein Breitenlee sei "seit Jahren bekannt" gewesen, sagte Nevrivy.

Sonnenweiher, Grafenwörth
Die Siedlung Sonnenweiher in Grafenwörth in Niederösterreich mit ihren etwa 200 Häusern und dem künstlichen See soll 2026 fertig sein.
Foto: Wojciech Czaja

Warum die Umwidmungscausa um Riedl eine andere ist

Umwidmungen sorgten hierzulande schon im Juli für dicke Luft in der Lokalpolitik. Der Weg führte nach Niederösterreich, genauer gesagt in die Gemeinde Grafenwörth, die etwas mehr als 3.000 Einwohner zählt. Dort entsteht gerade eine riesige Wohnsiedlung mit 200 Häusern, durch die sich ein 36.000 Quadratmeter großer, künstlich angelegter See schlängelt. Aufgrund ihrer Form bekam die Anlage medial schnell den Namen "Mini-Dubai" verpasst.

Die Causa ist allerdings anders gelagert als jene um die Kleingärten im etwa eine Fahrstunde entfernten roten Wien. Sie dreht sich um Alfred Riedl. Der schwarze Bürgermeister von Grafenwörth soll an vorangegangenen Umwidmungsgeschäften gut mitverdient haben. Konkret geht es um vier Grundstücke, die der 70-Jährige gekauft, ersteigert und zum Teil geerbt hatte. Die einst landwirtschaftlichen Flächen veräußerte Riedl 2019 dann an einen Projektentwickler. Davor wurden die Grundstücke vom Gemeinderat, dem Riedl vorsteht, noch in Bauland umgewidmet. Wie im Fall der Kleingärten zog das eine ordentliche Wertsteigerung nach sich.

Nur hat Riedl den Verkauf folglich auch realisiert. Eine Million Euro soll dafür geflossen sein. Die Summe bestätigte Riedl bisher nicht, ein Dementi gab es dazu aber ebenso wenig. Ein Fehlverhalten mag Riedl in alldem bis heute nicht erkennen, obwohl bald noch weitere Grundstücksdeals aufgedeckt wurden. Riedl sprach von "medialen Angriffen" und "vielen Spekulationen". In Summe weist das alles zumindest eine ziemlich schiefe Optik auf. Die Causa "Mini-Dubai" beschäftigt bereits die Bezirkshauptmannschaft Tulln.

Riedl will Bürgermeister bleiben

Von Kritik aus den höheren Reihen der ÖVP blieb Riedl allerdings verschont – zumindest öffentlich. Dafür krachte es innerhalb des Gemeindebunds.

Dem stand Riedl bis vor wenigen Wochen noch vor. Das Amt stellte der Lokalpolitiker allerdings ruhend, nachdem der Druck auf ihn wegen der Ungereimtheiten um die Siedlung in Grafenwörth immer weiter angewachsen war. Innerhalb des Gemeindebunds stellte sich Parteifreund Günther Mitterer, Obmann in Salzburg, gegen Riedl. Eine Rückkehr des 70-Jährigen als Gemeindebundchef gilt als unwahrscheinlich. Das soll bei einer Sitzung im Herbst entschieden werden. Laut den Statuten kann Riedl aber nur freiwillig zurücktreten.

Bürgermeister will Riedl aber bleiben. Einen Abtritt schloss er bei einer Gemeinderatssitzung vor zwei Wochen aus. Mangelnde Transparenz will sich Riedl nicht nachsagen lassen. (David Krutzler, Jan Michael Marchart, 25.9.2023)