Nun ist es fix. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Rande eines TV-Interviews angekündigt, er werde die rund tausend französischen Soldaten in Niger bis Ende Jahr abziehen. Angedeutet hatte sich das schon länger, mit der Aussage vom Montagabend ist die Sache nun klar. Der französische Botschafter, der von der neuen Putschregierung als "Geisel" in der Botschaft gehalten werde und sich nur noch mit Fertigrationen ernähre, verlasse das Land "in den nächsten Stunden".

Mit diesem Entscheid verliert Frankreich einen wochenlangen Kraftakt mit Putschoffizieren, die Ende Juli die Macht in der nigrischen Hauptstadt Niamey übernommen hatten. Nach früheren Staatsstreichen in Mali und Burkina Faso hatte Frankreich seine dort stationierten Streitkräfte bereits nach Niger verlegt. Der jetzige Abzug ist deshalb ein schwerer Schlag für die Stellung Frankreichs in Westafrika. Im Niger fördern französische Firmen zudem Uran, das den AKW-Park in Frankreich speist.

Frankreich ist in Niger nicht mehr willkommen, dafür "Putin aus dem großen Russland" – das macht die Junta im Niger ebenso klar, wie ihre Anhänger.
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Macron erwähnte das Urangeschäft mit keinem Wort. Die Putschregierung in Niamey hatte dagegen im Voraus mit antikolonialem Unterton gefordert, die Franzosen müssten "den Boden unserer Vorfahren verlassen". Der nigrische Luftraum wurde einzig für zivile und militärische Flugzeuge aus Frankreich – darunter Air France – gesperrt. Nach Macrons Ankündigung gingen am Sonntagabend in Niamey Tausende auf die Straße, um den Abzug der Franzosen zu feiern.

Deutliche Bitterkeit

Macron vermochte seine Bitterkeit kaum zu verhehlen. Frankreich habe seit mehr als einem Jahrzehnt alles unternommen und 59 Soldaten verloren, um die aus der Sahara einfallenden Jihadisten zu bekämpfen und die Einrichtung von Gottesstaaten zu verhindern, erklärte französische Präsident. Die Putschisten wollten aber offenbar "nicht mehr gegen Terrorismus kämpfen". Er sei deshalb, fügte Macron an, in großer Sorge um diese Region.

Laut dem französischen Geheimdienst sind die regionalen Ableger von Al Kaida und "lslamischer Staat" (IS) seit dem Staatsstreich und dem französischen Truppenabzug in Mali vor knapp zwei Jahren im Vormarsch. Islamistische Einflüsse nehmen in dem bisher sehr moderaten Sahel-Land generell zu. Während die Jihadisten aus dem Wüstennorden in den Sahel drängen, werden aus dem Süden Vorstöße von Boko-Haram-Milizen aus Nigeria gemeldet.

Abzug heißt es für Frankreichs Truppen nicht nur aus Mali (Bild), sondern auch aus dem Niger.
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Die Bodengewinne der Jihadisten offenbaren umgekehrt den Misserfolg der russischen Privatarmee Wagner, die in Mali und vermutlich auch Burkina Faso für die Putschisten tätig ist. Langsam macht sich im Sahel die Erkenntnis breit, dass die russischen Söldner noch erfolgloser sind als die französischen Elitesoldaten und Fremdenlegionäre.

Mit dem politischen Chaos wächst zugleich – und teilweise klimabedingt – die wirtschaftliche Not der Sahel-Bewohner. "Die Folgen sind nicht schwer auszurechnen", sagte die Politologin Niagalé Bagayoko kürzlich im französischen Radio: "Die Migrationsströme aus dem Sahel durch die Sahara werden noch stärker zunehmen."

Das französische Gefühl einer Niederlage, ja Demütigung wird noch verstärkt durch das Verhalten der Amerikaner. Sie haben in Niger ebenfalls rund tausend Mann stationiert, aber anders als Paris nie den Rückzug der Militärjunta verlangt. Die Arrangements Washingtons mit dem Putschregime unterhöhlten die harte französische Position gegen die Putschisten völlig. Von dem Überflugverbot nicht betroffen, haben US-Drohnen Mitte des Monats ihre Erkundungsflüge über dem riesigen Sahel- und Wüstengebiet wiederaufgenommen. Washingtons Ziel ist es, das frühere Einflussgebiet Frankreichs nicht kampflos den Russen zu überlassen. (Stefan Brändle aus Paris, 25.9.2023)