Ein M1A2 während einer Fahrt durch Gelände
Ein US-Panzer vom Typ M1A2 während einer Übung in Polen im Mai 2023.
117th Mobile Public Affairs Detachment/Theresa Gualdarama

Der M1 Abrams wird schon bald auf dem Schlachtfeld den russischen Angreifern gegenüberstehen. Neu ist das Aufeinandertreffen zwischen dem US-Kampfpanzer und den Kontrahenten aus Russland nicht. Bislang blieb der M1 in jeder Konfrontation mit T-72 und Co ungeschlagen. Doch in der Ukraine warten hochintensive Einsätze auf den Abrams und die wahrscheinlich größte Herausforderung in der langen Geschichte von "The Beast".

Mangel an Kanonen

Wie die meisten westlichen Panzer wurde auch der Abrams in den 70er-Jahren entwickelt und sollte den eher als Notlösung gedachten M60 ablösen. Nach einigen Rückschlägen wurden die ersten Exemplare des M1 in den frühen 80er-Jahren ausgeliefert, damals noch mit einer deutlich schwächeren 105-mm-Kanone. Die leistungsfähigere 120-mm-Kanone von Rheinmetall war zu diesem Zeitpunkt in den USA noch nicht verfügbar. Die erste Feuerprobe folgte ein Jahrzehnt später während des Golfkriegs und der Operation "Desert Storm" gegen den Irak. Dabei erwies sich der Abrams als genau, das was seine Entwicklerinnen und Entwickler im Sinn gehabt hatten: eine effektive Gegenmaßnahme zu russischen Kampfpanzern.

Der M1 übertraf die Erwartungen sogar noch: In Auseinandersetzungen mit russischen T-72 war der Abrams immer siegreich. Während der Operation "Desert Storm" im Jahr 1991 ging kein einziger Abrams durch Feindbeschuss verloren, sie konnten selbst mehreren Volltreffern aus den 125-mm-Kanonen der irakischen T-72 standhalten. Lediglich sieben Abrams wurden von feindlichen T-72 getroffen, wobei kein einziger nennenswerte Schäden davontrug. Die Iraker setzten aber auch veraltete Munition ein, die in der Sowjetunion bereits in den 70er-Jahren ausgemustert worden war.

Kurz erklärt: Das kann der M1 Abrams Panzer
Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj die ersten Abrams-Panzer aus den USA erhalten. Der Kampfpanzer gilt als guter Schutz für die Besatzung, sein Treibstoffbedarf ist aber extrem hoch
AFP/DER STANDARD/mvu

Im Gegenzug gelang es einer amerikanischen Panzerbesatzung, zwei T-72M1, die Exportversion des russischen Kampfpanzers, mit einem Treffer auszuschalten. Das Wuchtgeschoß durchschlug den ersten Panzer und dann noch einen zweiten, dahinter stehenden Panzer. In einem Fall durchdrang ein Antipanzergeschoß eines Abrams eine zehn Meter starke Sandbarriere und zerstörte einen dahinter abgestellten T-72. Als viel wichtiger als die Bewaffnung erwiesen sich aber die überlegenen Optiken der US-Panzer: Durch Wärmebildgeräte konnten die Koalitionstruppen die irakischen Panzer bereits ab vier Kilometern Entfernung bekämpfen, während die Besatzungen der T-72 durch Rauch und Sand nahezu blind waren.

Ein M1A1 wirbelt Staub auf
Ein M1A1 (erkennbar am fehlenden Commander's Independent Thermal Viewer, CITV, einer Art Kuppel an der Kommandoluke) bei einer Trainingsfahrt.
imago/StockTrek Images

In der direkten Konfrontation mit russischen T-72 oder der neueren Variante, dem T-90, mag der Abrams überlegen sein, aber unzerstörbar ist der US-Kampfpanzer nicht. Vor allem im urbanen Gelände erwies sich der M1 als verwundbar. 17 Abrams mussten im Zuge der Kampfhandlungen im Irak als Totalverluste angesehen werden. Meist war intensiver Nahbereichsbeschuss durch RPGs, also schultergestützte Panzerabwehrwaffen, sowie improvisierte Sprengladungen für die Verluste verantwortlich. Modernere Varianten sind durch diverse Upgrades auch dagegen besser geschützt. Nach dem dritten Golfkrieg übernahm die irakische Armee den Abrams. Als eine einheimische Besatzung trotz mehrerer Treffer durch Granaten und improvisierte Sprengladungen weiterkämpfte, erhielt der Abrams den Spitznamen "The Beast".

Ein Fahrzeug mit großem Durst

Der größte Nachteil des Abrams ist sein enormer Treibstoffbedarf. Während ein Leopard 2 pro Kilometer etwa 5,3 Liter Diesel verbrennt, sind es beim Abrams zwischen neun und elf Liter im Gelände. Das liegt am besonderen Antriebssystem des M1: Statt eines Dieselmotors wurde eine von Chrysler modifizierte Gasturbine eines Helikopters verwendet. Das hat den Vorteil, dass der Abrams relativ leise unterwegs ist – was ihm auch den Beinamen "Whispering Death" eingebracht hat. Gleichzeitig erwies sich diese Antriebsart aber als störanfällig, wartungsintensiv und vor allem teuer im Betrieb. Theoretisch kann die Gasturbine mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Kraftstoffen betrieben werden, in der Praxis wird aber meistens Flugturbinentreibstoff, also Kerosin, verwendet.

Die Ukraine steht also vor der logistischen Herausforderung, ihre 31 Abrams gut in Schuss zu halten. Eine Aufgabe, die man nicht überbetonen kann, wie man auch bei den US-Streitkräften weiß. Pentagon-Sprecher Pat Ryder, ein Brigadegeneral der Air Force, formulierte es so: "Ein Schlüsselaspekt der Ausbildung wird sicherlich die Wartung und Aufrechterhaltung dieser Fähigkeit sein", sagte er. "Sie haben gehört, wie wir über die Tatsache gesprochen haben, dass der M1 eine komplexe Maschine ist, die viel Wartung benötigt, um sie in Betrieb zu halten. Das wird also von entscheidender Bedeutung sein, weshalb wir die Ausbildung parallel zur eigentlichen Überholung der Panzer durchführen."

Variantenvielfalt

Die Frage bleibt nun, welche Variante des Abrams in der Ukraine eintreffen wird. Klar ist, dass die USA 31 Panzer vom Typ M1A1 liefern. Entgegen der oft in Europa verbreiteten Meinung verfügen auch die A1-Varianten über die 120-mm-Kanone von Rheinmetall. Ein kleiner Exkurs für Kopfrechner: Diese ist beinahe identisch mit jener des Leopard 2, nur ist das Rohr des deutschen Panzers mit 55 Kalibern etwas länger als beim Abrams, dessen Kanone 44 Kaliber lang ist. Daher kommt auch die Bezeichnung mit 120 mm L/44. Die Zahl hinter dem L/ steht immer für die Rohrlänge in Kalibern. Multipliziert man wie beim Abrams also 120 mit 44, erhält man die Rohrlänge von 5.280 Millimetern.

Tatsächlich unterscheidet sich der M1A1 vom A2 hauptsächlich in der Zielferfassungstechnik und Elektronik. Der M2 verfügt über ein unabhängiges Wärmebildgerät für den Kommandanten. Außerdem verfügt die Variante A2 über ein elektronisches System, das den Austausch von Lagedaten zwischen den Fahrzeugen erlaubt. Zusätzlich wurde ein Stromaggregat eingebaut, damit die Gasturbine nicht ständig laufen muss. Welche Variante des M1A1 in der Ukraine zum Einsatz kommt, ist noch nicht ganz klar. Die Fahrzeuge werden gerade für den Kampfeinsatz aufbereitet, es ist daher gut möglich, dass am Ende eine eigene Ukraine-Variante dabei herauskommt.

Den M1 hätte es beinahe nie gegeben

Ansonsten unterscheidet sich der M1 Abrams nicht wesentlich von anderen westlichen Kampfpanzern wie dem Leopard 2. Tatsächlich haben die beiden Fahrzeuge den gleichen Opa, den MBT 70. Im Rahmen dieses deutsch-amerikanische Projekts sollte gemeinsam ein schwer gepanzertes Kampffahrzeug entworfen werden. Das Vorhaben scheiterte letztlich, aber sowohl Deutschland und die USA bauten aus den Erkenntnissen ihre eigenen Panzersysteme. Heraus kam am Ende der Leopard 2 auf deutscher, der M1 Abrams auf amerikanischer Seite.

Tatsächlich sah es in den 70er-Jahren sogar kurz so aus, als könnten die USA den Leopard 2 als ihren Kampfpanzer übernehmen. Der Leopard konnte zwar alle Anforderungen der U.S. Army erfüllen, überschritt jedoch das Gewichtslimit von damals festgelegten 52 Tonnen. Ironischerweise sind die beiden Panzer tatsächlich gleich schwer, denn auch die US-Entwicklung sprengte letztendlich die vorgegebenen Grenzen. Heute wiegen beide Fahrzeuge rund 62 Tonnen. Auch sonst unterscheiden sich Abrams und Leopard kaum voneinander. (Peter Zellinger, 26.9.2023)