Für Sam Bankman-Fried geht es um alles. Am Dienstag startet in New York der Prozess gegen den 31-jährigen Gründer der kollabierten Kryptobörse FTX. Die US-Behörden werfen ihm unter anderem "Betrug epischen Ausmaßes" und Geldwäsche vor, im Fall einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von mehr als 100 Jahren. Dementsprechend will er nichts dem Zufall überlassen, bis hin zum Gewand.

Der einstige Milliardär mit dem wuscheligen Lockenkopf, eigentlich bekannt für seinen sehr legeren Kleidungsstil, hat beim Richter einen Antrag gestellt, Anzug tragen zu dürfen. Er darf, der Richter gab sein Okay. Bankman-Fried sitzt in Haft und hat deswegen keinen Zugang zu eigenen Sachen. Wie berichtet plädiert das einstige Krypto-Wunderkind, als das er in der Branche galt, auf unschuldig. Beobachter gehen aktuell davon aus, dass der Prozess bis zu sechs Wochen dauern könnte.

Sam Bankman-Fried im Anzug schaut nach vorn.
Vor gut einem Jahr war Sam Bankman-Fried noch der Superstar der Kryptoszene. Inzwischen sitzt der Gründer der kollabierten Kryptobörse FTX hinter Gittern.
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Spektakulärer Zerfall

Warum sitzt SBF – unter diesem Kürzel trat Sam Bankman-Fried stets auf – auf der Anklagebank? Im Jahr 2019 gründete er die Kryptobörse FTX, deren Aufstieg phänomenal verlief. In weniger als drei Jahren erreichte das Unternehmen eine Bewertung von 32 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) und verwahrte Milliardenwerte im Auftrag seiner Kundinnen und Kunden.

Von der Kleinanlegerin bis zum Profiinvestor mussten dann im November 2022 sehr viele Menschen schmerzlich erfahren, dass FTX ein sehr instabiles Kartenhaus war. Zwischenzeitlich war es die zweitgrößte Kryptobörse der Welt, doch innerhalb weniger Tage zerbrach das Konstrukt. SBF wird vorgeworfen, Kundengelder in Milliardenhöhe veruntreut zu haben, um damit Defizite bei seinem Hedgefonds Alameda Research auszugleichen. (Details siehe Infokasten)

Video: Milliardenbetrug: Krypto-Unternehmer Bankman-Fried vor Gericht.
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Politische Einflussnahme

SBF soll Geld jedoch nicht nur für Alameda abgezweigt haben, auch politische Einflussnahme steht im Raum. Er habe mehr als 100 Millionen Dollar von Kunden genutzt, um Kandidaten vor den US-Zwischenwahlen 2022 zu unterstützen, heißt es von US-Bundesanwälten. In einer geänderten Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, zwei FTX-Führungskräfte angewiesen zu haben, die Herkunft der Gelder zu verschleiern und Spendengrenzen zu umgehen, indem sie sowohl an Demokraten als auch an Republikaner spendeten.

"Diesen Einfluss nutzte er wiederum, um im Kongress und bei den Aufsichtsbehörden Lobbyarbeit zu betreiben, um Gesetze und Vorschriften zu unterstützen, von denen er glaubte, dass sie es FTX erleichtern würden, weiterhin Kundeneinlagen anzunehmen und zu wachsen", heißt es in der Anklageschrift. Im August wurde Bankman-Fried wegen des Verdachts der Zeugenbeeinflussung verhaftet, nachdem er zuvor gegen eine Kaution von 250 Millionen Dollar in seinem Elternhaus unter Arrest auf den Prozessbeginn warten durfte.

Ein Mann steht vor einer Tafel, auf der die Vorwürfe gegen Bankman-Fried stehen. 
Im Fall einer Verurteilung drohen SBF mehr als 100 Jahre Haft.
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Vom Winter in die kurze Eiszeit

Die Kryptobranche hatte sich zum Zeitpunkt des FTX-Kollapses bereits monatelang im sogenannten Kryptowinter befunden. Dieser steht für fallende Preise, die längerfristig niedrig bleiben. Der Zusammenbruch war wenig überraschend ein harter Schlag. Der Kurs des Krypto-Aushängeschilds Bitcoin rasselte vorübergehend auf unter 16.000 Dollar, und viele Kritiker sahen das Aus des ganzen Sektors eingeläutet.

Doch einmal mehr blieb das angekündigte Ende aus. Der Bitcoin-Kurs bewegt sich aktuell bei rund 28.000 Dollar, das ist seit Jahresbeginn ein Plus von mehr als 70 Prozent. Dass sich an dieser Preisrange zeitnah etwas ändert, erwartet niemand. Allerdings steht kommendes Frühjahr das Bitcoin-Halving an. Dabei wird das Angebot der Coins weiter verknappt, in der Vergangenheit ist der Kurs danach immer gestiegen.

Bankenkrise stützte Krypto

Die große Vertrauenskrise in dem Sektor ließ im Lauf der ersten Monate des Jahres nach, im Frühjahr wurde Krypto durch die Probleme der Regionalbanken in den USA und generelle Sorgen um das herkömmliche Finanzsystem sogar gestärkt. Zur Erinnerung: Im März ging die Silicon Valley Bank in die Knie, es folgten Silvergate und First Republic. In Europa stand mit der Credit Suisse sogar die zweitgrößte Bank der Schweiz kurz vor dem Kollaps. Nach einem Bankrun hatte die Schweizer Regierung eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS orchestriert.

Aktuell ist es vor allem die Hoffnung, die den Bitcoin-Kurs stabil hält. Nämlich die Hoffnung, dass die US-Börsenaufsicht SEC den ersten Bitcoin-ETF zulässt. Von den besten Zeiten sind die Coins dennoch allesamt weit entfernt, im November 2021 notierte der Bitcoin fast bei 70.000 Dollar und die Nummer zwei am Markt, Ether, bei fast 4.500 Dollar.

Nichtsdestotrotz steckt nach wie vor eine ordentliche Portion Verunsicherung in der Branche, möglicherweise weil große Implikationen noch bevorstehen. Die SEC hat heuer die großen Kryptobörsen Coinbase und Binance geklagt. Letztere hat zudem im Sommer mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. (Andreas Danzer, 3.10.2023)