Wasserstoffmolekühle in einer 3D-Illustration
Grüner Wasserstoff, im Bild eine 3D-Illustration der entsprechenden Moleküle, wird im Regelfall durch Aufspaltung von Wasser mittels erheblicher Mengen an Wind- oder Solarenergie erzeugt.
IMAGO/Alexander Limbach

Schnell geht gar nichts, weder beim Ausbau der erneuerbaren Energien noch bei der Produktion von Wasserstoff (H2). Von grünem Wasserstoff, muss es korrekterweise heißen. Denn der konventionell hergestellte wird vorzugsweise aus Erdgas (CH4) gewonnen, bei dessen Produktion viel klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangt. Gerade das aber muss vermieden werden, um die Erderwärmung nicht weiter anzuheizen, ist sich die Wissenschaft einig wie in sonst kaum einer anderen Frage. Neuerdings kann man aber auch aus CH4, sprich Methan, mittels neuer Technologie grünen Wasserstoff erzeugen.

Es müsste zumindest schneller gehen als bisher. Auch dazu gibt es breiten Konsens bei den noch bis diesen Freitag in St. Wolfgang im Salzkammergut versammelten Vertretern und Vertreterinnen von Energieunternehmen und verwandter Bereiche. Österreichs größter Stromerzeuger Verbund hat die Branche zum ersten Inspire Energy Summit zusammengetrommelt und das Wasserstoffthema in den Mittelpunkt gerückt. Grüner Wasserstoff sei das fehlende Bindeglied, um die Transformation von der fossilen in die erneuerbare Welt langfristig zu schaffen, ist Verbund-Chef Michael Strugl überzeugt.

In großem Stil speicherbar

Der Vorteil von grünem Wasserstoff, für dessen Erzeugung viel Solar- oder Windkraftstrom aufgewendet werden muss, ist die Möglichkeit, Energie in großem Stil über lange Zeiträume zu speichern – etwas, was mit der heutzutage bekannten Batterietechnologie nicht möglich ist. Das heißt aber gleichzeitig, dass der Ausbau erneuerbarer Energien noch viel rascher vonstattengehen muss, als dies derzeit der Fall ist.

Je mehr Wasserstoff etwa zur Dekarbonisierung von schwer elektrifizierbaren Bereichen wie der Stahl-, Zement- oder Düngemittelindustrie, des Lkw-, Luft- und Schiffverkehrs benötigt wird, umso mehr Windräder und Photovoltaikanlagen müssen aufgestellt werden. Es bedürfe einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um den Ausbau sauberer Energiequellen samt der notwendigen Netzinfrastruktur zügig voranzubringen.

Modell einer Anlage zum Speichern von erneuerbarem Strom mit Wasserstofftank
Geforscht wird um das Thema Wasserstoff zur zeit an allen Ecken und Enden. Im Bild das Modell einer Anlage zum Speichern von erneuerbarem Strom mit Wasserstofftank.
IMAGO/Daniel Reinhardt

Die junge Generation, die sich manchmal provokativ "letzte Generation" nennt, sei mitunter viel weiter als die Politik, sagte Gastredner Philipp Blom. Der Historiker und Buchautor (Das große Welttheater, Unterwerfung) kritisiert, dass Bürger und Bürgerinnen nicht frühzeitig eingebunden werden, wenn es um die Errichtung beispielsweise von Windparks geht. Wenn man sie auch am wirtschaftlichen Erfolg beteilige, werde die Ablehnung einer aus Klimagesichtspunkten notwendigen und auch gesellschaftlich sinnvollen Maßnahme wie dem Bau von Windrädern sinken.

Buchautor Marc Elsberg (Blackout, Celsius) vermisst eine überzeugende Erzählung, neudeutsch Narrativ, um die Bevölkerung auf ein Ziel einzuschwören. Die Folgen der Erderhitzung seien hinlänglich bekannt und sichtbar. Die Transformation sei zwar teuer, Nichtstun gehe aber noch viel mehr ins Geld. "Man wird sich um einen sozialen Ausgleich bemühen müssen", sagte Elsberg.

Turbo einschalten

Neben dem Turbo beim Ausbau erneuerbarer Energien müssten parallel auch die Anstrengungen beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur intensiviert werden. "Die entscheidende Frage aber ist, woher wir den Wasserstoff, den wir brauchen, bekommen", warf Matthias Jenn, Geschäftsführer bei der Bayernnets GmbH ein. Das in München beheimatete Unternehmen betreibt in Südbayern ein Fernleitungsnetz für Erdgas mit einer Gesamtlänge von knapp 1700 km. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Wasserstoffbedarfs sowohl in Deutschland als auch in Österreich könne realistischerweise innerhalb der Landesgrenzen hergestellt werden, und auch Europa als Ganzes sei stark auf Importen aus anderen Teilen der Welt angewiesen.

Im Gegensatz zu Saudi-Arabien, wo man verstanden habe, dass sich mit Wasserstoff künftig wohl gutes Geld verdienen lässt und auch entsprechende Investitionen in erneuerbare Energien und Elektrolysen vorgesehen hat, sei dies in den Ländern im Norden Afrikas nicht der Fall. Dort sei man gedanklich noch nicht so weit, Geld in die Produktion von Wasserstoff zu investieren, weil man Angst habe, darauf sitzen zu bleiben, meint Jenn.

Gasleitungen mit Adaptierung nutzbar

Kein größeres Problem sieht der Bayernnets-Manager, was die Nutzung von Gasleitungen für den Transport von Wasserstoff betrifft. In Deutschland könne etwa 60 Prozent des Leitungsnetzes mit wenigen Adaptierungen genutzt werden, nur 40 Prozent seien neu zu bauen. In Österreich gehen Schätzungen von knapp 80 Prozent des Leitungsnetzes aus, das wasserstofffähig sein sollte. (Günther Strobl, 28.9.2023)