Philipp Hochmair
Am 6. Oktober erscheint Philipp Hochmairs "Hagestolz"-Interpretation. Zehn Tage später hat er Geburtstag.
Stephan Brückler

Das Leben von Philipp Hochmair hört sich anstrengend an. Aber auch erfüllend. Das Gespräch findet in einem Private-Members-Club im ersten Wiener Gemeindebezirk statt. Sein Hemd ist Ende September sommerlich weit offen, mindestens ein Knopfloch tiefer als Casual Chic. Gerade erst ist er in Wien angekommen, bald muss er wieder weg. Am Sonntag spielt er mit seiner Band Die Elektrohand Gottes im Musikverein eine Adaption von Adalbert Stifters "Hagestolz" – als Solo-Performance, begleitet von scheppernden Techno-Rave-Sounds. So hat er schon den Jedermann inszeniert, daher war es kein Problem für ihn, als er 2018 in Salzburg spontan für den erkrankten Tobias Moretti einspringen sollte – und brillierte. Egal ob bei den "Vorstadtweibern", in der Krimireihe "Blind ermittelt", im Fernsehfilm "Wannseekonferenz" oder auf der Burgtheaterbühne: Er ist überall. Wer ist Philipp Hochmair überhaupt?

"Mich gibt’s gar nicht, ich spüre mich am besten über die Literatur", sagt er und erzählt leidenschaftlich von diesen Klassikern, die ihn so erfüllen und bereichern. Immer muss er in Bewegung sein, eine ständige Sehnsucht nach Dynamik brennt in ihm, sagt er. Schon als Kind sei er suchender Künstler gewesen. Hochmair ist Legastheniker. Mit 15 Jahren springt er in der Schule auf den Tisch – gerade hatte er "Der Club der toten Dichter" gesehen – und performt Goethes Ballade "Totentanz". Die Pausenglocke läutet, aber die Dominanz der Sprache hält sowohl Lehrer als auch Mitschüler in Bann. Alle bleiben sitzen. Sind still, erzählt er. Für ihn ist klar, was er machen will.

Brandauer-Student

Am Max-Reinhardt-Seminar bewundert er dann Klaus Maria Brandauer, ein Geniekult umgibt diesen, damals ist das noch nichts Negatives. Alle in Hochmairs Jahrgang wollen bei Brandauer studieren, nur wenige bleiben am Ende des Kurses über. "Er fuhr damals immer Autos mit seinen Initialen auf der Nummerntafel, einen schwarzen Jaguar oder irgendwas Wildes auf jeden Fall, da wusste man, er ist im Haus und man muss sich anstrengen." Mit Brandauer proben die Studierenden in Altaussee („von dort kommt er ja“), und diese traditionsreiche Welt mit Lederhosen und Tänzen übt eine Faszination auf den in Wien aufgewachsenen Hochmair aus, dem das alles zugleich durch seine oberösterreichischen Großeltern nicht ganz fremd ist. Die Auseinandersetzung mit dieser zauberhaft besonderen "Stifter-Welt" ist es auch, die ihn jetzt wieder zum "Hagestolz" getrieben hat.

"Ich habe ja eigentlich alles", sagt Hochmaier. Eine anarchische Elektro-Rock-Vertonung vom Hagenstolz fehlte ihm dann aber doch, deswegen schenkt er sich diese jetzt zum 50. Geburtstag im Oktober. Seit zehn Jahren steht er bereits mit seiner Band auf der Bühne: Balladen von Schiller, den "Jedermann" und Goethes "Werther" hat Hochmair inszeniert. Mit dem Mash-up-Künstler Kurt Razelli, der die musikalische Wandlung des ehemaligen Neos-Politikers Matthias Strolz begleitet, hat er einen Jedermann-Remix veröffentlicht.

Vom Theater getrieben

In einem anderen Leben wäre Philipp Hochmair vielleicht ein Raver geworden. Im Herzen ist er das sowieso. "Bei einem Gastspiel in Manchester habe ich mich 1997 auf einen Rave verirrt, das war der Wahnsinn, von dieser Energie träume ich heute noch", erzählt er. Ein ruhiges Leben will er gar nicht: "Panta rhei". Ständig muss sich etwas bewegen. "Das ist positiver Stress, ich brauche das."

Die Filmemacher Tizza Covi und Rainer Frimmel haben 2013 versucht, den privaten Philipp Hochmair einzufangen. Ein "Glanz des Tages" soll ihn umgeben haben, als sie ihn nach einer Aufführung im Burgtheater ansprachen. Im gleichnamigen Film begleiten sie ihn ohne großes Team, die Realität wird zum Filmset. Was sie von ihm eigentlich wollen, versteht Hochmair anfangs nicht. Als Schauspieler will er in dem Film spielen und fühlt sich verloren, gleichzeitig wird es eine der interessantesten Erfahrungen seines Lebens. "Ich lasse mich gerne selbst irritieren", meint er.

Auf der Leinwand sieht er einen gehetzten Menschen, und er findet sich unsympathischer als seinen Filmpartner. Aber das stört ihn gar nicht: "Mein Leben war damals so, wie es in der Dokumentation abgebildet ist", sagt er. Der Film hat funktioniert – sein Leben tut das auch. (Jakob Thaller, 29.9.2023)