Laura Freudenthaler
Gekonnter Weltuntergang bei der Salzburger Autorin Laura Freudenthaler.
Gianmaria Gava

Die Hauptfigur in Laura Freudenthalers Roman Arson schläft schlecht, eine Gelse im Schlafzimmer ist schuld daran, der eigentliche Horror wartet aber vor der Tür: "Unten auf dem Feld hat es in der Nacht gebrannt", stellt sie fest, registriert einen "Boden, der nichts mehr hervorbringt", während Felsen abstürzen, Wälder brennen und sich der Himmel bei tiefer Sonne je "nach Schadstoffschichten" verfärbt. Auch Essen wird schon knapp.

Freudenthaler hat einen Klimakrisenroman geschrieben, wobei die Kategorie Roman seine besondere Textanordnung verkennt. Wir sind hier an der Seite eines Bewusstseins, das die Welt und sich selbst in dieser wahrnimmt. "Ich stelle fest, dass ich mich aufgesetzt habe und vor mich hinschaue", lautet ein Satz, der einen schon beim Lesen nervös machen kann. In kurzen Textblöcken setzt die Autorin ein Endzeitbild zusammen. Würde man die Blöcke konventionell geordnet drucken, wäre das Buch halb so lang, das Layout hat aber ästhetisch Sinn: Macht die Fragmentiertheit es erst schwer, in den Text zu finden, erlöst sie bald vom Verlangen, alles gleich verstehen zu wollen. Die Leerstellen füllen sich nach und nach aber verlässlich. Von diesem Klimakollaps in Kostproben isst man sich so schnell nicht satt!

Lebens- und Klimakrise erschüttern die Protagonisten gleichermaßen, deren Abmischung variiert im Verlauf der 240 Seiten. Die 1984 in Salzburg geborene und in Wien lebende Freudenthaler schildert in ihrem nach Die Königin schweigt und Geistergeschichte dritten Roman packend effizient, knapp, lakonisch. Man ist im konzentrierten Setting ganz nah an den Figuren. Neben der Ich-Erzählerin steht deren an Einschlafproblemen leidender Freund Ulrich im Fokus. Bald liegt die Vermutung nahe, dass der am Institut für Meteorologie der Universität zu Waldbränden Forschende deretwegen nicht mehr ruhen kann.

Sinnscharfes Streunen

Von der Schlaftherapeutin mit dem Auftrag ausgestattet, ein Schlaftagebuch zu führen, beginnt er akribisch in Tabellen seine Rastzeiten und deren äußere Umstände zu verzeichnen, als wäre es eine Wetterbeobachtung. Was öde klingt, entwickelt einen nerdigen Sog.

Während Ulrich nicht schlafen kann, flieht die Ich-Erzählerin vor ihrer Schwermut aus der Stadt, wird einen Gutteil des Buches auf dem Land verbringen und durch Verfallszustände streunen. Man begegnet Schachtelhalmen und Schirmkiefern, erfährt über Brennverhalten und Flammenfarbe von Holz bei diversen Luftzufuhren. Handlung, Entwicklung passieren nicht, aber die repetitive Beobachtung übersetzt sich direkt in Intensität. Worte wie "Glimmbrand" kann man sich für die überhitzte Zukunft merken.

Vor der Hiobsbotschaft "Die Kirschernte war mager in diesem Jahr" mögen die Leser noch zusammenzucken. "Meine Tochter wird nichts vermissen, was sie nicht gekannt hat", reagieren indes schon Figuren. Es ist, wie es ist, auch wenn es schlecht ist: Wie sachlich die Autorin uns alles das hinwirft, ohne offen moralisch zu werden, das hat die Coolness einer Folge der Dystopieserie Black Mirror. (Michael Wurmitzer, 2.10.2023)