Der wohl renommierteste Preis der Welt wird traditionell in fünf Kategorien vergeben: Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden; nimmt man den "Wirtschaftsnobelpreis" dazu, in sechs. Mit Abstand am erfolgreichsten war Österreich bis jetzt in der Kategorie Physiologie oder Medizin, egal, wie streng man es mit der Nationalitätszugehörigkeit nimmt. Vor genau 50 Jahren wurde damit zum bisher letzten Mal ein Österreicher geehrt: der Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der den Preis mit Niko Tinbergen (Niederlande) und Karl von Frisch teilte, der auch gebürtiger Wiener, aber deutscher Staatsbürger war.

Dass die Medizin ein Stärkefeld Österreichs war (Stichwort "Zweite Wiener Medizinische Schule“) und zum Teil noch ist, lässt sich aber auch an jenen zahlreichen Medizinerinnen und Medizinern ablesen, die zwar für den Nobelpreis nominiert wurden, aber nie den Preis erhielten. Auch unter diesen (bis jetzt) erfolglosen Anwärterinnen und Anwärtern, denen der schwedische Medizinhistoriker Nils Hansson (Uni Düsseldorf) mit „Wie man keinen Nobelpreis gewinnt" ein neues, kurzweiliges Buch gewidmet hat, finden sich auffällig häufig solche mit Österreich-Bezug.

33 Nominierungen für Sigmund Freud

Der am öftesten nominierte und meistzitierte Mediziner aus Österreich ist Sigmund Freud, der insgesamt 33 Mal vorgeschlagen wurde. Wie Hansson anhand von Recherchen im Nobel-Archiv rekonstruierte, wurden mehrere Experten vom Komitee des Karolinska-Instituts mit einer eingehenden Bewertung von Freuds Werk beauftragt. Der Sukkus der Einschätzungen: Freud sei durchaus ein genialer Mann mit Ideenreichtum, der auch gut schreiben könne. Aber er sei eben kein echter Wissenschafter. Freud gehörte übrigens auch zu jenen nicht allzu zahlreichen Forschern, die auch für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurden (nämlich 1937 vom französischen Literaturnobelpreisträger Romain Rolland). Aber auch der (Nobel-)Preis blieb ihm versagt.

Eugen Steinach Hormonforscher
Wurde elf Mal nominiert, aber nie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet: der Hormonforscher Eugen Steinach, der dem Komitee am Karolinska-Institut in Stockholm wohl zu umstritten war.
Archiv der ÖAW

Ein anderer Mediziner aus Österreich, der von Hansson ausführlich gewürdigt wird, ist Eugen Steinach. Der Physiologe und Hormonforscher, der an der Biologischen Versuchsanstalt in Wien arbeitete, schlug unter anderem eine "Verjüngung" alter Männer mittels Durchtrennung der Samenleiter vor (was sich als Irrtum herausstellte; auch bei Freud wirkte die Operation nicht), suchte umstrittenerweise nach hormonellen Heilmitteln für Homosexualität, entwickelte aber auch das erste Hormonpräparat (Progynon), das bis vor kurzem bei transsexuellen Personen in Verwendung war. Steinach erhielt von 1921 bis 1938 elf Nominierungen, war dem Komitee trotz seiner unbestreitbaren Leistungen aber zu umstritten. So wie Freud starb auch er im Exil.

Nur einmal – nämlich 1906 – wurde der Wiener Mediziner Leopold Freund nominiert, einer der ersten Radiologen der Welt. Dennoch widmet Hansson auch ihm einen ausführlichen Abschnitt, denn Freund gilt als Wegbereiter der wissenschaftlichen Strahlentherapie. Warum Freund keine Chance hatte, begründet Hansson mit dem Physiknobelpreis an Röntgen – damit seien quasi auch schon die Röntgentherapieverfahren, die zuerst in Wien entwickelt wurden, mitgewürdigt worden.

Zu innovativ für das Komitee?

Der schwedische Medizinhistoriker, der am Ende seines Buchs auch einige launige Thesen parat hat, wie man trotz bester wissenschaftlicher Voraussetzungen keinen Nobelpreis gewinnt, geht aber auch auf noch lebende Anwärterinnen und Anwärter ein: Darunter fällt das österreichische Ehepaar Ingeborg und Erich Hochmair, die mit ihren Cochlea-Implantaten das Leben vieler Menschen mit Hörbehinderung erleichterten. Hansson handelt die beiden in einem Kapitel ab, das unter dem Titel "zu innovativ" – ohne Fragezeichen – steht. Aber vielleicht wird es damit ja doch noch einmal was: Ingeborg Hochmair-Desoyer erhielt vor zehn Jahren den Lasker~DeBakey Clinical Medical Research Award, den viele Nobelpreisträger vor der Ehrung aus Stockholm erhielten.

Ein in Wien tätiger Forscher, der knapp am Medizinnobelpreis vorbeischrammte, fehlt in Hanssons Aufzählungen: der Pharmakologe Oleh Hornykiewicz, der 2020 starb. Der aus Polen stammende Wissenschafter war ein Pionier auf dem Gebiet der Erforschung der Parkinson-Krankheit und der Rolle des Dopamins bei Menschen. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Walther Birkmayer, der eine unrühmliche NS-Geschichte hatte inklusive SS-Mitgliedschaft, behandelte er 20 Wiener Patienten intravenös mit L-Dopa und berichtete 1961 darüber.

Hornykiewicz wurde mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen, meist gemeinsam mit Arvid Carlsson von der Universität Göteborg, der in den 1950er-Jahren vor den Wiener Kollegen an der Rolle von Dopamin bei Tieren gearbeitet hatte. Den Medizinnobelpreis erhielt dann Carlsson im Jahr 2000 – ohne Hornykiewicz, dafür aber gemeinsam mit Paul Greengard und dem aus Wien vertriebenen Eric Kandel. Ein internationales Protestschreiben an das Nobel-Komitee, das die Nichtberücksichtigung von Hornykiewicz kritisierte und immerhin von 230 Fachleuten unterstützt wurde, blieb von Stockholm wenig überraschend unberücksichtigt. (Klaus Taschwer, 3.10.2023)