Das EU-Parlament hat am Dienstag einen Vorschlag für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist das EU-Gesetz aber noch nicht fix – es geht jetzt in sogenannte Trilog-Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedsländer und der EU-Kommission. Entwürfe sehen einen Schutz für Journalistinnen und Journalisten vor Spähsoftware ebenso vor wie eine Art europäische Medienbehörde und Vorschriften über die Unabhängigkeit von öffentlich-rechtlichen Anstalten – die in bisheriger Form auch Fragen zu den ORF-Gremien aufwerfen. Ob sie so kommen, wird der Weg zwischen den drei EU-Institutionen erst klären.

448 Abgeordnete befürworteten am Dienstag die Position des EU-Parlaments zum European Media Freedom Act, 102 stimmten dagegen, und 75 enthielten sich. Das EU-Parlament will damit die Mitgliedsstaaten verpflichten, Medienvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit von Einflüssen der Regierung sowie von politischen, wirtschaftlichen oder auch persönlichen Interessen zu schützen.

Österreichs Zeitungsverband VÖZ - wie andere private Medienverbände - sieht die EU da auf dem falschen Weg.

Das Europäische Parlament bei der jüngsten
Das Europäische Parlament, hier bei der jüngsten "State of the Union"-Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 13. September.
EPA Julien Warnand

Worum es geht beim Medienfreiheitsgesetz

Den European Media Freedom Act hat die EU-Kommission vor etwa einem Jahr vorgeschlagen. Was wollte die EU-Kommission da regulieren beziehungsweise vorgeben? Einiges davon garantieren auch Menschenrechtskonvention, Grundrechtecharta und nationale Gesetze.

Regeln für Öffentlich-Rechtliche

Der European Media Freedom Act verordnet ganz allgemein öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen wie dem ORF redaktionelle Unabhängigkeit, er verlangt eine unparteiische Versorgung der Öffentlichkeit mit einer Vielfalt von Informationen und Meinungen gemäß ihrem öffentlichen Auftrag.

Ob die Kriterien des ORF-Gesetzes für Stiftungsräte und Publikumsräte – etwa Kenntnis des Medienmarkts – diesen Anforderungen entsprechen würden, daran zweifelten zuletzt Medienrechtler und orteten potenzielle "Sprengkraft aus Brüssel" für das ORF-Gesetz. Aber: Experten des österreichischen Bundeskanzleramts berichteten, dass der EU-Rat diese Auswahlkriterien alleine auf das Management beziehen will – ein Fall für den Trilog.

Derzeit prüft der österreichische Verfassungsgerichtshof, ob Stiftungsrat und Publikumsrat ausreichend regierungsfern bestellt werden, um dem österreichischen Verfassungsgesetz über die Unabhängigkeit des Rundfunks zu entsprechen. Mitglieder des Höchstgerichts hinterfragten die Regelungen Ende September in einer öffentlichen Verhandlung. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts wird noch 2023 erwartet.

Offenlegung von Medieneigenum

Die Entwürfe für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz sehen auch Transparenzregeln für Medieneigentümer vor, die Österreich mit umfangreichen nationalen Offenlegungspflichten abdecken dürfte.

EU-Gremium der Medienbehörden

Nationale Medienbehörden sollen für die Umsetzung dieser Regeln zuständig sein, sie sollen künftig intensiver zusammenarbeiten. Ein gemeinsames europäisches und deklariert unabhängiges Gremium dieser Medienbehörden soll eingerichtet werden und die bestehende Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (Erga) ablösen.

In dem Gremium sitzen Vertreterinnen und Vertreter der nationalen Medienbehörden, laut Ratsvorschlag sollen sie mit Zweidrittelmehrheit entscheiden. Aber was tut dieses Gremium oder "Board" eigentlich nach den Vorstellungen der EU-Institutionen?

Das Medienbehördengremium berät und unterstützt laut Ratsvorschlag die EU-Kommission in Sachen Medien und bei der Umsetzung des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes. Es soll etwa technische Expertise beisteuern sowie Zusammenarbeit und Informationsaustausch der nationalen Behörden fördern. In Abstimmung mit der Kommission soll sich das Gremium auch in Streitfällen zwischen Behörden äußern und vermitteln, oder etwa zur Medienkonzentration. Es soll Position beziehen zu nationalen Regelungen, die Medien bei ihrer Tätigkeit im Binnenmarkt wesentlich behindern können, und Entwürfen für nationale Regelungen mit Auswirkungen auf Medienvielfalt, redaktionelle Unabhängigkeit und Medienkonzentration.

Das europäische Behörden-Board soll laut Ratsposition auch nationale Regelungen und Kriterien koordinieren für die Verbreitung von und den Zugang zu Mediendiensten mit Sitz außerhalb der EU, die als gravierende Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft werden. Das Board soll einen "strukturierten Dialog" mit großen internationalen Plattformen wie Alphabet, Meta und Co organisieren. Es soll vermitteln, wenn Google, Facebook, Tiktok und Co Medienanbieter auf ihren Plattformen sperren oder ihre Sichtbarkeit beschränken.

Nutzungsmessung

Nicht diskriminierende Regierungswerbung

Gesetzesrang und massive Kritik

Der European Media Freedom Act (EMFA) ist als Verordnung geplant, die ohne nationale Umsetzung in Gesetzesrang steht. Renommierte österreichische und deutsche Rundfunkjuristen kritisierten diese geplante Form für das Europäische Medienfreiheitsgesetz beim Rundfunkforum zum Thema im September in Wien, veranstaltet vom Wiener Forschungsinstitut für das Recht der elektronischen Massenmedien (REM).

Aus Deutschland, wo es für öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine unabhängigen Regulierungsbehörden gibt, kommt wesentlicher Widerstand gegen den European Media Freedom Act. Europäische Verlagshäuser äußerten sich besorgt, der deutsche Medienverband BDZV warnte vor einer "Unterwerfung der Presse in der EU". (Harald Fidler, 3.10.2023)