Man kann sich kaum vorstellen, dass der Mann "ganz aus dem Häuschen" ist. Der ungarisch-österreichische Physiker Ferenc Krausz steht Dienstagabend zugeschaltet in der "ZiB 2", ruhig und bescheiden wirkt er, und hat "noch Mühe" zu realisieren, dass er vor wenigen Stunden von seinem Nobelpreis erfahren hat. Er war ganz aus dem Häuschen, sagt er da, aber bei einem anderen Nobelpreisträger.

Ferenc Krausz, in die
Große Mühe, den Nobelpreis zu realisieren: Ferenc Krausz, in die "ZIB 2" zugeschaltet aus Garching bei München.
ORF ZiB 2 Screenshot

Sehen, was noch kein Mensch gesehen hat

An einen Preis, gar einen Nobelpreis hat Krausz auch nicht gedacht, als er mit Kollegen in der Nacht vom 8. auf den 9. September, es muss 2001 gewesen sein, im Kellerlabor der Technischen Universität Wien erstmals "die Existenz dieser Attosekundenpulse erlebt" hat. "Da war auf keinen Fall der erste Gedanke: Uh, das könnte einmal zu einem Nobelpreis führen. Da war einfach die Freude da, dass man etwas hat, was man vorher nie gehabt hat und was kein anderer Mensch vorher in dieser Form gesehen hat. Diese Freude überwiegt alles. Da gibt es keinen Platz für künftige Preise im Kopf."

100.000-mal schneller

Welchen praktischen Nutzen hat die Entdeckung, an der Krausz seither und inzwischen als Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching bei München arbeitet, möchte Marie-Claire Zimmermann wissen, und wohl auch ihr Publikum. "Auf den praktischen Nutzen muss man noch ein wenig warten", sagt Krausz ganz nüchtern. Und als man sich gerade damit abfinden will, dass das jetzt eigentlich gar nicht so wirklich aufregende Auswirkungen aufs praktische Leben hat, schiebt er ruhig nach: Bei einer immer leistungsfähigeren Elektronik könnte das wohl helfen, beim schnelleren Schalten von Strom, wo er seit 20 Jahren Stagnation beobachte. Und dann sagt Krausz noch fast beiläufig im Ton: "Das könnte zu einer hunderttausendfachen Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Computern führen."

ZIB 2: Krausz über seinen Nobelpreis
Der österreichisch-ungarische Physiker Ferenc Krausz erhält den Nobelpreis für Physik. Krausz wird für richtungweisende Forschungen zu ultrakurzen Lichtimpulsen ausgezeichnet. Er spricht unter anderem darüber, wie groß die Überraschung der Auszeichnung für ihn war.
ORF

Krebs früh erkennen

An die praktische Anwendung in der Medizin erinnert ihn Zimmermann noch, ach ja: Da habe man schon einen weiten Weg hinter sich, aber noch einen weiten Weg vor sich, leitet Krausz wieder ganz ruhig ein, und man ahnt langsam, da kommt noch was. Sein Team erforscht gerade in einer großen Studie an 15.000 Menschen in Ungarn, wie mit der Technologie in großen Populationen einige Krebsarten, Herzgefäßerkrankungen und etwa Diabetes per Bluttest und dem sogenannten Infrarot-Fingerabdruck früh erkannt werden können.

Erklären, erklären, erklären

Was tun mit Skepsis und Zweifeln an der Wissenschaft, die mit der Corona-Pandemie stärker zutage traten? Krausz bezweifelt, dass die Menschen wirklich wissenschaftsskeptischer geworden sind. Natürlich seien "hinausposaunte Meinungen", die Fakten vielleicht nicht berücksichtigen, "sehr schädlich". Aber die Wissenschaft habe "eine ganz große Verantwortung, dass wir der Bevölkerung, die uns ja finanziert, immer wieder verständlich erläutern, was wir machen und warum. Ich glaube, so können wir am allerbesten Skeptizismus gegenüber der Wissenschaft entgegenwirken."

Amüsiert den neuen Nobelpreisträger womöglich, dass ihn gleich drei Länder als den ihren feiern? "Wir sind alle Europäer", sagt Krausz. Er ist in Ungarn geboren, hat dort studiert, in Wien jene Experimente durchgeführt, die ihm nun die Auszeichnung der Auszeichnungen eintrugen, und hat nun in München Möglichkeiten in neuer Dimension. Er sei allen drei Ländern unendlich dankbar, sagt er, und freue sich, dass er ihnen mit dem Preis nun etwas zurückgeben könne.

Hilfe für Ukraine

Und was tut er mit seinem Anteil an den rund 950.000 Euro Nobel-Preisgeld, die er sich mit der Französin Anne L'Huillier und dem US-Franzosen Pierre Agostini teilt? Der Gutteil werde, wie schon von anderen Preisgeldern seit 2022, an den mit Kolleginnen und Kollegen gegründeten Verein Science for People gehen, der "angesichts der humanitären Katastrophe in der Ukraine" Spenden sammelt, damit Hilfsorganisationen in der Westukraine vor allem die junge Generation unterstützen können, "die ganz besonders unter den Folgen des Krieges zu leiden hat".

Aus dem Häuschen

Und wann war Krausz nun aus dem Häuschen (und eigentlich will man den unglaublich ruhigen Mann auch fragen, wie das bei ihm aussieht)? Als er vor ziemlich genau einem Jahr erfahren hat, dass sein Kollege Anton Zeilinger den Physiknobelpreis erhält. Einer mit einem ganz anderen Naturell: Zeilinger war, so seine erste Reaktion auf Krausz' Auszeichnung, "schon damals klar, da haben wir da vielleicht einen künftigen Nobelpreisträger vor uns". (Harald Fidler, 4.10.2023)