Die Welt spielt verrückt. Permanent gibt es neue Krisen, zu denen sich die meisten von uns ihre persönliche Meinung bilden. Internationale Ereignisse, wie der Krieg in der Ukraine oder der Angriff auf die israelische Bevölkerung, aber auch politische Maßnahmen auf nationaler Ebene wie der Umgang mit Corona sind oder waren Themen, an denen niemand vorbeikommt. Es ist nachvollziehbar, wenn wir unsere Meinung dazu nicht verbergen wollen. Sofern wir uns öffentlich (und sei es auch "nur" in bestimmten Echokammern) dazu äußern, laufen wir allerdings Gefahr, dass dies zu Nachteilen führt. Gerade dann, wenn unsere Aussage nicht der Mainstreammeinung (der eigenen Blase) entspricht. Gehen diese Nachteile von der Arbeitgeberin aus, liegt es nahe, sich zu fragen, ob hier nicht eine Diskriminierung vorliegt.

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Wird man aufgrund von seiner Meinung zu einem Ereignis oder einer Weltsituation benachteiligt, kann, aber muss dies nicht eine widerrechtliche Diskriminierung darstellen.
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Weltanschauung als geschütztes Merkmal

Das Antidiskriminierungsrecht beschränkt die verbotene Diskriminierung im Arbeitskontext auf sechs Merkmale: Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Alter, Behinderung und Religion oder Weltanschauung. Wenn eine Schlechterstellung in keinem Zusammenhang mit einem dieser Merkmale steht, sind möglicherweise andere juristische Schritte (wie die Geltendmachung von Mobbing oder die Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes) angezeigt. Das Antidiskriminierungsrecht ist dann allerdings nicht das Mittel der Wahl.

Setzt ein Arbeitgeber aufgrund einer ihm unpassend erscheinenden oder mit den Unternehmenswerten nicht in Einklang zu bringenden Meinung einer Arbeitnehmerin arbeitsrechtliche Schritte gegen diese, ist also zu prüfen, ob hier eine Diskriminierung auf Grund des geschützten Merkmals "Weltanschauung" der Betroffenen vorliegt. Um diesen Diskriminierungsgrund einer (mutmaßlich diskriminierten) Person geltend machen zu können, müssen wir uns zwei Fragen stellen:

Erstens, ob es sich – wie der OGH recht sperrig formulierte –, um eine Leitauffassung "vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis" handelt. Vereinfacht liegt eine geschützte Weltanschauung also dann vor, wenn eine Vorstellung darüber gegeben ist, wie die Welt und die Gesellschaft in ihr im Ganzen funktioniert oder funktionieren sollte.

Zweitens müssen wir uns fragen, ob die Weltanschauung mit demokratischen Grundwerten vereinbar ist. Denn bereits aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9 Abs. 2) ergibt sich klar, dass der eigenen Freiheit der Ausübung einer Religion oder Weltanschauung dort Grenzen gesetzt werden können, wo dies in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Was nicht geschützt ist

Während der Oberste Gerichtshof im Fall einer Nichtanstellung auf Grund einer Parteimitgliedschaft ausgesprochen hat, dass die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei Ausdruck einer Weltanschauung sein kann, aber nicht muss, hat er dies im Zusammenhang mit der Einstellung zu Corona in einem anderen Fall klar verneint. Demnach stellt eine kritische Haltung zu Corona-Maßnahmen keine geschützte "Weltanschauung" dar. Bereits in früheren Entscheidungen hatte der OGH unter anderem betreffend die Meinung eines Arbeitnehmers zur Asylgesetzgebung in Österreich festgestellt, dass Meinungen zu punktuellen Maßnahmen nämlich keine antidiskriminierungsrechtlich geschützte Weltanschauung darstellen.

Wenn nun in den letzten Tagen Personen die vorsätzliche Tötung, Geiselnahme und Misshandlung von Zivilistinnen und Zivilisten in Israel gutheißen, so stellt sich nicht nur die Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine Weltanschauung im Sinne einer Leitauffassung über die Welt handelt. Solchen Meinungen ist vielmehr schon auf Grund des Umstands, dass sie mit demokratischen Werten und der Einhaltung grundlegender Menschenrechte nicht vereinbar sind, der antidiskriminierungsrechtliche Schutz verwehrt.

Letztlich dient der Diskriminierungsschutz dazu, dass niemand aufgrund reiner Zuschreibungen auf Basis bestimmter Merkmale und ohne Berücksichtigung der individuellen Person benachteiligt wird. Er soll unsachlicher Schlechterbehandlung vorbeugen und die Möglichkeit bieten, darauf zu reagieren. Jedenfalls aber dürfen Diskriminierungsverbote keine Grundlage dafür sein, sanktionslos selbst zu diskriminieren oder menschenverachtende Inhalte zu verbreiten. Jeder Versuch, das Antidiskriminierungsrecht in diese Richtung fruchtbar zu machen, muss daher fehlschlagen. (Yara Hofbauer, 13.10.2023)