Krzysztof Bosak, Co-Chef der Konfederacja.
Spricht die Jungen an: Krzysztof Bosak, Co-Chef der Konfederacja.
IMAGO/Dominika Zarzycka

Zwei Lager, zwei Männer: Die politische Atmosphäre in Polen vor der Parlamentswahl am Sonntag ist aufgeheizt, die Gesellschaft ist polarisiert, der Wahlkampf personalisiert. Auf der einen Seite steht Jarosław Kaczyński, Chef der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und als Vizepremier der eigentliche Strippenzieher in der Regierung. Sein Herausforderer im liberalen Lager ist Ex-Premier Donald Tusk, ehemaliger EU-Ratspräsident und Anführer der oppositionellen Bürgerkoalition (KO).

Als das politische Dauerduell zwischen den beiden Hauptkontrahenten vor mehr als zwei Jahrzehnten begann, waren viele der Jungwählerinnen und -wähler von heute noch gar nicht geboren. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Polarisierung unter ihnen weniger stark ausgeprägt ist als im Durchschnitt der Bevölkerung. Ganz im Gegenteil: Der Graben, der quer durch die junge Generation verläuft, ist noch tiefer und breiter als der in der polnischen Gesellschaft insgesamt.

Auf Distanz zu Kiew

Zu diesem Schluss jedenfalls kommt eine Studie des Berliner Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS). Die Besonderheit: Keines der genannten Lager liegt bei den unter 35-Jährigen vorn. An der Spitze im Beliebtheitsranking rangiert bei den Jungen vielmehr die Rechts-außen-Partei Konfederacja. In einer im Frühjahr durchgeführten Studie kam sie auf 20 Prozent. In der Gesamtbevölkerung pendelt die Konfederacja seit damals kontinuierlich um die zehn Prozent, ist insgesamt also nur etwa halb so stark.

Die Konfederacja mit ihrem Führungsduo Krzysztof Bosak und Sławomir Mentzen ist nationalistisch geprägt, was auch bei der Bereitschaft zur Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine sichtbar wird: "Die Partei hat keinen prorussischen Diskurs, aber einen ‚Polen zuerst‘-Diskurs", sagt Félix Krawatzek, der im ZOiS den Forschungsschwerpunkt "Jugend und generationeller Wandel" betreut. Soll heißen: Polen solle sich laut Konfederacja in erster Linie um die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes kümmern, statt weiter die Ukraine mit Waffen zu beliefern.

Ein prorussisches Ausscheren im Kreml-kritischen Polen ist das zwar noch nicht, aber die zugrundeliegende Haltung spielt Moskau zumindest in die Hände. Wohl nicht zufällig schlug Premier Mateusz Morawiecki von der PiS neulich in einem TV-Interview in dieselbe Kerbe und signalisierte eine Abkehr von den bisherigen Waffenlieferungen an Kiew: Die innenpolitische Konkurrenz kommt eben nicht nur von links oder von den Liberalen, sondern – vor allem bei der jüngeren Generation – auch von ganz rechts.

Kein Vertrauen in den Staat

Ein weiteres Merkmal der Konfederacja: Sie fährt wirtschaftspolitisch einen stark libertären Kurs. Damit fordert sie nicht nur die ebenfalls oppositionelle Linke heraus, sondern auch die eigentlich konservative PiS, die allerdings mit Freigiebigkeit gegenüber Pensionistinnen und Pensionisten sowie mit Sozialleistungen für Familien mit Kindern zu punkten versucht. Das bedeutet: Gerade viele Junge vertrauen offenbar lieber sich selbst als staatlichen Programmen zur Umverteilung oder gar zur Stärkung der sozialen Infrastruktur.

An zweiter Stelle bei den Jungen lagen in der Studie mit 18 Prozent die Liberalen von Donald Tusk. Das ist deutlich weniger als in der Gesamtbevölkerung, wo es laut Umfragen etwa 30 Prozent sind. Noch weiter abgeschlagen ist bei unter 35-Jährigen aber die regierende PiS: Sie kam in diesem Segment auf lediglich elf Prozent. In der Gesamtbevölkerung lag die PiS damals um die 38 Prozent, derzeit darf sie mit mehr als 33 Prozent rechnen – das ist immer noch dreimal so viel wie im Frühjahr unter den Jungen.

Für ZOiS-Forscher Félix Krawatzek ist das keine Überraschung. Aus Sicht der Jungen würde die PiS die falschen Themen angehen, glaubt er und verweist auf die Einschränkung des Abtreibungsrechts oder auf fehlende Ressourcen im Bildungssektor. Proeuropäisch orientierte Jüngere dürften zudem auch von den ständigen Grabenkämpfen der Regierung mit Brüssel die Nase voll haben. "Jenseits von Patriotismus hat die PiS für junge Menschen nicht viel zu bieten", so Krawatzek.

Genau bei diesem Thema aber, dem Patriotismus, scheint die PiS von der Konfederacja übertrumpft zu werden. Die Regierung wird sich also auf die Älteren verlassen müssen. Und auf die vielen Unentschlossenen hoffen, die auch bei den Jungen die größte Gruppe stellen. (Gerald Schubert, 12.10.2023)