Das Tiktok-Logo auf einem Smartphone vor der EU-Flagge
Tiktok soll neben X und Meta zu wenig gegen Gewaltaufrufe im Nahostkonflikt getan haben, sagt die EU-Kommission.
AFP/LIONEL BONAVENTURE

Mit dem Angriff der Terroristen der radikalislamischen Hamas auf Israel schwappte auch eine Flut an Fake News, Antisemitismus und Terroraufrufen ins Netz. Jetzt setzte die EU-Kommission die Regeln des Digital Service Act in Kraft und startet Ermittlungen gegen X (ehemals Twitter), Meta und Tiktok. Der Vorwurf: Die Plattformen würden nicht streng genug gegen verbotene Inhalte vorgehen. Den Unternehmen drohen nun theoretisch Strafen von bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes.

Fake News

Die Bilder sind wahrlich schrecklich: Vermeintliche Phosphorbomben regnen auf Zivilisten herab, Israel soll sie gegen die Bevölkerung im Gazastreifen einsetzen. Andere Videos zeigen Hamas-Terroristen, wie sie mit Manpads israelische AH-64-Apache-Angriffshelikopter vom Himmel holen. Doch nichts davon ist wahr. Das erste Bild zeigte Szenen, als Russland die Verteidiger der Ukraine mit Phosphor angriff, die zweite Szene stammt aus dem Videospiel "Armed Assault 3". Laut dem Digital Services Act der Europäischen Union wären die Plattformen verpflichtet, die längst als Falschmeldung entlarvten Bilder und Videos binnen 24 Stunden zu entfernen. Doch das taten sie nicht, wirft die EU-Kommission den drei Unternehmen vor.

Den Anfang machte EU-Digitalkommissar Thierry Breton prominent auf X. Er schrieb Elon Musk persönlich einen Brief, den er auch sogleich veröffentlichte. Darin forderte er den Milliardär auf, das Material sofort zu entfernen und Maßnahmen zu treffen, dass dieses nicht weiter verbreitet würde. Außerdem ermahnte Breton Musk, dass seine Plattform verpflichtet sei, mit Europol zusammenzuarbeiten. Ähnliche Briefe ergingen auch an Meta-Chef Mark Zuckerberg und Tiktok-CEO Shou Zi Chew.

Diese sozialen Medien würden vor allem von Kindern und Jugendlichen benutzt, weshalb eine besondere Verpflichtung bestehe, die Falschmeldungen und Aufrufe zur Gewalt zu entfernen, so Breton.

Verfahren laufen

Der EU-Kommissar betonte im Gespräch mit Journalisten, unter anderem des STANDARD, in Brüssel, dass die Kommission mit den drei Briefen nun offiziell Ermittlungen eingeleitet habe. Ein rund hundertköpfiges Team werde nun die Ermittlungen führen. Man habe Beweismaterial gesichert und erwarte Stellungnahmen von Musk, Zuckerberg und Chew oder deren Vertreterinnen und Vertretern.

Den Unternehmen drohen Strafen von bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes, die die Kommission auch mehrfach verhängen könne. Im Fall von Tiktok wären das rund 562 Millionen Dollar. Meta droht theoretisch sogar eine Strafe von bis zu 7,2 Milliarden Dollar. Auch eine Abschaltung der Netzwerke steht im Raum, auch diesen Schritt sei man nötigenfalls bereit zu gehen, betonte der Franzose am Donnerstag – und man habe die technischen Mittel, die Plattformen im Fall von fortgesetzten Verstößen vom Netz zu nehmen.

Damit war explizit X, das ehemalige Twitter, gemeint. Musk lieferte sich mit Breton noch ein kurzes Wortgefecht. Er forderte den EU-Kommissar auf, die genauen Verstöße zu nennen. Breton verwies darauf, dass Musk sehr wohl wissen müsse, welche Verstöße nach EU-Recht auf seiner Plattform stattfinden.

Trotz der Auseinandersetzungen gab X nach: Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen wurde an die Kommission übermittelt. Außerdem wurden hunderte Accounts mit nachgewiesenen Verbindungen zur Hamas gelöscht. Die Kommission prüft nun die weiteren Schritte im Verfahren. "Aufrufe zu Terrorismus werden bestraft", so Breton. Es sind dies die ersten großen Verfahren nach dem jüngst in Kraft getretenen Digital Services Act. (pez, 13.10.2023)