Christian Thielemann
Christian Thielemann ist der neue Generalmusikdirektor derBerliner Staatsoper Unter den Linden, bleibt Wien aber verbunden.
AFP/JOHN MACDOUGALL

Däumchen drehen wird Christian Thielemann auch künftig nicht: Zwar räumt der Spezialist für das schwerdeutsche Fach nächstes Jahr schweren Herzens den Chefposten bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Dafür geht für den Publikumsliebling und streitbaren Geist eine andere Generalmusikdirektor-Tür auf, nämlich an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Zudem wird Thielemann weiterhin einen Teil seiner Schaffenskraft in den Wiener Klassikbetrieb buttern: Mit der Staatsoper sind Pläne bis 2029 paktiert.

Ehrung für Thielemann

Letzteres war Samstagnacht zu erfahren, als das Haus den Dirigenten des Abends in den Rang eines Ehrenmitglieds erhob. Vor versammelter Künstlerschaft und einer raren Personenkonstellation auf offener Bühne (Direktor Bogdan Roščić gemeinsam mit den Vorgängern Dominique Meyer und Ioan Holender) bekam Thielemann nicht nur eine Urkunde samt Ring, auch ein gerahmter Abendzettel wechselte den Besitzer – eine Erinnerung an das Hausdebüt des Berliners, vollzogen 1987 im Rahmen einer Repertoire-Così.

Der Zahn der Zeit hat weder Thielemanns Kraft noch den Enthusiasmus seiner Fans pulverisiert: Monumentalbeifall erklang am Samstag bereits zu Dienstbeginn – die Ovationen steigern sich noch von Akt zu Akt. Recht so: Thielemann zählt zu jenen Schlüsselkräften, die Richard Strauss’ Frau ohne Schatten trotz ihrer dramaturgischen Unwuchten Sogwirkung zu verleihen verstehen.

Unter seiner Leitung schwirrt ein Kaleidoskop Klang gewordener Märchenbilder durch den Luftraum, gluckern güldene Wasserfontänen, flatternde rote Falken für das Ohr. Gleichwohl verzettelt sich Thielemann nicht in Details, lässt den Klangfluss immer wieder lustvoll strömen und die Musik in majestätischen, auch wuchtigen Aufschwüngen gipfeln.

Wiener Staatsoper Die Frau ohne Schatten
Märchenhaft: "Die Frau ohne Schatten" an der Wiener Staatsoper.
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Mit der Kraft einer Löwin

Qualitätvoll auch die Stimmen: Elza van den Heever (Kaiserin) führt den Kampf um ihren Mann mit der Stimmkraft einer Löwin; Tanja Ariane Baumgartner (Amme) punktet mit verführerischer Agilität; Elena Pankratova verleiht der zänkischen Färberin garstige Gifttöne, kann ihren warmherzigen Bühnengemahl Michael Volle damit aber nicht ins Bockshorn jagen.

Bleiben noch Andreas Schager (Kaiser), ein Energievulkan mit mächtigen Eruptionen, und ein bis hin zu den Kinderstimmen famoser Chor. Schlussendlich Jubelgebrüll für Thielemann, der sich angesichts der Ehrung "ganz platt" zeigte. (Christoph Irrgeher, 16.10.2023)