Mann hält eine Banane in der Hand, an deren Spitze die Schale fehlt
Bei einer Beschneidung wird die Vorhaut ganz oder teilweise entfernt. Einfluss auf die Sexualität hat das aber nicht.
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Einer von zehn Männern in Österreich hat keine Penisvorhaut. Die meisten Männer werden dabei schon als Babys oder kleine Buben beschnitten, aus gesundheitlichen oder religiös-kulturellen Gründen. Im Islam ist das Entfernen der Vorhaut Teil der religiösen Tradition, für das Judentum ist das Ritual sogar in der Tora niedergeschrieben, es ist ein Zeichen für den Bund zwischen dem jüdischen Volk und Gott. Die Tradition dürfte aber noch älter sein, bereits im alten Ägypten soll man das Ritual durchgeführt haben.

In der christlichen Tradition hat sich diese Praxis nicht durchgesetzt, deshalb haben, zumindest in Europa, nur wenige Männer keine Vorhaut. Die, bei denen das Teil fehlt, wurden in den allermeisten Fällen aus gesundheitlichen Gründen beschnitten, etwa weil die Vorhaut zu eng war oder weil sich ständig Entzündungen bildeten. Um das Thema ranken sich dabei viele Mythen – die durchaus widersprüchlich sind. Eine Streitpunkt ist die Hygiene. Ob die mit oder ohne Vorhaut besser funktioniert, ist nicht eindeutig geklärt. Viel emotionaler ist die Diskussion rund um die Sensibilität. Während so manche sagen, mit beschnittenem Penis habe man besseren Sex, sagen andere, die Empfindsamkeit an der Eichel nehme dadurch ab. Und so manche finden, ein beschnittener Penis sei einfach ästhetischer.

Das dürfte auch daran liegen, dass in Pornos vor allem beschnittene Penisse zu sehen sind. Die meisten werden in den USA gedreht, und dort ist die Beschneidung auch abseits religiöser Traditionen weitverbreitet. Bis in die 1970er-Jahre wurden fast alle Buben beschnitten, weil man das als hygienischer empfand. Mittlerweile ist die Praxis aber auch dort weniger verbreitet – wohl auch deshalb, weil man die Beschneidung als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Buben sehen kann.

Keine wichtige Funktion

Ob lieber mit oder ohne Vorhaut, das sieht Franklin Kuehhas ganz emotionslos. Es sei eine persönliche Entscheidung, sagt der Urologe und Androloge, der auf operative Eingriffe am männlichen Glied spezialisiert ist. Natürlich gibt es medizinische Gründe, die eine Beschneidung nötig machen. Am häufigsten ist das bei der Vorhautverengung, der Phimose, der Fall. Die Vorhaut lässt sich dann nicht vollständig oder womöglich gar nicht zurückziehen. Fast alle Buben kommen dabei mit einer natürlichen Vorhautverengung zur Welt, die sich in den ersten Lebensjahren auswächst. Man kann auch nachhelfen, indem man mit Cortisonsalbe schmiert. Über die Pubertät hinaus bleibt die Vorhaut nur bei etwa einem Prozent der Buben zu eng. Viele Buben werden aber schon im Kleinkindalter beschnitten.

Medizinisch früh angesagt ist die Beschneidung bei einer so genannten Knopfloch-Verengung. Dann ist die Öffnung so klein, dass der Urin beim Wasser lassen nur schwer durchgeht und sich die Vorhaut in extremen Fällen sogar zu einer Art Ballon aufblasen kann. Außerdem können sich bei starker Verengung leichter Entzündungen bilden. Lässt sich die Vorhaut nicht gut zurückziehen, ist es schwieriger, das Smegma zu entfernen, die gelblich-weiße Masse zwischen Penis und Vorhaut, Bakterien können sich leichter ansiedeln. Durch solche Entzündungen können aber Vernarbungen im Gewebe entstehen. Im Erwachsenenalter lassen sich nur noch wenige Männer beschneiden, vor allem passiert das aus religiösen Gründen, etwa wenn jemand zu einer Religion konvertiert, in der das üblich ist.

Ob das Risiko einer Krebserkrankung durch eine Beschneidung sinkt, ist nicht ganz klar. Der extrem seltene Peniskrebs – weniger als ein Prozent der Männer erkranken daran, die allermeisten in späten Jahren – tritt tatsächlich etwas häufiger auf bei Männern, die eine Vorhautverengung haben. Aber rund 20 Prozent der betroffenen Männer sind beschnitten. Eine Studie aus dem Jahr 2014 deutet darauf hin, dass das Risiko für Prostatakrebs durch eine Beschneidung leicht sinken könnte. Grund dafür dürfte sein, dass sich Pathogene nicht so leicht festsetzen können, weil ihnen das feuchte Milieu fehlt.

Ähnlich wie Sockentragen

Ob die Vorhaut vorhanden ist oder nicht, ist dabei, medizinisch gesehen, nicht wirklich relevant. Die dürfte einfach ein Überbleibsel aus der Evolution sein. "Sie hat in dem Sinn keine Funktion. Die Empfindsamkeit und die Erektionsqualität sind mit und ohne Vorhaut gleich", betont Kuehhas. Dass man trotzdem manchmal liest, die Haut der Eichel "verhorne" ohne Vorhaut und werde weniger empfindlich, kann er nicht nachvollziehen. "Natürlich fühlt es sich anders an, wenn man frisch beschnitten ist, es gibt dann eine permanente Reizung. Aber an die gewöhnt man sich innerhalb weniger Tage."

Tatsächlich werde die Haut am Peniskopf etwas dicker und unempfindlicher auf Berührung. Das ändere aber nichts an der Empfindsamkeit beim Sex, man spüre genau so viel. Es sei ähnlich wie mit Socken: Wenn man die länger anhat, spürt man sie nicht mehr – außer man bewegt aktiv die Zehen. "Das liegt daran, dass das Gehirn Dauerreize herausfiltert."

In bestimmten Fällen kann eine Beschneidung womöglich sogar einen Vorteil bringen beim Sex: nämlich für Männer, die unter vorzeitigem Samenerguss leiden. "Die hohe Empfindsamkeit, durch die es dazu kommt, wird dann etwas gedämpft", weiß Kuehhas.

Sensibilität bleibt intakt

Und der Urologe räumt gleich mit einem weiteren Mythos auf: Im Internet kursiert die Info, dass das innere Vorhautblatt besser mit Nerven versorgt sei als das äußere. "Das ist schlicht falsch. Der einzige Unterschied ist, dass das innere, rosa Vorhautblatt eine Schleimhaut ist. Es hat aber weder mehr Nerven, noch ist es sensibler oder wichtig für eine gute Sexualität." Wenn die Beschneidung richtig durchgeführt wird, hat sie keinen Einfluss auf die Empfindsamkeit.

Aber natürlich kann, wie bei jedem operativen Eingriff, etwas schiefgehen. "Man kann Nerven verletzen, der Penis wird dann taub, oder man kann in die Harnröhre schneiden." Deshalb sollte nur ein Fachmann den Eingriff durchführen, betont Kuehhas. Und tatsächlich kann auch zu viel Vorhaut weggeschnitten werden: "Dann ist so wenig Haut da, dass der Penis nicht mehr richtig steif werden kann. Das muss man dann mit einem Hautimplantat aus dem Oberschenkel lösen." Weitere Komplikationen können asymmetrische Schnitte, hässliche Narbenbildung oder Lymphödeme sein, also chronische Schwellungen im Bereich der Vorhaut.

Doch wie läuft so ein Eingriff überhaupt ab? Dieser wird bei Erwachsenen normalerweise in Lokalanästhesie durchgeführt, es tut also nicht weh. Bei Buben empfiehlt der Spezialist eine Narkose. In den Tagen danach kann es aber natürlich unangenehm sein. Besonders schmerzhaft sei es aber nicht, meint Kuehhas: "Auf einer Skala von eins bis zehn reihen die Patienten den Schmerz im Normalfall bei zwei oder drei ein." Der Androloge empfiehlt für die Tage nach dem Eingriff aber das Tragen enger Unterhosen, weil man damit das Reibungsempfinden am Peniskopf reduziere – Stichwort Reizgewöhnung.

Soziale Ausfallzeit gibt es nach dem Eingriff keine, nur mit dem Sex muss man etwas warten. Nach drei Wochen ist aber auch der wieder möglich. Und Kuehhas beruhigt in Bezug auf eine Angst, die einige seiner Patienten haben: dass die Wunde bei einer nächtlichen Erektion reißt. "Das ist definitiv nicht der Fall."

Immer wieder kritisiert

Ob man eine Beschneidung befürwortet oder nicht, das liege im eigenen Ermessen, findet Kuehhas. Immer wieder kochen aber gesellschaftliche Diskussionen zu dem Thema hoch. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass eben der Großteil der Beschneidungen im Kindesalter durchgeführt wird und entsprechend die Eltern für die Buben entscheiden. Diesen Eingriff kann man auch nicht mehr rückgängig machen. "Man kann die Vorhaut mit bestimmten Dehnungsübungen wieder verlängern. Aber das funktioniert nur bedingt, sie wird nie wieder vollständig über die Eichel drüberrollen."

Kuehhas versteht die Kritik auch: "Der Penis ist ein zentrales Organ des Mannes, es ist völlig klar, dass damit viele Emotionen zusammenhängen." Auch deshalb ist es ihm so wichtig, dass viel mehr darüber gesprochen wird. "Alles was mit dem männlichen Genital zu tun hat, hat ja auch eine psychosexuelle Bedeutung." Im Zweifelsfall würde er bei medizinischer Indikation aber zu einer Beschneidung raten: "Mit einer fortbestehenden Verengung kann ein Mann einfach sein sexuelles Potenzial nicht voll ausleben." Der Penis sei für viele die Visitenkarte des Mannes, ist man mit seinem Aussehen nicht zufrieden, könne das zu Vermeidungsverhalten führen. "Damit versperrt man sich selbst die Tür zur eigenen Sexualität. Und das soll einfach nicht passieren." (Pia Kruckenhauser, 22.10.2023)