Fairphone 5
Das Fairphone 5 bessert bei Kritikpunkten des Vorgängers nach: Kompromisse muss man für die leichte Reparierbarkeit dennoch in Kauf nehmen.
DER STANDARD/Brandtner

Die Mobilfunkindustrie tanzt seit Jahren um den Nachhaltigkeitsgedanken, doch die Bemühungen um eine umweltfreundlichere Produktion wirken – gerade angesichts der Anhäufung von Elektroschrott – gelinde gesagt wie eine Meldung zum 1. April: Man bleibt skeptisch, ob das wirklich ernst gemeint ist. Plastikfreie Verpackungen, erweiterter Software-Support und der Verzicht auf Netzteile im Lieferumfang sind zwar begrüßenswerte Initiativen, kratzen aber bestenfalls an der Oberfläche eines gewaltigen Problems, das gerne verdrängt wird. Vor allem, wenn man diese Bemühungen mit denen von Fairphone vergleicht, dem einzigen Akteur in der Branche, der Nachhaltigkeit nicht nur predigt, sondern längst in die Tat umsetzt.

Genauer gesagt verfolgt das niederländische Unternehmen Fairphone seit seinem Markteintritt 2013 eine klare Vision: die Schaffung eines nachhaltigen, aber auch ethisch produzierten Smartphones. Die robuste und modulare Bauweise des Fairphones zeugt von einem langfristigen Denken, das beim Rest der Branche kaum vorhanden ist. In Kombination mit einer langlebigen Softwareunterstützung wird so die Lebensdauer des Smartphones deutlich verlängert, was letztlich zu weniger Abfall führen soll. Im Zentrum der Mission stehen aber auch faire Arbeitsbedingungen. Fairphone will sicherstellen, dass alle Mitarbeiter entlang der Produktionskette – bis hin zu den Kobalt- und Goldminen im Kongo und in Uganda – fair entlohnt werden.

Das Bild zeigt ein zerlegtes Fairphone 5
Mehr als ein Schraubendreher ist nicht notwendig: Mit der Möglichkeit, einzelne Komponenten als Nutzerin oder Nutzer einfach selbst austauschen zu können, hebt sich das Fairphone ganz klar von der Konkurrenz ab.
Fairphone

Mit dem Fairphone 5 hat das Unternehmen kürzlich ein neues Kapitel in diesem Bestreben aufgeschlagen. Dass das Smartphone in Sachen Nachhaltigkeit nach wie vor Klassenbester in der Branche ist, steht eigentlich außer Frage. Bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von knapp 700 Euro stellt sich für viele eher die Frage, inwieweit man für diesen Umweltbonus noch Kompromisse bei Ausstattung und Leistung eingehen muss. Schließlich waren die Fairphones bisher auch dafür bekannt, in diesen Bereichen nicht mit dem Mainstream mithalten zu können. Der STANDARD hat sich das neue Smartphone angesehen.

Schönes Display, klobiges Design

So viel vorweg: Das hehre Ziel der Nachhaltigkeit ist nach wie vor mit Kompromissen verbunden. Glücklicherweise bleibt der Hauptkontaktpunkt mit dem Gerät, das Display, diesmal davon unberührt: Das AMOLED-Panel mit einer Diagonale von 6,46 Zoll bietet mit einer Auflösung von 2.700 x 1.224 Bildpunkten und einer Bildwiederholrate von 90 Hertz ein gestochen scharfes und klares Bild. Das Ansprechverhalten ist präzise, die Farben kräftig und die Helligkeit ausreichend, um auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch eine gute Ablesbarkeit zu gewährleisten. Rund um das Display beginnt der Kompromiss: Der Rahmen um den Bildschirm des Fairphone 5 verläuft nicht gleichmäßig und ist deutlich breiter, als man es heutzutage von gängigen Smartphone-Modellen gewohnt ist.

Fairphone 5
"Change is in your hands": Die Aufschrift auf dem Akku deutet an, wofür das Fairphone 5 stehen will.
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Von der Norm, wenn man so will, weicht das Fairphone 5 in seiner Bauweise generell ab. Auch wenn es mit einem Gewicht von 212 Gramm nicht negativ auffällt und gut in der Hand liegt, muss man für die Modularität des Smartphones verständlicherweise in Kauf nehmen, dass es fast einen Zentimeter dick und nur IP55-zertifiziert ist. Telefonieren im Regen ist also kein Problem, aber wenn das Telefon komplett unter Wasser getaucht wird, kann es gut sein, dass man besagte Modularität wegen eines Tauschs kaputter Komponenten überprüfen "darf".

Fairphone 5
Dicker Brummer zum Zerlegen: Über einen Spalt an der Längsseite des Smartphones lässt sich die Rückseite des Fairphone 5 freilegen. Danach können einzelne Komponenten ausgetauscht werden.
DER STANDARD/Brandtner

Das Telefon ist in Blau, Schwarz oder, wie beim Testgerät, mit einer transparenten Rückseite erhältlich, die den Blick auf die austauschbaren internen Komponenten freigibt – inklusive eines Akkus mit der inspirierenden Botschaft "Change is in your hands". Das Einlegen der SIM-Karte dürfte für ältere Semester einen "Oldschool"-Moment bereithalten: Um an diesen Slot und auch an den für MicroSD-Karten zu gelangen, muss nach dem Entfernen der rückseitigen Abdeckung der Akku herausgenommen werden.

Auf der rechten Längsseite befinden sich die Lautstärketasten und ein länglicher Einschaltknopf, der gleichzeitig als Fingerabdrucksensor dient. Etwas verwunderlich ist das Fehlen eines Klinkensteckers am Fairphone 5, wo doch kabelgebundene Kopfhörer am ehesten zu einem nachhaltigen Image passen würden – im Gegensatz zu Bluetooth-Pendants, die auf meist festverbaute Akkus angewiesen sind. Hier muss man sich gegebenenfalls – wie bei den meisten anderen Geräten mittlerweile auch – mit einem USB-C-Adapter behelfen.

Stabile Mittelklasse

Eine auf den ersten Blick seltsame oder zumindest ungewöhnliche Strategie verfolgt Fairphone auch bei der Wahl des Herzstücks, das das Fairphone 5 antreibt. Zum Einsatz kommt der QCM6490-Chipsatz von Qualcomm, der normalerweise nicht in Smartphones vorzufinden ist. Der Griff zu einem der Snapdragon-Modelle, die üblicherweise in Android-Handys verbaut werden, wurde hier vermieden.

Das hat einen guten Grund: Qualcomm verspricht für diese Kategorie einen längeren Support als für seine “Consumer"-Chips. Während die Treiber-Updates für die Snapdragon-Reihe nach drei Jahren enden, ist der QCM6490 für fünf Jahre abgesichert, danach übernimmt Fairphone für weitere drei Jahre die Verantwortung. Nur so kann das Nachhaltigkeitsversprechen auch auf dieser Ebene eingelöst werden.

Fairphone 5
Die Leistung des Fairphone 5 ist für den Alltag in Ordnung, löst aber keine Begeisterungsstürme aus. Gamer machen um das Fairphone 5 einen weiten Bogen, das würden sie aber auch tun, ohne diese Werte gesehen zu haben.
Screenshots

Mit einer Qualcomm Adreno 643 Grafikeinheit und 8 GB Arbeitsspeicher an seiner Seite zeigt der Qualcomm QCM6490 eine durchweg solide Leistung, die den meisten Alltagsanforderungen gewachsen ist. Das System ermöglicht meist eine flüssige Bedienung, auch wenn einige Anwendungen etwas länger brauchen, um zu starten. Nach einer Stunde "Diablo Immortal" erwärmte sich der Bereich um das Kameramodul herum etwas unangenehm, und auch bei Videoaufnahmen kann sich dieses Szenario durchaus wiederholen. Für ein Mittelklassegerät fällt dieses Verhalten nicht komplett aus dem Rahmen, zum Spielen aufwendigerer Titel ist das Fairphone 5 jedoch nicht zu empfehlen.

Auch wenn der QCM6490 keine High-End-Lösung darstellt und nach den ermittelten Werten in etwa auf dem Leistungsniveau eines Snapdragon 778 liegen dürfte, zeigt er im 3D Mark Wild Life Stress Test eine bemerkenswerte Eigenschaft: Die Leistung ist nicht überragend, aber sie bleibt nach langer Belastung nahezu unverändert stabil und muss wegen möglicher Überhitzungsgefahr der Hardware nicht gedrosselt werden.

Beim Wechsel zwischen weniger anspruchsvollen Apps, der Nutzung der Kamera und dem Surfen im Internet erweist sich das Fairphone 5 immerhin als grundsolide. Wie gut sich der SoC in Kombination mit 8 GB RAM und 256 GB Festspeicher noch nach mehreren Jahren schlagen wird, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Immerhin lässt sich der Speicherplatz, wie bereits kurz erwähnt, über einen Micro-SD-Kartenslot um zwei Terabyte erweitern.

Akkulaufzeit

Hinsichtlich Akkulaufzeit setzt das Fairphone 5 keine Rekorde – bei intensiver Nutzung kann es vorkommen, dass man mit einer Akkuladung nicht über den Tag kommt und vorher schon nachladen muss. Was hier an Reserven fehlt, kann aber durch den Vorteil der Modularität ausgeglichen werden. Ein Ersatzakku ist für knapp 40 Euro im offiziellen Shop erhältlich und bei Bedarf im Handumdrehen mit dem Akku im Betrieb getauscht. Kabelloses Laden ist nicht möglich, aber mit einem 30-Watt-Adapter, der nicht im Lieferumfang enthalten ist, lässt sich der Akku in etwas mehr als einer Stunde vollständig aufladen.

Android 13 ohne Schnickschnack

Softwareseitig ist das Fairphone 5 erstaunlich nah an Googles Pixel-Serie. Zwar müssen sich die Nutzerinnen und Nutzer im Gegensatz zum Android-Musterschüler vorerst noch mit Android 13 begnügen, im Wesentlichen handelt es sich aber um eine ähnlich aufgeräumte Stock-Version. Die Standardsoftware auf dem Fairphone basiert auf Apps wie zum Beispiel Gmail, Maps und Fotos, sodass keine unnötigen App-Doppelungen auftreten. Alternativ dazu lässt sich überhaupt auch ein ganz anderes Betriebssystem installieren: /e/OS von Murena wurde für den Test aber nicht ausprobiert.

Fairphone 5
Links: Das Fairphone rechts kommt gänzlich ohne Bloatware aus (Apps, die im Screenshot von Google abweichen, sind zu Testzwecken selbst installiert). Mitte und rechts: In der Fairphone-App findet man Geräteinfos, sinnvolle Tutorials und die Möglichkeit, die Garantie des Smartphones zu verlängern.
Screenshots

Die einzige App, die Fairphone hinzufügt, ist – wenig überraschend – die "My Fairphone"-App, die dem Nutzer einen Überblick über das Gerät gibt und die Fünf-Jahres-Garantie des Unternehmens freischaltet. Fairphone verpflichtet sich übrigens, das Gerät mindestens acht Jahre lang mit Updates zu unterstützen. In diesem Zeitraum will das Unternehmen fünf Betriebssystem-Updates veröffentlichen.

Die Klangqualität beim Telefonieren ist übrigens zufriedenstellend. Die Stimme der angerufenen Person war klar und deutlich zu hören. Auf Nachfrage, wie die Sprachqualität des Anrufenden sei, kam das Feedback, dass die Stimme durchaus verständlich sei, aber nicht auf dem Niveau das man zuletzt gewohnt war (Der Autor nutzt privat ein Google Pixel 8 Pro).

Bescheidene Kamera

Auf dem Papier verspricht das Kamerasystem des Fairphone 5 ein klares Upgrade gegenüber seinem Vorgänger. Das Smartphone verfügt über drei Kameras mit einer Auflösung von jeweils 50 Megapixeln. Die Hauptkamera verfügt über eine optische und elektronische Stabilisierung, während die 50-Megapixel-Weitwinkelkamera mit Autofokus ausgestattet ist und einen Winkel von 121 Grad abdecken soll. Die dritte 50-Megapixel-Kamera, die für Selfies gedacht ist, befindet sich oben in der Mitte hinter dem Punchhole des Displays und nimmt Fotos über Pixel Binning mit einer Auflösung von 12,5 Megapixeln auf.

So weit, so gut. Bei der Kamerasoftware wird es dann schon etwas komisch, zum Beispiel wenn man zwischen Haupt- und Weitwinkelkamera wechseln will. Entweder fummelt man an einem unpräzisen Schieberegler auf dem Display herum, oder man tippt sich erst durch mehrere Zoomstufen. Direkte Schaltflächen, wie sie die Konkurrenz bietet, wären naheliegender – überhaupt lässt die Menüführung der Software zu wünschen übrig.

Fairphone 5
Das rückseitige Kameramodul ragt aus der Rückseite hervor, obwohl das Fairphone 5 nicht sonderlich dünn ausgefallen ist.
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Richtig ärgerlich ist dagegen fast schon eine Art Lotterie, der man sich beim Fotografieren mit dem Fairphone 5 aussetzt. Während zum Beispiel viele moderne Smartphones keinerlei Probleme mit der Porträtfotografie haben, kämpft das Fairphone 5 mit der exakten Bestimmung der Ränder. Nachtaufnahmen sind zwar hell, mit dem "Super Night"-Modus sogar zu hell, wirken aber oft grob und lassen feine Details absaufen. Bei der Weitwinkelkamera wiederum ist problematisch, dass sie Bilder mit starkem Rauschen produziert und dazu neigt, die Kantenschärfung zu übertreiben. Dies führt unweigerlich zu sehr unnatürlichen Bildern.

Neben einer soliden Selfie-Cam ist die Hauptkamera eigentlich noch die beste im Paket. Bei guten Lichtverhältnissen macht sie Fotos mit satten Farben und einem schönen Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten. Sobald die Lichtverhältnisse aber schwieriger werden, gelingt es auch ihr nicht immer, die Farben exakt wiederzugeben. Wer mit dem Fairphone 5 fotografieren will, muss viel Geduld und Zeit investieren – und gegebenenfalls auf eine alternative Kamera-Software wechseln. Dann können recht ordentliche Bilder entstehen. Mehr aber auch nicht.

Fazit

Fairphone ist auf seinem Weg, ein nachhaltiges und ethisch verantwortungsvolles Smartphone anzubieten, weit gekommen. Das aktuelle Gerät ist in vielerlei Hinsicht die logische Fortsetzung dieser Mission und hat erstaunliche Fortschritte gemacht, um dem Mainstream technisch auf Augenhöhe begegnen zu können. Die aktuelle Version punktet eindeutig mit einem guten Display, einem stabilen Mittelklasse-Chipsatz und einer Stock-Android-Version ohne überflüssige Apps, wobei die beiden letzteren Vorzüge auch eine besonders lange Update-Garantie beinhalten.

Wer sich für ein Fairphone entscheidet, kommt aber auch diesmal nicht um Kompromisse herum. Kann man über das etwas klobige Design inklusive der breiten Displayränder noch hinwegsehen, so dürfte die bescheidene Akkulaufzeit für den einen oder anderen ein Grund sein, ins Grübeln zu kommen. Fast schon ein Abturner ist das Kamerasystem, mit dem man zwar gute Ergebnisse erzielen kann, dafür aber viel Geduld und Zeit aufbringen – oder wenigstens gleich die Kamera-Software wechseln muss.

Wer also viel Wert auf Fotografie oder leistungsintensive Anwendungen wie Spiele legt, wird mit dem Fairphone 5 nicht glücklich. Auch Schnäppchenjäger werden feststellen, dass man für eine unverbindliche Preisempfehlung von 700 Euro bei der Konkurrenz mehr und bessere Smartphone-Technik bekommt, als dieses Gerät zu bieten hat. Dennoch bleibt das Fairphone 5 ein beeindruckendes Statement für modulare Nachhaltigkeit, von dem andere Smartphone-Hersteller nur träumen können. Allein dafür kann man es lieben. (Benjamin Brandtner, 20.10.2023)

Testfotos

Fairphone 5
Tageslicht, Porträt-Modus, 2x Zoom.
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Fairphone 5
Tageslicht, Porträt-Modus.
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Fairphone 5
Tageslicht, Weitwinkel.
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Fairphone 5
Tageslicht.
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Fairphone 5
Tageslicht, 2,0x Zoom.
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Fairphone 5
Tageslicht, 5,0x Zoom.
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Fairphone 5
Tageslicht, 20,0x Zoom.
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Fairphone 5
Tageslicht, hohe Auflösung.
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Fairphone 5
Tageslicht, "Makro".
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Fairphone 5
Nachtaufnahme.
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Fairphone 5
Nachtaufnahme, "Super Nacht"-Modus.
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