Jazz
Hang zu besonderen Ideen: Komponistin Carla Bley.
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Die Ideen flogen ihr ohne Unterlass für Großbesetzungen zu; Carla Bley hatte jedoch auch Sinn für die kleine Form. Selbst im Klaviertrio, an dem zuletzt E-Bassist Steve Swallow teilnahm, Bleys nicht nur musikalischer Weggefährte, blieb ihre Handschrift erkennbar. Ein ironischer Charme durchwirkte auch ihre kleinbesetzten Stücke, sie wiesen Markanz und Esprit auf.

Die 1936 im kalifornischen Oakland als Lovella May Borg Geborene formte allerdings nicht nur verschmitzt-verschrobene Miniaturen. Sie war auch als Improvisatorin die originelle Antivirtuosin der genauen Musikgedanken. Wer auf ihr schillerndes polystilistisches Gesamtwerk zurückblickt, wundert sich allerdings, dass für Bley alles zwar logisch im New Yorker Jazzclub Birdland begann. Denn dort sah man sie zunächst in der Rolle als Zigarettenverkäuferin. Ebendort traf sie ihren ersten Mann, den stilprägenden Pianisten Paul Bley.

Sie gründete Orchester

Bley begann jedoch bald auch Stücke für Paul zu schreiben, in New York bahnte sich zudem eine impulsive Jazzphase an: In der Szene brodelte es, der freie Jazz nahm Form an, Bley wurde mitgerissen und eine gewichtige Figur der Bewegung. Mit ihrem zweiten Mann, dem österreichischen Komponisten Michael Mantler, gründete sie das historisch bedeutsame Jazz Composer’s Orchestra. Rund um das Klangkollektiv baute man auch eine Infrastruktur auf, um ökonomisch unabhängiger agieren zu können.

Bei Aufnahmen aus den späten 1960er-Jahren sind auch Starmusiker wie Don Cherry, Pharoah Sanders, Larry Coryell und Gato Barbieri zu hören. Bley integrierte die Musiker smart, bei der bisweilen ungebundenen Musik wurde teilweise nur abstrakt grafisch notiert. Bley schrieb auch politisch engagierte Musik. Für Charlie Hadens Liberation Orchestra tönten ihre Stücke wie eine Anklage gegen Vietnamkrieg, Rassismus und Unterdrückung.

Ihr Opus magnum bleibt aber die Jazzoper Escalator Over The Hill, in der auch Rockgrößen wie der singende Bassist Jack Bruce teilnahmen. Hier zeigte sich: Bley war eine der zentralen Komponistinnen des Jazz, deren augenzwinkernder Avantgardismus die Kollegenschaft anzog, ansonsten die Großbesetzungen nie zustande gekommen wären. Carla Bley ist am Dienstag 87-jährig nahe New York gestorben. (Ljubisa Tosic,18.10.2023)