Twitter-Gründer Jack Dorsey
Twitter-Gründer Jack Dorsey hatte selbst den Startschuss für den X-Konkurrenten Bluesky gegeben.
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Mit dem Dahinsiechen von Elon Musks X, vormals bekannt als Twitter, suchen viele Menschen nach alternativen Plattformen, auf denen sie ihre Meinung kundtun können. Dabei fällt in Österreich seit Wochen immer wieder das gleiche Wort: Bluesky. Der Begriff klettert sogar immer wieder die X-Trends hoch. Bei Bluesky handelt es sich um ein weiteres Social Network – hinter dem im Übrigen unter anderen Twitter-Gründer Jack Dorsey steckt. Beitreten kann aktuell nur, wer eine Einladung bekommen hat. Das gaukelt den Himmelsjüngern eine gewisse Exklusivität vor, ähnlich wie es damals bei der App Clubhouse war, nach der heute kein Hahn mehr kräht.

Vor knapp drei Wochen bin ich Bluesky selbst aus beruflichen Gründen beigetreten: um der STANDARD-Leserschaft zu erklären, wie Bluesky funktioniert und wie man es nutzen kann. Seitdem habe ich immer wieder kurz hineingeschnuppert, war dann aber auch recht bald wieder weg. Und das hat mehrere Gründe.

Andere sind technisch einfach besser

Das eine sind die technischen Features beziehungsweise die Funktionalität. So sehen X und Bluesky einander auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich, womit dem Newcomer eine gewisse Fantasielosigkeit unterstellt werden kann. Wer aber näher hinsieht, merkt auch, dass es Dorseys neuem Produkt im Vergleich zu Musks Plattform schlicht an Funktionen fehlt: Es können keine Direktnachrichten ausgetauscht und keine Umfragen erstellt werden. Auch das Einbetten von Bluesky-Postings via HTML-Code in andere Websites gehört bei X seit Jahren zum Standard, bei Bluesky sucht man diese Option vergeblich.

Das sind übrigens Funktionen, die es nicht nur bei X, sondern auch bei einem anderen Social Network gibt, das Ende 2022 noch als der große X-Killer gefeiert wurde: Mastodon. Hier können Direktnachrichten ausgetauscht und Umfragen erstellt werden, auch das Einbetten von Tröts – so heißen die Postings im Netzwerk mit dem Elefanten – per HTML-Frame ist möglich.

Und dann ist da noch das Thema Privatsphäre. So erweckt die Notwendigkeit eines Einladungscodes den Eindruck, dass es sich bei Bluesky um ein geschlossenes Netzwerk handle. Dem ist nicht so, wie der Entwickler Mario Zechner zuletzt – auf Mastodon – schrieb. Er selbst habe es geschafft, seine eigenen Bluesky-Postings über API-Endpunkte auszulesen, und zwar ohne jegliche Authentifizierung.

Gähnende Leere

Die technische Seite ist die eine, die soziale ist eine andere. Denn zuletzt hatte Bluesky noch nicht einmal zwei Millionen Userinnen und User. Die Angaben zu Xs Nutzerzahl gehen auseinander, zuletzt war aber von 245 Millionen täglich aktiven Usern die Rede. Und man kann sich vorstellen, wie viele der besagten knapp zwei Millionen Blueskyeranten aus Österreich stammen: Die Community ist klein und besteht zu einem guten Teil aus jener Social-Media-Bubble, die schon zuvor auf X ihre Meinung kundtat und dies teils noch immer tut.

Bekannte Namen sucht man hingegen meist vergebens, wie auch zum Beispiel das Infotainment der Wiener Linien. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer und sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz sind noch nicht im blauen Himmel. Selbst WKO-Präsident Harald Mahrer, bei Clubhouse noch gefühlt Dauergast oder Host jeder zweiten Diskussion, ist dort noch nicht in Erscheinung getreten. Ein Account von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte sich rasch als Fake heraus, mit der Verifizierung hapert es nämlich auch bei Bluesky noch ordentlich. Jener des EU-Kommissars Thierry Breton hingegen ist echt, wie er selbst bestätigt hat. Und zwar auf X.

Bis also wirklich eine Ablöse von Musks Netzwerk stattfindet, wird es noch dauern. Und dass diese Ablöse durch Bluesky stattfinden wird, darf stark angezweifelt werden. (Stefan Mey, 22.10.2023)

Update, 23.10.2023: Entgegen einer Angabe in der ersten Version dieser Kolumne hat das U4 sehr wohl einen Account auf Bluesky. Der Fehler wurde korrigiert.