Pumpkin-Spice-Bäuerinnen: Tochter Helena und Mutter Elfriede betreiben gemeinsam den Kürbishof Wunderlich in Stockerau.
Helena Lea Manhartsberger

Verbeulte Oldtimer, alte Wagenräder und eine ausrangierte Badewanne. Strohballen, die zu einer Burg verbaut wurden, Heubetten, ein altes Klavier und Fastfood, das man in einem alten Autobus bestellen kann. Zwischendrin mehrere Hundert Kürbisse. Jungfamilien spazieren durch die Anlage. In den Bollerwagen, die sie hinter sich herziehen, werden je nach Belieben Kinder oder Kürbisse transportiert. Die Gäste trinken Pumpkin Spice Latte und Kürbis Frizzante. Liebevoll eingerichtete Fotospots werden dankend angenommen. Ein alter Chevrolet, um den sich Kürbisse türmen? Bringt sicher viele Likes auf Instagram. Das Smartphone ist schnell gezückt, das Foto im Kasten.

Wir befinden uns nicht in Kalifornien, wo sogenannte Pumpkin Patches (zu Deutsch Kürbisfelder) bereits eine lange Tradition haben und die Timelines auf Social Media im Herbst voll mit Bildern davon sind – sondern auf dem Kürbishof der Familie Wunderlich in Stockerau in Niederösterreich.

Mehrere Oldtimer stehen am Gelände. Sie dienen als Schauobjekte und Fotohintergrund.
Helena Lea Manhartsberger

Eigentlich sind die Wunderlichs für ihre Erdbeeren bekannt. Ihr Hof liegt im Waldviertel, von dort aus beliefert die Familie Verkaufsstände in ganz Niederösterreich. Eine Niederlassung ihres Betriebs befindet sich in der Nähe von Stockerau. Seit einigen Jahren bauen sie dort auch Kürbisse an – und merken die steigende Nachfrage. Die Seniorchefin Elfriede bringt das landwirtschaftliche Know-how ein, Tochter Helena weiß, wie die Vermarktung der Kürbisse in Zeiten von Tiktok und Co am besten gelingt.

Alles in Orange

Die Wunderlichs haben einen Trend erkannt: Immer mehr Menschen fotografieren sich für Social Media rund um Halloween in Kürbisfeldern. Sollte Ihnen das bisher entgangen sein, dann setzen Sie sich einfach einmal ins Auto und fahren auf der A22 raus aus Wien – so wie ich es vor ein paar Tagen gemacht habe. Es ist ein Nachmittag im Oktober, die Temperaturen sind viel zu warm für die Jahreszeit. Kaum hat man Stockerau hinter sich gelassen und fährt auf der B4 Richtung Zissersdorf, erblickt man auf der linken Seite bereits die orange Kürbispyramide, die vor dem Hof aufgebaut wurde. Der Parkplatz ist überraschend voll für einen Wochentag. Viele sind zum Kürbisschauen gekommen. Im Hofladen wird reichlich eingekauft, Mitarbeiterinnen sorgen dafür, dass alles in geordneten Bahnen abläuft.

Babybauchshooting im Partnerlook – Kürbispyramide und Herbsttöne inklusive.
Helena Lea Manhartsberger

Dass hier amerikanische Folklore einfach kopiert würde, stimmt so nicht. Kürbisanbau hat auch in Österreich eine lange Tradition. Die Steiermark ist bekannt für ihr Kürbiskernöl. Bei den Ölkürbissen werden nur die Kerne geerntet, und das Fruchtfleisch bleibt als Dünger auf dem Acker zurück. Im Gegensatz dazu wird bei Speise- oder Zierkürbis der ganze Kürbis vom Feld geholt. In Niederösterreich übersteigt die Anbaufläche mittlerweile jene der Steiermark. 2023 wurden auf 18.0000 Hektar Ölkürbisse angebaut, in der Steiermark auf 8000. Dazu kommen noch 450 Hektar für Speisekürbisse.

Nachfrage nach Kürbiskernöl steigt

Das Klima in Niederösterreich eignet sich: Der Kürbis bevorzugt keine allzu schweren Böden und braucht ähnliche Voraussetzungen wie Mais oder Wein, der ja bekanntlich da wie dort gut wächst. Der Klimawandel wirkt sich eher negativ aus. Wenn es im Sommer über einen längeren Zeitraum zu heiß und trocken ist, werden die Erträge schlechter. Vor zehn Jahren war die Anbaufläche in der Steiermark noch größer als in Niederösterreich. Das hat auch mit der Verfügbarkeit der Flächen zu tun. Ölmühlen fragten die Kürbiskerne immer stärker nach, was die Ausweitung des Anbaus nach sich zog. Die Kerne fürs steirische Kürbiskernöl stammen mittlerweile häufig aus Niederösterreich. Ein steigender Anteil wird zu Knabberkernen, als Zusatz zu Riegeln oder in Gebäck verarbeitet.

Speise-, Zier- und Schnitzkürbisse kann man in Stockerau erstehen.
Helena Lea Manhartsberger

Wie weit der Hype um den Kürbis geht, zeigt auch der Umstand, dass es Wettbewerbe gibt, wo die größten Kürbisse des Landes ausgezeichnet werden. 884,5 Kilo wog der Sieger des heurigen Jahres, der vom Team des Jugendzentrums Berndorf im Bezirk Baden gezüchtet wurde. Das feierliche Abwiegen fand im September in Ernstbrunn statt. Ohne Fleiß kein Preis - zwei Stunden täglich kümmerten sich die Sieger um ihren Riesenkürbis, nach 120 Tagen war er erntereif.

Die Strohburg lockt die Kinder an. Gruselige Grimassen gehören zu Halloween dazu.
Helena Lea Manhartsberger

Familie Wunderlich in Stockerau setzt auf Speise-, Zier- und Schnitzkürbisse. Ölkürbisse baut sie derzeit nicht an und stellt deshalb auch noch kein Kürbiskernöl her. Die Betonung liegt auf noch - denn Helena und Elfriede Wunderlich sind ständig auf der Suche nach neuen Ideen. Auch mit Riesenkürbissen haben sie schon geliebäugelt. Im Winter wollen sie sich wieder zusammensetzen und gemeinsam daran tüfteln, wie sie den Kürbishof weiterentwickeln können. Dass sie sich als Mutter und Tochter bei der Ideenfindung gut ergänzen, freut die beiden. Elfriedes Mann hilft im Hintergrund bei der Umsetzung und der Arbeit auf dem Feld. Der kreative Input und die künstlerischen Arbeiten stammen aber zu hundert Prozent vom Frauenduo.

Kaffee mit Kürbisgewürz

Das ist Winterarbeit, erklären sie mir, während wir auf dem Hofgelände spazieren. Ich halte mittlerweile einen Becher mit Pumpkin Spice Latte in der Hand. Der süßliche Geschmack ist an sich nicht so ganz meines, aber der Kaffee mit Kürbisgewürz passt gerade so richtig zur Umgebung.

Einmal in die Badewanne bitte. Die Dekoobjekte erstehen die Wunderlichs auf Willhaben.
Helena Lea Manhartsberger

Immer wieder stechen mir die Fotospots ins Auge, die auf dem Hof geschickt platziert sind. Sogar Halterungen fürs Smartphone sind angebracht, damit die Selfies gelingen. Im Hintergrund sind Schilder angebracht, auf denen Schlagworte stehen, die man sonst als Hashtags unter seine Fotos setzt. So funktioniert Marketing im Internetzeitalter. Der Hof sei mittlerweile schon fast ein Selbstläufer. Werbung darüber hinaus sei nicht notwendig.

Inspiration im Ausland

Bis Allerheiligen können Besucherinnen noch vorbeikommen, danach wird die Deko bis zum nächsten Jahr abgebaut. Für die Wunderlichs geht es auf Reisen. Diesmal nach Deutschland. Mal schauen, welche Dekoideen die Kürbisbauern dort so haben. (Rosa Winkler-Hermaden, 27.10.2023)