Viele Kräne und Baumaschinen auf der Europacity in Berlin. 
Wer Immobilienprojekte entwickelt, braucht einen langen Atem und Geld - zumal in Zeiten steigender Zinsen und hoher Inflation.
Dirk Sattler via www.imago-image

Nach der Kim-Verordnung mit ihren verschärften Eigenmittelvorschriften für Immokredite und der Prüfung der Signa-Kredite durch die EZB-Bankenaufseher sorgt ein Auskunftsbegehren der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) insbesondere bei Immobilienunternehmen für Aufmerksamkeit. Die Notenbank verlangt von den seit September angeschriebenen Geschäftsführungen detaillierte Aufgliederungen ihrer Verbindlichkeiten nach Fristigkeit sowie ihrer Rückstellungen, den Anlagenspiegel und Details zu den Gesellschafterkonten (sofern vorhanden).

Das erschließt sich aus einem Schreiben an einen Immobilienentwickler in Niederösterreich, das dem STANDARD vorliegt. Im Lichte der anhaltend steigenden Immobilienpreise, mit denen eine Überbewertung von Immobilien und eine Überhitzung des österreichischen Immobilienmarkts einhergeht, sorgt die Neugier der Notenbanker für Nervosität bei Immo-Unternehmen. Wiewohl die Übermittlung der Daten freiwillig ist: Das Geschäft sei bereits schwierig genug, argwöhnen betroffene Bauträger und Immobilienentwickler, da seien weitere Restriktionen nicht hilfreich.

Die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, wie die Kim-Verordnung im Wortlaut heißt, gilt seit August 2022 und soll die systemischen Risiken bei Fremdkapitalfinanzierungen von Wohnimmobilien angesichts des Immobilienpreisbooms, der Zinswende, des fragilen wirtschaftlichen Umfelds sowie der Kreditvergabepraxis begrenzen.

Großkreditevidenz

Für Irritation sorgt nun, dass die OeNB Auskunft auch von kleineren Unternehmen begehrt, quasi diesseits der Großkreditevidenz. Denn Ausleihungen bei Banken größer als zehn Millionen Euro werden der Nationalbank ohnehin Standardmäßig gemeldet. Diesfalls von den Kreditinstituten, die speziell für diesen Zweck vom Bankgeheimnis entbunden sind und die Daten an die Bankenaufsicht der OeNB weitergeben.

Die Nationalbank hielt sich auf Anfrage des STANDARD zunächst bedeckt. Erst auf Nachfrage teilte ein Sprecher mit: "Die OeNB erhebt Jahresabschlussdaten seit vielen Jahren, und es besteht kein Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt." Es handle sich also um eine routinemäßige Erhebung für die "nur Kapitalgesellschaften aus allen nicht-finanziellen Branchen relevant" sind, also alle Unternehmen, die nicht Banken und Versicherungen sind. Da spielen Immobilienfirmen zweifellos eine nicht kleine Rolle.

Geldpolitische Geschäfte

Die OeNB frage seit vielen Jahren die Jahresabschlussdaten von Kapitalgesellschaften ab. "Das Ziel ist neben der Umsetzung geldpolitischer Geschäfte die Bereitstellung aussagekräftiger Daten, Statistiken und Analysen, um Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaftern und der allgemeinen breiten Öffentlichkeit die Basis für fundierte und evidenzbasierte Entscheidungen zu geben." Dafür genügten die Großkreditevidenzmeldungen der Banken nicht, denn sie stellen auf das Aktivgeschäft, also Kreditvergaben, ab, nicht aber auf Jahresabschlussdaten wie Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Cashflow oder Lagebericht. Angaben zum Fremdkapital, etwa zu Bankkrediten oder Anleihen, fänden sich in den im Firmenbuch hinterlegten Bilanzen lediglich in aggregierter Form, deshalb gehe man zur Quelle, wird seitens der OeNB betont.

Ausschnitt aus dem Brief der Österreichischen Nationalbank, indem sie nicht öffentlich zugängliche Unternehmensdaten einfordert.
Die Nationalbank fordert von Unternehmen Informationen, die nicht im Jahresabschluss enthalten sind, etwa Details zu Höhe und Laufzeit von Fremdfinanzierungen.
Faksimile: Lukas Friesenbichler

Was hat all das Datenauswerten mit der Finanzmarktstabilität zu tun? "Diese Daten helfen unter anderem, die Auswirkungen bzw. die Resilienz von Unternehmen einer Branche bei externen Schocks wie Corona oder den Energiepreissteigerungen abzuschätzen", erklärt die OeNB. Daraus lasse sich kurzfristiger Liquiditäts- und Finanzierungsbedarf besser abschätzen.

Banken schöpfen Spielraum nicht aus

Dass die Immobilienkreditvergabe aufgrund des erhöhten Eigenmittelbedarfs einbrach, wie Bankmanager seit Monaten beklagen, relativiert die OeNB: Vielmehr liege dies an den gestiegenen Zinssätzen, den höheren Baukosten und der Inflation, die die Lebenshaltungskosten in die Höhe treibe. Die heimischen Banken nützten die Ausnahmen im Rahmen der Kim-Verordnung gar nicht zur Gänze aus.

Mittelfristig könne sich die Leistbarkeit von Wohnraum wieder erhöhen – sofern die Überbewertung der Immobilienpreise weiter zurückgeht und die Realeinkommensverluste der Haushalte kompensiert werden. Im Übrigen bewege sich die Neukreditvergabe in Österreich im Einklang mit anderen Ländern. (Luise Ungerboeck, 29.10.2023)