"Bild" veröffentlichte am Wochenende ein "Manifest" mit 50 Punkten.
Screenshot bild.de

Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte am Wochenende ein 50-Punkte-Programm für gesellschaftliches Zusammenleben. Für das sogenannte Manifest erntet das Boulevardmedium seither Spott und Häme. Schließlich zeigte sich ausgerechnet "Bild" in seiner langjährigen Geschichte nicht gerade zimperlich, wenn es um die Unterschreitung ethischer Grundsätze im Journalismus ging.

Mit dem Titel "Deutschland, wir haben ein Problem!", leitet bild.de das "Manifest" ein. Es folgen 50 Punkte, die eine Wertedebatte anstoßen sollen: "Die vergangenen­ ­Tage offenbaren, was in unserer Gesellschaft schon lange­ gärt und brodelt: In unserem Land gibt es viele Menschen­, die unsere Art zu leben bekämpfen­. Menschen, die den Mord an unschuldigen Zivilisten feiern­. Die ihren Kindern­ ­beibringen, andere zu hassen, weil sie '­Ungläubige' sind. Die verbieten ­wollen, dass ­Frauen Röcke oder Hosen tragen. Die das Grundgesetz verachten und ­stattdessen auf radikale Prediger hören. Die Toleranz ausnutzen, weil sie eine andere Gesellschaft wollen. Das dürfen wir nicht hinnehmen. So kann es nicht weitergehen", liest man auf bild.de.

"Bild" werde eigenen Ansprüchen nicht gerecht

Das hehre Ansinnen halten Kritiker für wenig glaubwürdig. Gleich sieben Punkte aus dem "Bild-Manifest", bei denen die "Bild"-Zeitung selbst durchfällt, listet die Satireplattform "Der Postillon" auf. Anlass für Spott gibt bereits Punkt eins des Manifests: "Für jeden, der in Deutschland lebt, gilt Artikel 1 des Grundgesetzes: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar!'" – es sei denn, kommentiert "Der Postillon", "Bild" bekäme eine "echt spektakuläre Story". "Respekt und Nächstenliebe tragen unsere freie Gesellschaft" ist Punkt sieben des Manifests. Dass dem Boulevardblatt in der Vergangenheit beides nicht immer wichtig erschien, gilt als legendär. Anhand der sieben konkreten Beispiele werde klar, "dass die 'Bild'-Redaktion den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird", kommentiert bildblog.de.

Es folgen weitere Punkte, die an Respekt, Integration und Toleranz appellieren. Punkt drei etwa: "Wer unsere Verfassung und unsere Rechtsordnung für eine Ansammlung unverbindlicher Ratschläge hält, sollte Deutschland möglichst schnell verlassen." Die weiteren Regeln sind sehr unterschiedlich, Regel Nummer sechs etwa: "Wir vermummen oder verhüllen uns nicht, wir schauen uns ins Gesicht (es sei denn, es ist Karneval oder Corona)." Etliche Punkte sind mit Augenzwinkern im Hinblick auf westliche Werte formuliert: "Für uns gibt es keine Ungläubigen! Jeder kann glauben, an was er will – gern auch an den Weihnachtsmann."

"Freiheit geht auch durch den Magen"

Manche haben selbst schon wieder unfreiwilligen Satirecharakter: "Punkt zwölf: Viele Deutsche essen Schweinefleisch. Es gibt bei uns übrigens fast zehn Millionen Vegetarier oder ­Veganer. Freiheit geht auch durch den Magen." Oder: "Punkt 33: Deutschland ist ein Land der Griller. Nach einem Picknick im Park nehmen wir unseren Müll wieder mit." Punkt 50 schließlich: "Wir lieben das Leben und nicht den Tod."

Kritiker halten das Manifest für heuchlerisch. Es würde Vorurteile schüren. Die von manchen für längst fällig erklärte Debatte über eine "Leitkultur" "Bild" legt Debattenbeiträge, Kolumnen, Leserbriefe und Kommentare nach und hält so die Diskussion aufrecht. (prie, 31.10.2023)