Zum Skifahren kommen die Dänen und Däninnen gerne auch nach Österreich. Wer die Bretteln lieber gleich in Dänemark, wo es selten schneit, anschnallen will, hat aber auch dort Gelegenheit. Mitten in der Hauptstadt. In Kopenhagen ziert die als besonders energieeffizient gepriesene Müllverbrennungsanlage eine Grasskipiste. Auf die Bretteln, fertig, los – klingt gut, aber der Andrang an diesem Tag Mitte September ist überschaubar.

Vielmehr steigen die zahlreichen Besucher der Anlage in den Lift, um ganz oben den weitläufigen Ausblick über den Øresund, die Meerenge Richtung Schweden, zu genießen. Copenhill ist beim Besuch der Delegation aus Österreich in Kopenhagen, den Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler mit einem Tross Tourismusverantwortlicher im September absolvierte, nur eine Randnotiz.

Menschen fahren mit einem Tretboot im Schwanendesign auf einem Gewässer in Kopenhagen.
In Kopenhagen wird viel Werbung gemacht für nachhaltige Projekte. Es gibt einige davon. Ganz abgesehen vom Umstand, dass hier in der Hauptstadt viel mit dem Fahrrad gefahren wird.
APA/AFP/SERGEI GAPON

Die Delegation wollte erkunden, was dänische Tourismusbetriebe den österreichischen in Sachen Nachhaltigkeit voraushaben. Immerhin gilt Dänemark als grünes Vorzeigeland. Im jüngsten World Competitiveness Ranking der IMD Business School ist das Land die Nummer eins bei der grünen und digitalen Transformation. Österreich liegt auf dem 24. Platz. 70 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 im Vergleich zu 1990, klimaneutral bis 2050 – es sind ambitionierte Ziele, die sich Dänemark gesteckt hat. Österreich steht ihnen wenig nach – klimaneutral will man bis 2040 sein. Bis 2030 will die Republik 48 Prozent an Emissionen einsparen. Dass das gelingen wird, daran gibt es Zweifel. Auch Dänemark dürfte seine Ziele verfehlen. Allerdings liegt es bei den CO2-Emissionen pro Kopf mit 4,4 Tonnen pro Jahr deutlich vor Österreich mit 7,3. Ein Vergleich zweier so unterschiedlicher Länder hat begrenzte Aussagekraft. Dennoch kann sich Österreich einiges von den Dänen abschauen.

Föderalismus bremst

"Evidenzbasierte Politik" fällt der Ökonomin und Leiterin des Kompetenzzentrums Sustainability Transformation and Responsibility an der WU Wien, Sigrid Stagl, ein. Hierzulande konnte man sich bislang nicht auf ein zeitgemäßes Klimaschutzgesetz einigen, in Dänemark wurde 2021 eine parteiübergreifende Vereinbarung mit Schritten auf dem Weg zum Ziel festgelegt. Auch der Föderalismus hierzulande habe in Sachen Klimapolitik seine Nachteile, sagt der Wirtschaftsforscher Karl Aiginger. Im Norden würde aus dem Thema weniger politisches Kleingeld geschlagen.

Lise Holmegaard Larsen von der Agentur State of Green bestätigt diese Sicht: "Die Politik ist sich über Parteigrenzen hinweg weitgehend einig, dass Klimaschutz oberste Priorität hat." Holmegaard Larsen empfängt im House of Green mitten in Kopenhagen. Am Sitz des dänischen Pendants der Industriellenvereinigung gegenüber dem Rathausplatz zeigt die Industrie, was sie in Sachen grüne Technologien kann, Windkraft gehört dazu. Mit Vestas hat man mittlerweile einen Weltmarktführer vor Ort.

Was man im House of Green aber auch in Kopenhagen insgesamt lernen kann: Dänemark könnte ein Lehrbeispiel dafür sein, dass man aus der grünen Wende ein Gewinnerthema machen kann. Grünes Business ist gutes Business, diese Erkenntnis scheint sich hier durchgesetzt zu haben. Wo man auch hinkommt, werden grüne Projekte beworben – im Großen wie im Kleinen. Ein Cityguide führt zu nachhaltigen Restaurants, Ausflugszielen, Hotels, lädt zu Stadterkundungen mit grünen Elektrobooten oder Fahrrädern. Holmegaard Larsen sieht jede Menge Chancen und neue Jobs, die in der Klimawende entstehen. State of Green fungiert als Verbindungsglied zwischen öffentlicher Verwaltung, Industrie und Wissenschaft.

Früher Start

Die grüne Wende, sie scheint in Dänemark reibungsfreier als in vielen anderen Ländern zu verlaufen. Wie kam es dazu? Holmegaard Larsen lässt mit Folien im House of Green die Vergangenheit Revue passieren. Der Wandel begann mit der Ölkrise in den 1970er-Jahren. Während man hierzulande den autofreien Tag einführte und auf Besserung hoffte, hieß es im Norden, wo man stark von Öl abhängig war: Weg von fossilen Brennstoffen. Strategisch und durch bewusste Gestaltung des Energiesystems.

Die jahrzehntelange Entwicklung hat Dänemark zu einem Vorreiter bei Windkraft gemacht. Das Land hat seit den 1990er-Jahren stark in den Ausbau investiert, auch als die Technologie noch weit weniger effizient war als heute. Heute ist das Land beim Anteil erneuerbarer Energie am Gesamtenergieverbrauch etwa gleichauf mit Österreich, wo der Anteil von Wasserkraft traditionell hoch ist.

Ein Windpark im Meer nahe Nysted. 
Die Windbranche hat es derzeit nicht leicht. Das trifft auch dänische Anbieter. Das Land hat früh auf Windkraft gesetzt und dafür auch gute Voraussetzungen.
REUTERS/TOM LITTLE

Die weltweit erste Offshore-Windfarm gab es 1990 in Dänemark auf der Insel Lolland. Mit "Njordø", der "Nordinsel", soll nun vor der Küste Jütlands eine riesige künstliche Energieinsel entstehen, mit Offshoreparks und Wasserstofffabrik. Der Pensionsfonds will groß investieren. Dazu kommen große Solaranlagen, große Biogasreaktoren, Großunternehmen, die Mist und Gülle – unter anderem der riesigen Schweinemastbetriebe – sowie Lebensmittelabfälle verwerten. Dänemarks Regierung denkt groß. Unumstritten sind die Projekte aber nicht.

Nicht ohne Probleme

Auch sonst ist nicht alles Gold. Die Dekarbonisierung des Verkehrs und der Umstieg auf E-Mobilität fallen auch im Norden schwer, die Landwirtschaft gehört klimatechnisch zu den Sorgenkindern, Biogas muss auch importiert werden und ist nicht immer grün.

Einen großen Unterschied zu Österreich gebe es aber schon noch, meint die Forscherin Sigrid Stagl: Dänemark mute den Bürgern Herausforderungen zu. Ein Beispiel ist etwa die Wärmewende.

Ein junger Mann unterwegs auf der Grasskipiste auf der Müllverbrennungsanlage Copenhill in Kopenhagen.
Die Müllverbrennungsanlage Copenhill wurde von Architekt Bjarke Ingels mit einer Grasskipiste und einem Wanderweg aufgehübscht. Sieht gut aus, zum Skifahren kommen aber nicht allzu viele Gäste.
Regina Bruckner

Für Ölheizungen wurde in Neubauten 2013 das Aus verfügt, 2016 wurde es auf bestehende Gebäude ausgeweitet. Statt auf Gas, Atomkraft oder Kohle setzte man auf Energieeffizienz und Fernwärme, wo diese keine Option ist, auf Wärmepumpen. Von drei Millionen Haushalten haben im Vorjahr rund 1,8 Millionen mit Fernwärme geheizt. Spätestens 2035 sollen Haushalte ohne Gas auskommen. Ausbau grüner Fernwärme, Beratung, finanzielle Anreize, all das soll beim Umstieg helfen. Seit 1979 müssen Kommunen lokale Wärmepläne mit Blick auf Wirtschaftlichkeit erstellen – finanziert auch mit Steuern auf fossile Energien. Kommunale Fernwärmeanbieter dürfen damit keinen Gewinn machen. Die Wärmewende ist ein wichtiger Baustein in Dänemark und gilt als Erfolg.

Das skandinavische Land ging aber auch in anderen Dingen andere Wege als Österreich. Bereits 1991 wurde eine CO2-Steuer eingeführt. In Kopenhagen City dürfen Autos höchstens 40 km/h fahren. Kopenhagen will umweltschädliche Fahrzeuge bis 2030 verbannen.Weitere Bausteine auf dem Weg zum Ziel.

Versuch und Irrtum

Wer in Dänemark Betriebe besucht, hat das Gefühl, hier wird in Sachen Klimaschutz nicht nur in die Hände gespuckt – es scheint dabei auch gute Laune aufzukommen. Dabei geht es genauso wie anderswo um Geld, neues Denken, Risikobereitschaft und um Gewohnheiten, die man auf den Kopf stellen soll.

Eine Grafik zeigt die Emissionen in den OECD-Ländern.
Umweltbemühungen zeigen Früchte.
STANDARD

Claus Nielsen kann davon ein Lied singen. Er managt das Frederiksdal Sinatur Hotel, ein Konferenzhotel, das in Lyngby, nördlich von Kopenhagen, liegt – idyllisch zwischen Wald und Seen. Ein Haus wie viele andere, könnte man auf den ersten Blick meinen. Doch bei den Sinatur-Hotels, die dem dänischen Lehrerverband DLF gehören, ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Sinatur war aus der Mode gekommen, wirtschaftlich ging es bergab. Nielsen wurde gerufen, um das Ruder herumzureißen.

Und er hat das Haus neu erfunden. Es lässt sich an kleinen Dingen festmachen. Orangensaft sucht man vergeblich, nicht vereinbar mit den hauseigenen Nachhaltigkeitskriterien. Der Gast wird gefragt, ob er täglich frische Wäsche braucht. Verzichtet er, gibt es einen Gratisdrink. Nielsen hat viele große und kleine Projekte – verbunden mit Arbeit, Tüftelei und Misserfolgen. 2018 wollte er einen fleischfreien Tag einführen. "Ein Fiasko", sagt der Manager gut gelaunt. Er habe daraus gelernt: "Man muss den Menschen Alternativen bieten, verbieten ist keine gute Idee."

Nielsen scheint damit im Einklang mit der Kultur im Lande zu sein. Auch Spaß darf die grüne Wende machen. Die Skipiste auf der Müllverbrennungsanlage Copenhill darf dafür als Symbol gelten. Lise Holmegaard Larsen sagt, Dänemark sei gut darin, neue Denkansätze mit Anreizen zu fördern – jenseits politischer Ideologien. In dieser Frage würde sich Wirtschaftsforscher Karl Aiginger "mehr Dänemark" in Österreich wünschen. (Regina Bruckner, 2.11.2023)