Jessica Schwarz in der Sky-Serie
Jessica Schwarz und Marco Bocci in der Sky-Serie "Unwanted".
Sky Studios Limited/Sky Italia S.r.l./Indiana Production S.p.a./Pantaleon Films GmbH

Als es darum geht, 28 Schiffbrüchige zu retten, zögern der Kapitän und seine Stellvertreterin keine Sekunde. Als die Information kommt, die Flücht­linge weg von dem Luxuskreuzschiff zurück nach Afrika zu bringen, prallen die Meinungen aneinander. Zumal sich die Gestrandeten kaum dankbar zeigen und nicht – wie von ihnen erwartet – unsichtbar bleiben wollen. So oder so ist in kürzester Zeit an Bord der Orizzonte der Teufel los. Jessica Schwarz stellt in der Serie "Unwanted" ab 3. November auf Sky Gewissensfragen: Wie viel sind wir bereit zu geben?

STANDARD: Haben Sie selbst schon einmal eine Kreuzfahrt gemacht?

Schwarz: Nein, ich war noch nie auf einer Kreuzfahrt und im Zuge der Dreharbeiten somit auch das allererste Mal auf einem Kreuzfahrtschiff.

STANDARD: Was mögen Sie an dieser Art des Reisens nicht?

Schwarz: Ich glaube, ich bin keine Kreuzfahrerin. Der Gedanke, nicht von Bord gehen zu können, wenn man möchte, das ist nichts für mich. Aber eine Kapitänin zu spielen und einen Einblick in diesen Beruf zu bekommen, das war unglaublich spannend für mich.

STANDARD: In "Unwanted" ist das Nebeneinander von ausuferndem Luxus und bitterem Leid erdrückend. Wie haben Sie das beim Drehen erlebt?

Schwarz: Touristen, die sich einen luxuriösen Urlaub auf einem Schiff gönnen, werden mit Menschen konfrontiert, von denen sie immer nur in den Nachrichten hören und die eigentlich für sie nur als Zahlen existieren. Also Menschen, die fliehen, in Seenot geraten und denen das Schicksal droht, im Mittelmehr zu ertrinken. Das ist ein sehr schwieriges und sehr emotionales Thema. Ich bin ein großer Fan von Regisseur Oliver Hirschbiegel. Seine Herangehensweise bei der Darstellung und Umsetzung von Projekten ist beeindruckend. Bei "Unwanted" hat er zum Beispiel die geflüchteten Menschen nicht in einer extremen Opferperspektive dargestellt, sondern stark, hoffnungsvoll und auch selbstbewusst. Der Dreh war eine besondere Erfahrung für mich. Es haben so viele verschiedene Nationen zusammengearbeitet. Bei den Komparsen waren auch Geflüchtete dabei, die die Reise hinter sich gebracht haben und ihre Geschichte mit uns teilten. Ich kann auf sehr intensive und bereichernde Dreharbeiten zurückblicken.

Der luxuriöse Überfluss auf dem Schiff im Kontrast zum Schicksal der Flüchtlinge macht die gesellschaftliche Problematik besonders deutlich.
Der luxuriöse Überfluss auf dem Schiff im Kontrast zum Schicksal der Flüchtlinge macht die gesellschaftliche Problematik besonders deutlich.
Sky Studios Limited/Sky Italia S.r.l./INDIANA Production S.p.a./PANTALEON Films GmbH

STANDARD: Der Serie zugrunde liegt eine Recherche des italienischen Journalisten Fabrizio Gatti. Haben Sie Gatti persönlich getroffen?

Schwarz: Ganz konkret hat sein Buch "Bilal" die Serie inspiriert. Menschen aus seinen Erzählungen im Buch dienten als Vorlage für die Charaktere der Serie, um diese so authentisch und glaubwürdig wie möglich umzusetzen. Das Buch wurde bereits 2010 veröffentlicht. Ich habe es damals gelesen, und es hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Ein bemerkenswertes Buch. Persönlich getroffen habe ich Fabrizio Gatti nicht, jedoch bewundere ich seine Arbeit.

STANDARD: Wie haben Sie sich darüber hinaus auf die Rolle vorbereitet?

Schwarz: Ich fand es unglaublich spannend, die Drehbücher zu "Unwanted" zu lesen, und bin da mit viel Herzblut drangegangen. Ich lese grundsätzlich gerne und viel und habe mich umfangreich mit der Thematik auseinandergesetzt. Auch sah ich in meiner Rolle direkt Parallelen zu Carola Rackete, weshalb ich viel zu ihr recherchiert habe. Sie hat ja auch versucht, mit NGOs Geflüchteten zu helfen. Dabei musste sie sich gegen die ganzen Staatsgewalten durchsetzen.

STANDARD: Worin bestanden die besonderen Herausforderungen beim Drehen selbst?

Schwarz: Da in mehreren Sprachen, wie u. a. Englisch und Italienisch, gedreht wurde, habe ich mich sehr intensiv mit meinem Text befasst. Hierfür stand mir auch eine tolle Sprachcoachin sowie mein Schauspiellehrer zur Seite, denen ich sehr dankbar für ihre Unterstützung bin. Viel Pause und Freizeit gab es für mich bei den Dreharbeiten nicht, da ich auch dann meine Texte geübt habe. Ich wusste bis dahin nicht, dass es wirklich so anders ist, in einer anderen Sprache zu drehen. Das war auf jeden Fall eine große Herausforderung für mich.

STANDARD: Schiffe gelten als Drehorte als relativ schwierig – Lichtverhältnisse, Seegang, vergleichsweise enger Raum –, und man kann nur schwer raus. Wie lange waren Sie am Schiff, und wie haben Sie das erlebt?

Schwarz: Tatsächlich haben wir nur knapp vier Wochen auf einem Kreuzfahrtschiff in Rom gedreht. Regisseur Oliver Hirschbiegel hat in dieser Zeit versucht, möglichst viele Szenen zu drehen. Dabei wurden mit mir nur drei bis vier Szenen auf dem Schiff gedreht. Die restlichen Dreharbeiten fanden im Studio in Rom statt. Die Kulisse, also die Schiffskorridore, Kabinen, die Brücke etc. –alles wurde für den Dreh gebaut. Riesige LED-Wände haben die Tageszeit simuliert. Die Sets waren beeindruckend.

STANDARD: Gatti sagt, was die Europäische Union in den vergangenen Jahren gemacht habe, bestehe einzig aus Abschottung. Stimmen Sie zu?

Schwarz: Wie in der Serie zu sehen ist, haben viele Menschen Angst, dass die Folgen der Einwanderung den sozialen Frieden gefährden. Sind diese Ängste berechtigt?

STANDARD: Nach der Rettung beginnen an Bord sofort die Diskussionen: Welche Verantwortung hat der Westen? Was sind das für Menschen, die Kinder auf so eine gefährliche Reise mitnehmen? Welche Zukunft haben sie schon? Wie sehen Ihre privaten Tischgespräche zu dieser Thematik aus?

Schwarz: Wichtig ist, dass wir nicht wegschauen, menschlich bleiben und begreifen, warum die Menschen so eine gefährliche Reise antreten. Niemand verlässt sein Zuhause, weil er es verlassen möchte. Die Menschen begeben sich auf eine Reise ins Ungewisse, mit der ständigen Angst, es nicht zu schaffen, nicht zu überleben. Menschen, die diese Reise auf sich nehmen, haben keine andere Wahl. In meinen Augen sind sie mutig und stark. Sie kommen aus der Hölle, und dort können wir sie nicht wieder hinschicken. Wir sehen Zahlen, sind schockiert bei den Bildern des Unglücks in den Nachrichten, aber es gibt keine Gesichter, keine Namen zu den Zahlen, keine Geschichten. Ich wünsche mir, dass die Zuschauer, nachdem sie die Serie gesehen habe, eine neue Perspektive bekommen. Zum Beispiel den geflüchteten Menschen nicht gleich mit Vorurteilen begegnen. Dass sie in ihnen Menschen mit einer Geschichte, einem Schicksal sehen. Zudem wünsche ich mir mehr Offenheit bei diesem Thema, den offenen Dialog, und dass ein multikulturelles Leben miteinander stattfindet. Grundsätzlich sollte zudem ein langfristiger Weg gefunden werden, bei dem das Leben und die Würde des Menschen im Fokus stehen. Es ist wichtig, das Thema öffentlich zu machen, sodass es mehr Aufmerksamkeit bekommt.

STANDARD: Wie hat die Serie Ihre Einstellung zu diesem Thema verändert?

Schwarz: Mich mit dieser Thematik als Schauspielerin so intensiv auseinanderzusetzen hat mich bei derartigen Themen noch sensibler werden lassen. (Doris Priesching, 3.11.2023)