Warnhinweise, Tankstelle, Labels
In Europa werden an den meisten Tankstellen keine Hinweise angezeigt, welchen Effekt das Verbrennen von Sprit auf das Klima hat. Nur Schweden hat Labels dieser Art eingeführt.
AP

Wer in Cambridge in den USA mit dem Auto zu einer Tankstelle fährt, findet an der Zapfsäule ein gelbes Warnschild vor. "Das Verbrennen von Benzin, Diesel und Ethanol hat große Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt und trägt zum Klimawandel bei", steht dort in roten Buchstaben geschrieben. Seit Anfang 2021 hängen die Hinweise an jeder Zapfsäule der Stadt. Laut Stadtregierung sollen sie den Menschen die Verbindung zwischen dem Tanken und der Klimakrise aufzeigen und sie damit anregen, auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Ähnliche Maßnahmen hat Schweden vor ein paar Jahren ergriffen: In den Ampelfarben Grün, Orange bis Rot zeigt jede Zapfsäule die CO2-Intensität des vorhandenen Treibstoffs an und gibt Auskunft über dessen Herkunft und Inhaltsstoffe sowie den Anteil an erneuerbaren Energien.

Längst haben die Labels auch Eingang in die Lebensmittelindustrie gefunden: In vielen Ländern soll der sogenannte Nutri-Score in knalligen Ampelfarben über den Nährwert von Lebensmitteln aufklären - eine Maßnahme, die auch für Österreich diskutiert wird. Und eine repräsentative Umfrage in Großbritannien versuchte kürzlich zu ergründen, ob Warnhinweise, ähnlich wie auf Zigarettenpackungen, auch den Fleischkonsum reduzieren könnten. Was spricht für, was gegen die neuen Warnhinweise im Kampf gegen die Klimakrise?

Für: Labels als Erinnerungsstütze

"Es gibt mittlerweile eine große Bandbreite an unterschiedlichen Labels, die bei Lebensmitteln, Finanz- und Energieprodukten eingesetzt werden und die Menschen bei der Entscheidungsfindung helfen sollen", sagt Katharina Gangl, Verhaltensökonomin am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien. Dass diese Labels so oft eingesetzt werden, zeige, dass sie auch wirksam sind. Besonders im Lebensmittelbereich können Ampelsysteme, die die Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Umwelt anzeigen, Menschen zu einem anderen Kaufverhalten bewegen. "Ein überzeugter Fleischesser wird deshalb zwar nicht zu einem Vegetarier werden", sagt Gangl. "Aber für Menschen, die sich ohnehin umweltbewusster und gesünder ernähren wollen, aber die im Alltag mit der Kaufentscheidung oft überfordert sind, bieten die Hinweise eine wichtige Erinnerungsstütze."

Tatsächlich führten die Warnhinweise bei Fleischprodukten in der britischen Umfrage dazu, dass bei der hypothetischen Entscheidung danach um sieben bis zehn Prozent weniger Gerichte mit Fleisch gewählt wurden. Bei den Warnhinweisen an den Tankstellen ist der Effekt bisher noch weniger klar. Weder in Cambridge noch in Schweden werden die Auswirkungen der neuen Hinweise auf das Tankverhalten genauer untersucht. Eine Studie von 2021, bei der Publikationen zu dem Thema analysiert wurden, kam aber zu dem Ergebnis, dass die Labels dabei helfen könnten, die Öffentlichkeit für eine nachhaltige Mobilität zu sensibilisieren.

"Wir wissen aus dem Tabakbereich, dass Warnhinweise sehr hilfreich sein können", sagt Clara Mehlhose, Konsumentenforscherin an der Georg-August-Universität Göttingen. Allerdings funktionieren die Hinweise nur, wenn sie gemeinsam mit dem Text auch Bilder beinhalten. Nur dann können sie eine abschreckende Wirkung haben und eine stärkere Ablehnung hervorrufen. Beim Nutri-Score habe sich beispielsweise gezeigt, dass die Farbe Rot bewirkt, dass Menschen das Produkt eher vermeiden.

"Die Frage ist, welche Möglichkeiten die Menschen haben, auf die Warnung zu reagieren", sagt Gangl. Wer sich im Falle der Tankstellenwarnung beispielsweise bereits für ein Auto mit Verbrennungsmotor entschieden hat, kann nicht plötzlich auf ein E-Auto umsteigen. Auch öffentliche Verkehrsmittel sind nicht überall verfügbar. Wichtig sei deshalb, nicht nur Warnungen anzubringen, sondern auch positive Alternativen zu bieten.

Die Wissenschaftlerin verweist dafür auf eine Studie aus dem vergangenen Jahr: Forschende in den Niederlanden untersuchten dort, ob Menschen in einem Restaurant eher zu einem pflanzlichen Fleischersatzprodukt greifen, wenn dieses als Standard-Menü festgelegt ist. Tatsächlich stellte sich heraus, dass eine Bohnenalternative um rund 70 Prozentpunkte häufiger bestellt wurde, wenn sie als Standard-Menü festgelegt war, im Vergleich dazu, wenn das Fleischgericht das Standard-Menü war. Das bedeutet: Anstatt nur das "Fleischprodukt" mit einer Warnung zu versehen, könne eventuell ein noch größerer Effekt erzielt werden, wenn direkt eine attraktive Alternative angeboten wird, sagt Gangl.

Fleischersatz, Nudging
Durch eine automatische "Standardauswahl" könnten Fleischersatzprodukte häufiger gewählt werden.
IMAGO/Bihlmayerfotografie

Allein auf die Eigenverantwortung der Menschen zu plädieren, lässt die Wissenschafterin nicht gelten. "Jeder Mensch steht heute einer milliardenschweren Marketingindustrie gegenüber", sagt sie. Das fange schon im Supermarkt an: Dort werde einem an den verkaufsfördernden Flächen direkt an der Kassa noch das ungesunde Essen "hineingedrückt". Dabei müsste es genau umgekehrt sein, sagt Gangl: Der Weg zu Cola und Süßigkeiten müsste im Supermarkt der längere sein.

"Einfach zu sagen, die Menschen müssen mit dieser immensen Beeinflussung eigenverantwortlich umgehen, halte ich für ungerecht." Labels und Hinweise anzubringen sei letzten Endes nichts anderes, als Werbung für das Allgemeinwohl zu machen, sagt die Verhaltensökonomin. Im Vergleich zu Verboten oder einer sehr hohen Bepreisung durch eine CO2-Steuer haben Menschen bei solchen Maßnahmen nach wie vor die Wahl, zu welchem Produkt sie greifen möchten.

Wider: Greenwashing und fehlende Transparenz

Seit Jahren stehen Labels in der Kritik, Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre zu führen. "Klimalabels wie 'klimaneutral' haben nur eine Scheintransparenz. Verbraucherinnen und Verbrauchern wird vorgegaukelt, dass sie etwas für den Klimaschutz tun", sagt Andreas Winkler vom deutschen Verbraucherschutzverein Foodwatch. In Wahrheit aber seien Klima-Labels für Unternehmen und Zertifizierer vor allem ein riesiges Geschäft, von dem der Klimaschutz kaum profitiere.

Tatsächlich deckte eine Recherche mehrerer Medienunternehmen Anfang dieses Jahres fragwürdige Zertifikatvergaben des weltweit führenden Zertifizierers Verra auf. Demnach habe die Organisation jahrelang wertlose Zertifikate herausgegeben, die den Schutz bestehender Wälder versprachen, die in der Realität aber kaum Wirkung zeigten. Der Chef des Unternehmens ist in der Zwischenzeit zurückgetreten.

Mit der Green Claims Directive will die EU dieser Art von Greenwashing künftig einen Riegel vorschieben, indem bestimmte Begriffe verboten werden und andere durch tatsächliche Leistungen belegt werden müssen. Bis die Richtlinien bei den Nationalstaaten ankommen, könnte es aber noch ein paar Jahre dauern.

"Im Vergleich zu Labels wie 'klimaneutral' oder 'CO2-neutral' können Warnhinweise durchaus einen positiven Effekt haben", sagt Winkler. Umstritten sind deren Anbringung und Formulierungen aber trotzdem. North Vancouver in Kanada, die als erste Stadt Warnhinweise auf Zapfsäulen angebracht hat, steht heute teilweise in der Kritik, zu sehr auf die Wünsche der Industrie eingegangen zu sein. Aktivisten der NGO Our Horizon, die an der Einführung der Warnhinweise beteiligt war, setzten sich ursprünglich für schockierende Bilder ein – ähnlich wie auf Zigarettenpackungen. Diese sollten gemeinsam mit der schriftlichen Warnung an den Zapfsäulen angebracht werden. Die Öl- und Gasunternehmen lehnten den Vorschlag wie zu erwarten ab.

Letztlich verzichtete die Stadtregierung bei den Hinweisen auf Bilder sowie auf die Bezeichnung "Warnung". Als Vorschlag, wie Emissionen reduziert werden können, verwies die Hinweistafel darauf, den Reifendruck des Autos zu prüfen und den Motor bei Stillstand nicht laufen zu lassen.

Auch der bereits in vielen Ländern eingeführte Nutri-Score halte in der Praxis nicht, was er verspricht, kritisieren einige Ernährungswissenschafterinnen und Ernährungswissenschafter sowie Unternehmen. Produkte mit viel gesättigten Fettsäuren, Salz und Zucker schneiden vergleichsweise schlecht, Lebensmittel mit viel Ballaststoffen, Proteine, Obst und Gemüse vergleichsweise gut ab. Somit können Nudeln, die kaum Fett, Zucker und Salz enthalten, mit einem grünen "A" bewertet werden, obwohl sie nicht besonders gesund sind. Nüsse erhalten wiederum eine vergleichsweise schlechte Bewertung, weil sie viel Fett enthalten, sind aber eigentlich gesund.

Nutri-Score
Länder wie Frankreich, Belgien oder die Schweiz setzen bereits auf den Nutri-Score.
APA/AFP/LOIC VENANCE

Zwar versprechen Wissenschafterinnen und Wissenschafter Verbesserungen an den bisherigen Labels, einige Experten und Verbraucherschützer können diesen dennoch wenig abgewinnen. "Warnhinweise und Labels allein werden das Problem nicht lösen", sagt Winkler. "Dass zu viel Fleisch schlecht für die Gesundheit, die Umwelt und für das Klima ist, weiß mittlerweile eigentlich jeder – und trotzdem ist der Fleischkonsum hoch."

Das entscheidende Problem sei stattdessen der Preis. "Fleisch und tierische Lebensmittel sind schlicht zu billig – die Umweltkosten bezahlen wir nicht an der Supermarktkasse", sagt Winkler. Es sei zwar keine populäre Forderung, das Schnitzel teurer zu machen, aber letzten Endes führe daran kaum ein Weg vorbei. Die Preissteigerungen könne man dann über gute Sozialpolitik für einkommensschwache Haushalte abfedern – oder als Ausgleich die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse streichen. "Vor ein paar Jahrzehnten war es auch nicht normal, dass man jeden Tag Fleisch gegessen hat. Ein Stück weit müssen wir dahin zurück." (Jakob Pallinger, 7.11.2023)