31. August 2013: Diana Nyad (64), die in Florida aufgewachsen ist, macht sich von Havanna aus quasi auf den Heimweg.
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Die Leistung von Diana Nyad war, man kann es nicht anders sagen, eine epische. Als sie am zweiten September 2013 in Key West endlich wieder Boden unter den Füßen spürte, war sie tatsächlich als erster Mensch ohne Haikäfig von Kuba nach Florida geschwommen. Nach 177 Kilometern bzw. nach 52 Stunden und 54 Minuten hatte sie die Floridastraße überquert. So heißt jene, nun ja, Meerenge zwischen dem Golf von Mexiko und dem Atlantik. Nyad, die zehn Tage zuvor ihren 64. Geburtstag gefeiert hatte, humpelte an Land, fiel ihrer Trainerin und Freundin Bonnie Stoll um den Hals und fand noch die Kraft zu sprechen.

"Ich habe drei Botschaften", sagte sie. "Erstens: Wir dürfen niemals aufgeben. Zweitens: Du bist nie zu alt, um deine Träume zu verfolgen. Und drittens: Das sieht zwar wie eine Einzelsportart aus, aber es braucht ein Team." Barack Obama, damals amtierender und twitternder US-Präsident, war begeistert. "Congratulations to Diana Nyad. Never give up your dreams."

NYAD | Starring Annette Bening and Jodie Foster | Netflix
Netflix

Das Team der Kraulerin umfasste circa vierzig Personen, unter ihnen Ärztinnen und Ärzte, Fachleute aus dem Ernährungsbereich, aber auch Taucher, die im Notfall Haie vertreiben sollten. Mit Haikäfig wäre Nyad nicht Erste, sondern Zweite gewesen, denn mit Haikäfig schwamm schon 1997 die Australierin Susie Maroney von Havanna nach Key West. Doch Haikäfige, sagen Kritiker, halten nicht nur Haie ab, sondern führen im Wasser auch zu einer gewissen Sogwirkung.

Immer mehr, immer mehr

Nyad hatte sich schon als 28-Jährige vergeblich an der Floridastraße versucht. Als Open-Water-Schwimmerin tat sie sich etwa bei Manhattan-Umrundungen hervor, zudem war sie US-weit eine der besten Squashspielerinnen. Nicht nur Squash, sondern viele Sportarten hat sie als Reporterin jahrelang auch beruflich begleitet.

Von links nach rechts am Set: Die Schauspielerin Karly Rothenberg, Regisseurin Elizabeth Chai Vasarhelyi, Annette Bening, Jodie Foster, Diana Nyad, Bonnie Stoll, Schauspieler Rhys Ifans, Regisseur Jimmy Chin.
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Andere bekommen mit 40 oder 50 einen Rappel, Diana Nyad bekam ihren mit 60. Später sagte sie, ihr sei in ihrem Leben das Spezielle abgegangen, das Ungewöhnliche, die Herausforderung. Sie begann wieder zu schwimmen, zunächst im Pool. Wenige Längen wurden viele Längen, eine Stunde wurde viele Stunden, das Becken wurde das Meer. Und das alte Ziel, die Floridastraße, stand wieder auf.

Am 7. August 2011, 33 Jahre nach ihrem ersten Versuch, sprang Nyad in Havanna ins Meer. Nach 29 Stunden im Wasser war Schluss, Wind und Strömung hatten sie vom Kurs abgebracht. Wenige Wochen später, Ende September, wollte sie es wieder wissen, da war erst nach 41 Stunden Schluss, weil Nyad nach mehreren Würfelquallenstichen Atemprobleme bekommen hatte.

Immer Meer, immer Meer

Quallenstiche und hohe Wellen beendeten im August 2012 auch den vierten Anlauf. Der fünfte sollte ihr letzter sein, versprach Nyad ihrem Team und sich selbst. Am 31. August 2013 ging’s los. Zum Schutz vor den Quallen trug Nyad über weite Strecken einen Spezialanzug und eine maßgefertigte Maske. In der zweiten Nacht war sie kurz davor, aufzugeben, doch als Stoll sie auf Lichter am Horizont aufmerksam machte, auf die Lichter von Key West, gab es kein Zurück mehr.

Diana Nyad Historic Swim from Cuba to Florida: 'The Journey Was Thrilling'
ABC News

Flott gab es eine TV-Doku. Mag sein, ihr Titel The Other Shore spielt darauf an, dass Nyad offen lesbisch lebt. Mit dem Schwimmen hat sie 2013 abgeschlossen, dennoch krault sie nun auch durchs Wohnzimmer. Im sehenswerten Netflix-Film Nyad spielt Annette Bening die Hauptrolle, Stoll wird von Jodie Foster verkörpert. Den genialen Navigator John Bartlett, der schon im Dezember 2013 einem Herzversagen erlag, gibt Rhys Ifans.

Der am 3. November veröffentlichte Film hat nicht zuletzt die Diskussion darüber neu entfacht, ob Nyads Leistung als Rekord gelten sollte. Es wird bezweifelt, dass sie sich an alle Gebote der Wowsa (World Open Water Swimming Association) hielt. Vor allem wird die Unabhängigkeit der von Nyad ausgewählten Observer hinterfragt, die sie begleiteten. Kritikern fiel auf, dass Nyads Speed auffällig schwankte. Und für Puristen wäre es ein No-Go, sollten ihr Crewmitglieder beim An- und Ausziehen des Anzugs geholfen und sie dabei berührt haben. Die Wowsa hat Nyads Tat jedenfalls nicht als "unassisted" ratifiziert, das Guinness-Buch strich ihren Rekord.

Diana Nyad, nun 74, gehen die Diskussionen längst sonst wo vorbei. Für sie und nicht nur für sie hat ihre Leistung in der Floridastraße bleibenden Wert. (Fritz Neumann, 8.11.2023)