Die europäische Flagge vor dem EU-Parlament im Straßburg.
Derzeit durchläuft der Vorschlag der EU-Kommission das europäische Gesetzgebungsverfahren.
AP/Jean-Francois Badias

Im Gastbeitrag erklären die Juristen Florian Klimscha und Jasmin Julia Denk, worum es in der Insolvenzrichtlinie der EU geht.

Im Dezember 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts (Insolvency III) veröffentlicht. Die Bestrebungen, national fragmentierte Insolvenzvorschriften zu harmonisieren, sind nicht neu. Der insolvenzrechtliche Flickenteppich wird als Hemmnis für die Kapitalverkehrsfreiheit und ein weitgehend harmonisiertes Insolvenzrecht als Voraussetzung für die Kapitalmarktunion gesehen.

So wurde zuletzt die EU-Restrukturierungsrichtline verabschiedet. In Österreich wurde diese durch die Restrukturierungsordnung umgesetzt, die im Juli 2021 in Kraft getreten ist und – mit Ausnahme eines jüngst entschiedenen Falles – noch ihren Weg in die Praxis sucht. Insolvency III unternimmt nun den Versuch, für Investoren und Gläubiger derzeit bestehende Rechtsunsicherheiten durch unterschiedlich wirkende Insolvenzregime zu reduzieren. Der Fokus ist, die Einbringlichkeit von Insolvenzforderungen zu verbessern, Insolvenzverfahren zu verkürzen und die gerechte Verteilung des Massevermögens sicherzustellen.

Anfechtung der Insolvenz

Während sämtliche Insolvenzregime in den Mitgliedstaaten Anfechtungsvorschriften kennen, unterscheiden sich diese erheblich voneinander. Dies betrifft nicht nur die Frage, welche Rechtshandlungen überhaupt anfechtbar sind, sondern auch die Voraussetzungen für die Anfechtung einschließlich relevanter Fristen. Diskrepanzen verringern die Vorhersehbarkeit und schaffen Rechtsunsicherheit.

Insolvency III sieht nun eine Harmonisierung durch die Einführung von drei Anfechtungstatbeständen vor: Anfechtung wegen Gläubigerbevorzugung, Schenkungsanfechtung und Vorsatzanfechtung einschließlich harmonisierter Mindestfristen von drei Monaten bis zu vier Jahren. Das geltende österreichische Anfechtungsrecht ist weitgehend strenger als die Vorschläge unter Insolvency III. Die Beibehaltung strengerer nationaler Regelungen wäre unter Insolvency III zulässig; Unterschiede würden damit bestehen bleiben.

Asset Tracing

Insolvenzverwalter stehen vor allem in grenzüberschreitenden Sachverhalten vor der Herausforderung, zur Masse gehörendes Vermögen (Konten, Immobilien, Beteiligungen etc.) aufzuspüren. Zwar räumt die bestehende Europäische Insolvenzverordnung einem Insolvenzverwalter im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates im Grundsatz die Befugnisse ein, die ihm nach dem Recht des Staates zustehen, in dem das Verfahren eröffnet wurde. In der Praxis mangelt es Verwaltern aber am Zugang zu relevanten Informationen.

Insolvency III soll hier eingreifen und die Mitgliedstaaten verpflichten, den Verwaltern (indirekt) Zugriff auf auch nicht öffentliche Register, wie Bankkontenregister, Wirtschaftliche-Eigentümer Register oder Vermögensregister zu gewähren. Der Richtlinienentwurf hält zwar ausdrücklich fest, dass dies im Einklang mit europäischem Datenschutzrecht erfolgen soll, mit Umsetzung und Anwendung sind aber detaillierte Fragen des Datenschutzes zu erwarten.

Pflichten für Geschäftsführer

Die Pflicht der Geschäftsführer, bei Eintritt der Insolvenz einen verfahrenseinleitenden Insolvenzantrag zu stellen, ist in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt. In Österreich sind Geschäftsführer dazu verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Insolvenz zu beantragen.

Insolvency III sieht eine Antragsfrist von höchstens drei Monaten vor und verbindet diese – wie es auch im geltenden österreichischen Recht der Fall ist – mit einer zivilrechtlichen Haftung bei einem Pflichtenverstoß. Es handelt sich dabei um eine Mindestharmonisierungsvorschrift. Die Mitgliedstaaten können daher strengere Vorschriften beibehalten oder einführen. Unterschiede in den Mitgliedstaaten, insbesondere auch betreffend den Insolvenzbegriff, würden damit bestehen bleiben.

Weiters enthält Insolvency III Regelungen zu Pre-pack-Verfahren, der vereinfachten Liquidation von Kleinstunternehmen und dem Gläubigerausschuss.

Ausblick

Insolvency III durchläuft aktuell das europäische Gesetzgebungsverfahren. Anpassungen und Änderungen sind zu erwarten. Für Unternehmen, die heute mit höheren Finanzierungskosten, hoher Verschuldung, Transformationsdruck, Lieferthemen und Personalknappheit kämpfen, werden diese Änderungen noch nicht relevant sein. (Florian Klimscha, Jasmin Julia Denk, 11.11.2023)