Wildkatze in einem Baum
In Österreich gibt es nur sehr wenige Wildkatzen, lange galten sie hier als komplett ausgestorben.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wildkatzen und Hauskatzen sind optisch nur schwierig voneinander zu unterscheiden, wenn man sich nicht sehr gut auskennt. Die scheue Europäische Wildkatze (Felis silvestris), die einem in Österreich nur sehr selten über den Weg läuft, sieht größer und robuster aus. Erst seit wenigen Jahren können Fachleute die Katzen mittels Kot- und Haarproben und Gentests wieder hierzulande nachweisen, nachdem sie in Österreich jahrzehntelang als ausgestorben galten.

Wenn ihre Population gefährdet ist, fördert das besonders die mögliche Vermischung mit Hauskatzen (Felis catus), wie ein Forschungsteam in einer aktuellen Studie im Fachmagazin "Current Biology" unterstreicht. Die internationale Gruppe um den Paläontologen Laurent Frantz von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Greger Larson von der Universität Oxford fand heraus, dass Haus- und Wildkatzen etwa 2.000 Jahre lang in Europa größtenteils nebeneinander herlebten.

Paarungsmäßig mieden sie sich eher, wie die Genomanalysen zeigen. Das Forschungsteam untersuchte 48 aktuelle Proben und 258 bis zu 8.500 Jahre alte Proben aus archäologischen Stätten. Vor etwa 2.000 Jahren kam die Hauskatze, die Haustierform der afrikanischen Falbkatze, über den Nahen Osten nach Europa. Seitdem lebt sie im gleichen Verbreitungsgebiet wie die Europäische Wildkatze, mit der sie nicht so eng verwandt ist.

Das macht es Vertreterinnen und Vertretern der beiden Gruppen nicht unmöglich, sich zu paaren. Es ist auch fraglich, ob man hier von zwei verschiedenen Spezies oder Arten sprechen sollte, da diese nach der üblichen Definition keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen zeugen können. Pferde und Esel zum Beispiel können sich miteinander paaren, aber die daraus entstehenden Maultiere oder Maulesel sind normalerweise unfruchtbar.

Wilde Einzelgängerinnen

Doch wie so oft hält sich die Natur nicht an menschliche Definitionsgrenzen, und irgendwie müssen sich unterschiedliche Arten ja auch im Laufe der Zeit herausbilden oder auch vermengen. Bei den meisten modernen Hauskatzen lässt sich die Abstammung zu weniger als zehn Prozent auf Wildkatzen zurückführen, teilt das Forschungsteam mit.

"Unsere Studien zeigen, dass die Biologie der Hauskatzen so weit von der der Wildkatzen abweicht, dass sie sich normalerweise nicht kreuzen würden", sagte Frantz. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich Hauskatzen und Wildkatzen an sehr unterschiedliche ökologische Nischen angepasst haben und ein unterschiedliches Verhalten an den Tag legen: Wildkatzen sind Einzelgänger, während Hauskatzen in viel größerer Dichte leben können."

Ein ähnliches Muster zeigt sich laut Greger Larson bei Hunden und Wölfen, auch wenn Hunde eine Unterart der Wölfe sind und auf domestizierte Wölfe zurückgehen, also eine engere Verbindung haben als Haus- und Wildkatze. Ihre Verbreitungsgebiete überschneiden sich in der nördlichen Hemisphäre seit mindestens 11.000 Jahren, aber es gibt kaum Hinweise auf Kreuzungen, sagt der Genetiker.

Allerdings: Wenn Wildkatzen unter Druck geraten und ihre Population gefährdet ist, fördert das die Vermischung mit der Hauskatze. Das konnten Forschende der Universität Bristol speziell für den schottischen Wildkatzenbestand nachweisen. An dieser Studie war Frantz ebenfalls beteiligt. Die Rate der Kreuzungen könne dann rapide ansteigen. "Diese Hybridisierung ist eine Folge der modernen Bedrohungen", sagte Jo Howard-McCombe, Erstautorin der Studie. Lebensraumverlust und Verfolgung hätten die Wildkatze in Großbritannien an den Rand des Aussterbens gebracht.

Highlander-Katzen bedroht

Die schottischen Wildkatzen (Felis silvestris grampia) sind den Angaben zufolge die am stärksten bedrohte Population in ganz Europa. Das Genom der "Highlander-Katze" sei so sehr mit der DNA von Hauskatzen "überschwemmt", dass das Tier "genomisch ausgestorben" sei, schreibt das Forschungsteam. In freier Wildbahn bleibe nur noch ein "hybrider Schwarm", eine verworrene Mischung aus Wild- und Hauskatzen-DNA.

Die Fachleute sind entsprechend besorgt: "Alles, was diese Wildkatzen in Tausenden von Jahren entwickelt haben, geht in wenigen Generationen verloren", sagt Howard-McCombe. Sie hat mit ihrem Team herausgefunden, dass Wildkatzen genetisch gut ausgestattet sind, um potenziell tödliche Erkrankungen zu bekämpfen, etwa das Katzenimmunschwächevirus, das beim Menschen mit Aids vergleichbar ist. Mit solchen Krankheiten kämen Wildkatzen nur durch Hauskatzen in Kontakt, sagt die Biologin und findet: "Es ist, als würden sie dich niederstechen und dann den Krankenwagen rufen."

Für Deutschland deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Populationen wahrscheinlich noch nicht so schnell abnehmen und daher noch nicht dem gleichen Druck ausgesetzt sind. "Wir bräuchten mehr genomische Daten, um die Situation in Zukunft überwachen können und zu verhindern, dass wir mit den gleichen Problemen wie in Schottland konfrontiert werden", sagte LMU-Forscher Frantz. Auch in anderen Weltregionen bestehen vergleichbare Probleme, etwa in China, sagt Shu-Jin Luo von der Universität Peking, die nicht an den Studien beteiligt war. Ihrer Einschätzung nach stellen die Arbeiten "eine sehr gute Vorlage für die Untersuchung der Interaktionen zwischen Hauskatzen und Wildkatzen auf der ganzen Welt dar". (red, APA, 8.11.2023)