Die Ärztin K. bietet in ihrer Praxis in Niederösterreich die gängigen Impfungen an, als Kassenleistung. Wer sich gleich danach die Impfung "ausleiten" lassen will, der muss nicht weit gehen zu diesem Zweck. An der Adresse von ihrer Praxis gibt es auch ein Bioresonanzinstitut, das K. führt. 30 Minuten solle man sich Zeit nehmen für die angebliche "Ausleitung" der Impfung mittels Bioresonanz. Kosten tut das 90 Euro. Die Website des Instituts verspricht, dass man nach einer Impfung "keine oder nur ganz schwache Reaktionen spüren wird".

An dieser Stelle haben wir die Gelegenheit für zwei Interpretationen dieses Szenarios: Die Ärztin, die Impfungen auf ihrer Webseite als sinnvoll beschreibt, überzeugt mit dem Angebot einer angeblichen "Ausleitung" der Impfung den einen oder anderen Impfskeptiker, sich oder seine Kinder gegen Masern, Kinderlähmung oder Tetanus impfen zu lassen. Eine andere Interpretation: Die Ärztin macht mit Ängsten und Hoffnungen ihrer Patientinnen und Patientinnen ein Geschäft. Das Bioresonanzgerät im Institut von K. leistet therapeutisch nicht mehr und nicht weniger als ein elektrischer Eierkocher.

Kontrolllampen, rot, grün, weiß
Bioresonanzgeräte sollen durch viele Leuchten, Knöpfe und Skalen möglichst viel Authentizität ausstrahlen – auch wenn sie nicht zuverlässiger sind als Eierkocher.
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Edzard Ernst, ein emeritierter Professor, der an der Universität Exeter jahrzehntelang zu Alternativmedizin geforscht hat, sagt zu dem Fall: "Die Behauptung, dass Impfausleitung mit Bioresonanz eine wirksame Option sein kann, ist pseudomedizinischer Unsinn. Wer sie dennoch aufstellt, verstößt gegen die medizinische Ethik."

Die Bioresonanzanbieter werben mit blumigen Worten

Für das kleine Wunder der "Impfausleitung" im Institut vom K. verantwortlich ist ein Gerät des Herstellers Holosan. Das Unternehmen ist eines von unzähligen Herstellern von Bioresonanzgeräten, die viele unterschiedliche und lustige Namen haben, aber einiges auch gemein. Erstens: Irgendwo im Kleingedruckten findet man einen verschämten Hinweis darauf, dass Bioresonanz von der "westlichen Schulmedizin" leider nicht anerkannt ist und keinesfalls ärztliche Diagnosen oder Therapien ersetzt. Zweitens: Die Hersteller blenden die Patienten und Patientinnen mit schwurbelnden Euphemismen. Bei Holosan lesen wir: "Die Methode basiert auf Erkennt­nissen der modernen Quanten­physik, die ihrerseits auf jahr­tausende­altem Wissen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) aufbaut. Dazu zählt die Erkenntnis, dass jede Zelle des menschlichen Körpers elektro­magnetische Schwingungen aussendet, die Energiefelder schaffen."

Ein Humbug, der Technologie vorgaukelt

Das klingt nach ganzheitlicher Achtsamkeit sowie nach einer Kulturen und Zeiten überspannende Weisheit, ist aber schlicht Unsinn. Der Körper sendet weder Frequenzen aus, mit denen Krankheiten diagnostiziert werden können, noch haben die Frequenzen eines Bioresonanzgeräts irgendeinen therapeutischen Effekt. Ein Bioresonanzgerät stinkt in Sachen Diagnose gegen ein herkömmliches Fieberthermometer ab und in Sachen Therapie gegen einen Kamillentee. Warum so viele Menschen darauf hereinfallen? Weil die Geräte mit ihren vielen Knöpfen, Leuchten und Skalen technologische Kompetenz ausstrahlen. Aber auch weil man seiner Ärztin oder seinem Arzt vertraut und weil das Wort Bioresonanz aus dem Mund des Profis gut klingt. Die Medizinjournalistin Krista Federspiel nennt das Konzept der Bioresonanz "so verführerisch plausibel wie unsinnig".

Längst Legende ist die "Leberkässtudie" zu dem Thema. Im Jahr 2019 wurden unter wissenschaftlicher Aufsicht diverse Bioresonanzgeräte zu Diagnosezwecken an verschiedene (lebende) Probanden, eine Leiche und an einen Leberkäse angeschlossen. Das Ergebnis: Tatsächliche schwere Erkrankungen der Probanden wurden nicht erkannt, der Leiche wurde beste Gesundheit attestiert. Der Leberkäse wies, eingegeben mit dem Alter, Geschlecht, Gewicht und Größe eines Probanden, exakt die gleichen Vitalwerte wie die tatsächliche Person aus. Mit anderen Worten: Ein Bioresonanzgerät diagnostiziert Menschen (und was auch immer) völlig willkürlich und vermutlich entsprechend des Kalküls des Anwenders. Bioresonanzgeräte werden nicht nur von Ärzten und Ärztinnen angeboten, sondern auch von vielen Energetikern und Energetikerinnen. Spuckt das Gerät einen Mangel an einem bestimmten Vitalstoff aus, darf man darauf wetten, dass der "Therapeut" just etwas in seinem Bauchladen führt, das er dem Patienten oder der Patientin empfehlen und verkaufen kann.

Ärzte zeigen viel Fantasie beim Lob für Bioresonanz

Trotz des offensichtlichen Humbugs zeigen sich Ärzte und Ärztinnen angetan von der Bioresonanz. Die Wiener Zahnärztin Cora Waller-Haschak wendet laut ihrer Website Bioresonanz unter anderem an, um "Störfelder im Zahn- und Kieferbereich“ aufzufinden, für eine "bessere Wundheilung" und um "Amalgam auszuleiten".

Der Neulengbacher Arzt Josef Helm beschreibt auf seiner Website ganz konkret die von ihm eingesetzte Gerätschaft Quex Ed: "Gleichzeitig misst das System mittels Bioresonanz durch das Aussenden und Empfangen von zurückgesendeten Schwingungen (= Resonanz) die Reaktion des Organismus auf etwa 10.000 gespeicherte Substanzen. Dabei wird gleichzeitig getestet und behandelt." Diagnose und Therapie in einem Aufwasch, davon können die besten Universitätskliniken nur träumen. Die Maschine in der Praxis von Helm eröffnet offenbar neue Perspektiven der Bioresonanztherapie, denn Quex Ed arbeitet laut Helm auf gleich fünf Ebenen: "Körperlich, mental, emotional, spirituell, Umgebung."

Die Mödlinger Allgemeinmedizinerin Sabina Hauer erklärt Heilung mittels Bioresonanz auf ihrer Website eher leutselig: "Die Behandlungsschwingungen können die körpereigenen Regulationskräfte in Schwung bringen. Das schädigende oder krankmachende Agens wird invertiert und dieses invertierte Signal wieder abgegeben. Es handelt sich hierbei um einen Effekt wie bei der Schallauslöschung durch Gegenschall."

Die Erfindung eines Scientologen

Auf ihrer Website finden wir auch ein Foto und eine Würdigung des Erfinders der Bioresonanztherapie: Franz Morell. Der 1990 verstorbene Arzt war in jungen Jahren SS-Oberscharführer und später Mitglied der Scientology-Sekte. Der Sprech der Sekte rund um ihre Pseudotherapie Dianetik kommt der Terminologie rund um die Bioresonanz oftmals sehr nahe. Ein Beispiel: Die Bioresonanz nennt oft den Begriff von Allergie-Engrammen. Als Engramme bezeichnen Scientologen "geistige Eindrucksbilder", die es zu bearbeiten gilt, sollten sie geistigen Unbill verursachen.

Der Wiener Arzt Felix Badelt würdigt die Pionierarbeit Morells auf seiner Website sehr ausführlich. Er plädiert für eine Kombination von Bioresonanz und homöopathischen Verfahren: "Im Anschluss an die völlig schmerzlose, zumeist gar nicht wahrnehmbare Übertragung der Wellenmuster auf den Patienten über Hand und Fußelektroden wird die gleiche Information auf völlig neutrale Trägersubstanzen (Placebokügelchen oder physiologische Kochsalzlösung) überspielt."

Badelt wurde im Vorjahr auf der "Liste Integrative Medizin" in die Ärztekammer gewählt und wacht dort im "Referat für Komplementärmedizin" über die Interessen der Ärztinnen und Ärzte, die eins plus eins auch einmal drei sein lassen. (Christian Kreil, 16.11.2023)