Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "illustration of a friendly looking robot, presenting newspapers, looking at the camera. --ar 3:2"
Midjourney/Der Standard

Künstliche Intelligenz und Glaubwürdigkeit: Zwei Begriffe, die man von Beginn an nicht unbedingt in einen Zusammenhang bringen konnte. Und es wirkt nicht so, als würde sich daran etwas ändern. Das ist nicht nur im privaten Bereich so, wo Betrüger in Texas KI-Tools mit dem Schwiegersohntrick kombinierten, um eine Pensionistin um 17.000 Dollar zu prellen. Es muss auch nicht einmal zwingend politische Propaganda betreffen – auch wenn man liest, dass zwanzig Prozent der über Gaza diskutierenden Social-Media-Accounts fake sind und KI-Erkennungstools echte Fotos irrtümlich als Fälschungen identifizieren. Nein, auch etablierte Nachrichtenseiten werden vermehrt zu Opfern einer durch KI nur weiter beschleunigten Glaubwürdigkeitskrise.

Das zeigte diese Woche der Skandal rund um die Fotodatenbank Adobe Stock. Denn hier wurden vermeintlich Bilder zum aktuellen Krieg im Nahen Osten angeboten, die allerdings per KI generiert worden waren und somit keine realen Situationen darstellten. Dennoch wurde das Material von diversen Medien und Blogs für die Berichterstattung über den Krieg übernommen. Adobe äußerte sich dahingehend, dass die KI-Bilder als solche markiert gewesen seien: die Medien hatten die Bilder also einfach verwendet, ohne sie selber zu markieren und damit als generierte Prompts auszuweisen.

MSN.com als Fake-News-Schleuder

Das ist aber noch nichts im Vergleich zu dem, was passiert, wenn man die Berichterstattung per se in die Hände der Software legt. Ein prominentes Beispiel dafür ist Microsofts MSN.com, das auch aufgrund der Voreinstellung als Startseite im Internet Explorer eine der meistgenutzten Nachrichtenseiten der Welt ist. Waren hier vor ein paar Jahren noch über 800 Personen für die Auswahl von Nachrichten angestellt, überlässt man diese Aufgabe nun zunehmend der KI. Mit dem Ergebnis, dass man dort nun unter anderem liest, der aktuelle Anstieg an Covid-19-Infektionen sei von den amerikanischen Demokraten orchestriert worden, um bessere Chancen bei den US-Wahlen im kommenden Jahr zu haben. An anderer Stelle wurde ein gerade verstorbener NBA-Spieler in seinem Nachruf als "nutzlos" bezeichnet. Kurz gesagt: KI hat eine der erfolgreichsten Nachrichtenseiten der Welt zu einer Schleuder für Fake News und Diffamierungen werden lassen.

In Österreich gibt es übrigens auch erste Gehversuche, allerdings mit der gebotenen Vorsicht. So hieß es Anfang Oktober etwa seitens ORF-Technikdirektor Harald Kräuter, dass KI-Tools künftig die Social-Media-Posts auf Basis von vorhandenem journalistischem Material erstellen sollen. Betont wird dabei aber erstens, dass die KI keine menschlichen Jobs ersetzen, sondern "mehr Kanäle mit breiteren Inhalten bespielen" soll. Und zweitens, dass der Mensch immer das erste und letzte Wort hat. "Zentrale Vorgabe ist bei allem natürlich die strenge Einhaltung aller redaktionellen Standards", wird Kräuter in einem Artikel zitiert: "Der Mensch steht immer am Beginn und am Schluss."

(Selbst-)Regulierung

Da – wie bereits vergangene Woche an dieser Stelle geschrieben – konkrete Schritte seitens politischer Entscheidungsträger noch auf sich warten lassen, versuchen die Tech-Konzerne das Problem der Desinformation selbst an der Wurzel zu packen. So verbietet Facebook-Mutter Meta nun KI bei Wahlwerbung, um die Gefahr von Fake News einzudämmen. Open AI hat indes dafür gesorgt, dass das Wissen von ChatGPT künftig bis April 2023 reicht, womit das System nun auf aktuellere Informationen zugreift – wiewohl ein Halluzinieren nach wie vor nicht ausgeschlossen werden kann.

Google bringt indes seine KI-Suche – die "Search Generative Experience" – in etliche neue Länder, aber nicht nach Europa. Das hat man zuvor auch mit dem KI-Tool Bard so praktiziert: Zuerst wollte man diverse regulatorische und rechtliche Fragen klären, anstatt sich in die EU-Nesseln zu setzen. Und der sonst eher nicht für seine Zurückhaltung bekannte Elon Musk stellt seinen KI-Bot namens "Grok" (nicht zu verwechseln mit dem Getränk) vorerst nur einem kleinen Nutzerkreis zur Verfügung, um dessen Feedback einzubauen.

Nicht zuletzt wird KI auch kommende Woche auf dem Web Summit, der größten Start-up-Konferenz Europas, ein Thema sein. Hier wird unter anderem über die Regulierung künstlicher Intelligenz sowie die Transformation von Marketing und Werbung durch generative KI debattiert, und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales wird erklären, warum er ChatGPT nicht als Gefahr für seine Online-Enzyklopädie sieht.

Das ist Ihnen alles zu harter Stoff? Dann gibt es auch an diesem Wochenende zum Abschluss leichte Kost, falls Sie es nicht selbst schon entdeckt haben: den letzten Song der Beatles, generiert mithilfe von künstlicher Intelligenz. Es ist halt eben doch nicht alles schlecht, was neu ist. (Stefan Mey, 11.11.2023)

The Beatles - Now And Then (Official Audio)
The Beatles