Wien – Dass ein "Andreas-Hofer-Schnitzel" oder das "Gabalier-Fleischlaberl" Thema vor Gericht sein würden, das hätte sich wohl nicht einmal die Plattform "Die Tagespresse" erwartet: Am Donnerstag fand am Wiener Handelsgericht die erste Verhandlung zwischen der FPÖ Niederösterreich und dem Satiremedium statt. Wie berichtet, klagt die FPÖ Niederösterreich die "Tagespresse", da sie im April 2023 Wirtshausbriefe im Namen der FPÖ verschickte hatte, um die Wirthausprämie zu persiflieren. Die Briefe gingen an 500 niederösterreichische Gastronominnen und Gastronomen, sie waren versehen mit dem Logo der FPÖ Niederösterreich.

Niederösterreichs freiheitlicher Landesparteiobmann und LH-Stellvertreter Udo Landbauer.
Versteht bei der "Tagespresse" keinen Spaß: Niederösterreichs freiheitlicher Landesparteiobmann und LH-Stellvertreter Udo Landbauer.
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Die FPÖ Niederösterreich bewertete das Unterlassungsbegehren mit 40.000 Euro und den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung mit 7.500 Euro. Mit dem Begehren nach einer einstweiligen Verfügung ist die FPÖ bereits abgeblitzt. Die "Tagespresse" riet in ihrem Brief den Gastrobetrieben, die Namen von Gerichten wie Cordon bleu oder Palatschinke nicht zu verwenden, um in den Genuss der Wirtshausprämie zu kommen.

Video: Schwarz-Blau präsentierte Anfang Oktober Wirtshausprämie für Niederösterreich
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FPÖ-Rechtsvertreter Michael Schilchegger, er saß für die FPÖ auch im Bundesrat, argumentierte am Donnerstag bei der Verhandlung, dass der Wirthausbrief "verwirrte Gastleute" hinterlassen habe, die bis heute nicht aufgeklärt wurden, dass es sich um einen Fake-Brief der "Tagespresse" gehandelt habe.

Kein Vergleich in Sicht

Es sei lebensfremd zu glauben, dass alle Gastronomen die Aufklärung, wer der Absender des Briefs sei, mitbekommen hätten. Einige von ihnen stünden kurz vor der Pension, und: "Die schauen sich so einen Scheiß im Internet nicht an." Wer der Urheber der Aktion ist, war zwar Gegenstand breiter Medienberichterstattung, das reicht der FPÖ Niederösterreich allerdings nicht.

Der Richter bringt einen möglichen Vergleich zwischen den Parteien ins Spiel, wonach etwa die "Tagespresse" neuerlich die 500 Empfänger kontaktieren könnte, um auf den Fake-Charakter des ursprünglichen Briefs hinzuweisen. Der Text sollte mit der FPÖ Niederösterreich akkordiert sein. FPÖ-Vertreter Schilchegger verlangt aber, dass die "Tagespresse" noch einmal auf ihrer Seite darüber berichte. Mit dem Ziel, dass auch die Medienlandschaft über den Vergleich in Kenntnis gesetzt werde. Die "Tagespresse", vertreten durch die Kanzlei In der Maur & Partner Rechtsanwälte, lehnt das ab.

Für die "Tagespresse" und ihr Publikum möge das alles lustig sein, die FPÖ wolle aber verhindern, dass so eine Aktion Schule mache und Nachahmer auf den Plan rufe. Ein Veröffentlichungsbegehren sei nicht überschießend, so Schilchegger. Der Schaden belaufe sich auf mehrere Tausend Euro.

"Absurdität der Wirthausprämie"

Im Zeugenstand schildert "Tagespresse"-Gründer und -Geschäftsführer Fritz Jergitsch die Vorgehensweise. Es sei ihm und dem Team darum gegangen, die "Absurdität der Wirthausprämie zu entlarven". Es sei die Aufgabe von Satire, den politischen Diskurs kritisch zu begleiten. Die Wirthausprämie beschreibt er als "Eingriff in die Kulinarik durch die Politik." Die "Speisenkartengestaltung" nach "patriotischen Maßstäben" sollte thematisiert werden. Gerade in einem Land wie Österreich, wo kulinarische Vielfalt gelebt werde: "Das Wiener Schnitzel kommt aus Mailand, das Gulasch aus Ungarn."

Die Frage des Richters, ob es noch einmal so einen Brief geben könnte, verneint Jergitsch. Man solle einen Witz nicht zweimal machen. Aufgewärmt schmeckt nur das Gulasch. Warum gerade 500 Briefe verschickt wurden, erklärt er so: Man habe sich in etwa ausgerechnet, wie eine kritische Masse erreicht werden könne, damit die Aktion medialen Niederschlag finde. Denn: Viele würden die Post gar nicht erst aufmachen oder sie wegwerfen, wenn sie das Logo der FPÖ erblickten. Nachdem der Fake-Brief so oft in diversen Medien Thema war, könne er sich nicht vorstellen, dass es immer noch Leute gebe, die ihn wirklich mit der FPÖ als Urheber in Verbindung bringen, so Jergitsch.

Die Zeichen stehen nach der ersten Verhandlungsrunde jedenfalls nicht auf Vergleich. "Zum Schaden kommt auch noch das Gelächter", erklärt FPÖ-Rechtsvertreter Michael Schilchegger, warum es bis dato wenig Bemühungen der Partei um eine außergerichtliche Einigung gegeben habe. Vor Gericht geht es am 23. November mit weiteren Zeugen weiter. Geladen ist Andreas Spanring von der Landesgeschäftsstelle der FPÖ Niederösterreich. Er soll in Namen der FPÖ erklären, welcher Schaden der Partei entstanden ist.

Proteste gegen Klage

180 Künstlerinnen und Künstler wie Jan Böhmermann, Josef Hader, Klaas Heufer-Umlauf, Aida Loos und Ursula Strauss forderten die FPÖ Niederösterreich bereits im Mai 2023 auf, ihre Klage gegen die "Tagespresse" zurückzunehmen. "Durch das Abfeuern sämtlicher juristischer Geschütze aus allen Rohren sollen kritische Medien, Satire, Kunst und Kultur eingeschüchtert werden", heißt es in einem Protestbrief.

Erst vor wenigen Tagen schrieb – wie berichtet – Martin Glier, langjähriger Pressesprecher diverser FPÖ-Funktionäre und derzeit Sprecher der FPÖ Niederösterreich, auf X (vormals Twitter) unter einem Tweet des Kabarettisten und Kolumnisten Florian Scheuba: "2024 werden Sie nur mehr beim AMS auftreten." Scheuba schrieb zuvor: "Voll Vorfreude darf ich bekanntgeben: Morgen beginnt die neue Staffel von 'Scheuba fragt nach'. Mein erster Gast ist Daniel Kehlmann.“ (Oliver Mark, 9.11.2023)