Taylor Swift-Begeisterte nehmen ihr Fantum durchaus ernst.
Taylor Swift-Begeisterte nehmen ihr Fantum durchaus ernst.
AP/Natacha Pisarenko

Sie sind unter uns! Mit hoher Wahrscheinlichkeit hält sich gerade jetzt einer von ihnen in Ihrer unmittelbaren Nähe auf: ein Swiftie. Auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Harry Potter-Star Emma Watson oder der chilenische Präsident Gabriel Boric bezeichnen sich als Swifties, also Hardcore-Fans von US-Popstar Taylor Swift – die sich den Begriff übrigens so prompt wie geschäftstüchtig schützen ließ.

Swift ist die derzeit erfolgreichste Künstlerin der Welt, mit der Neuveröffentlichung ihres Albums "1989" schlägt sie alle Rekorde (die meisten wurden zuvor von ihr selbst aufgestellt). Und spätestens mit ihrer "Eras"-Tour durch die USA und Lateinamerika ist der Kult um die Sängerin endgültig entbrannt. In Buenos Aires etwa campten Fans seit Juni, also ganze fünf Monate, vor dem Stadion, um Plätze in der ersten Reihe zu ergattern. Betritt Swift die Bühne, werden die Swifties wortwörtlich zur Naturgewalt: In Seattle löste das begeistert springende Publikum im Juli ein Erdbeben mit Stärke 2,3 auf der Richterskala aus.

Wer sind diese Swifties, die so fröhlich eskalieren? Weit diverser, als man zunächst meinen sollte. Versuch einer Typologie.

Betritt Taylor Swift die Bühne, werden die Swifties wortwörtlich zur Naturgewalt.
Betritt Taylor Swift die Bühne, werden die Swifties wortwörtlich zur Naturgewalt.
Colage: derStandard/Friesenbichler Foto: Imago, AFP

Die Kaufkräftigen

Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" schätzte das Vermögen von Taylor Swift kürzlich auf über eine Milliarde US-Dollar. Ihren Platz unter den absoluten Spitzenverdienern im Pop-Biz verdient die Musikerin nicht mit ihren 100 Millionen monatlichen Spotify-Hörern, sondern einer perfekten Marketing-Maschinerie: Konzertkarten, Merchandise und neuerdings Kinotickets werden hochpreisig an die Fans gebracht.

Swift ist ein Business – und die Swifties sind konsumfreudig. Das zeigte sich auch in jenen US-Städten, in denen "T. S." einen Tourstop einlegte – die Federal Reserve Bank verzeichnete dort einen deutlichen Tourismus-Boost. Und ein Marktforschungsinstitut bezifferte die Verbraucherausgaben durch die Tour mit fünf Milliarden Dollar.

Neuerdings bringt Swift auch die Kassen der NFL, der National Football League, zum Klingeln. Obwohl eine offizielle Bestätigung aussteht, sorgten Gerüchte über eine Beziehung zwischen Travis Kelce, dem Tight End der Kansas Chiefs, und der Musikerin für eine spontane Begeisterung für Ballsport bei den Swifties. Noch Tage nachdem die Sängerin ein Spiel der Kansas Chiefs besucht hatte, verkaufte der Klub laut einer Ticketplattform fast dreimal mehr Eintrittskarten, Kelces Trikot wanderte um 400 Prozent häufiger über den Ladentisch. Umsatzrentabilität nennt man derlei.

Die Stans

Das Wort "Fan" leitet sich von "fanatisch" ab – trotzdem haben absolute Super-Fans in der Popkultur nochmal einen eigenen Namen: "Stans". Davon hat Taylor Swift einige. Für Schlagzeilen sorgten jene Swifties, die in Buenos Aires fünf Monate vor dem Stadion zelteten, um in der ersten Reihe stehen zu können.

Ohne sich am Ende womöglich an das Erlebnis erinnern zu können: Während der "Eras"-Tour in den USA machte das Phänomen der "post-concert amnesia" die Runde. Leidenschaftliche Fans beschrieben Gedächtnisverlust nach den Konzerten. Ein wissenschaftlich belegtes Phänomen ist das nicht, doch Psychologen bestätigen, dass sich Menschen bei hochemotionalen Ereignissen mitunter nicht an Details erinnern können – etwa den Gang zum Altar bei der eigenen Hochzeit. Oder eben an den Auftritt der größten Pop-Ikone dieser Zeit.

Fans von Taylor Swift beim Campen vor dem Stadion, in dem ihr Konzert stattfand. 
In Buenos Aires campten Fans seit Juni, also ganze fünf Monate, vor dem Stadion, um Plätze in der ersten Reihe zu ergattern.
REUTERS

Während die allermeisten Swifties sich damit begnügen, ihrem Idol zuzujubeln oder höchstens davon träumen, einmal von ihr zum Cookies-Backen eingeladen zu werden (wie sie es 2014 mit einigen Fans tat), hat die Musikerin auch immer wieder mit Stalkern zu kämpfen. In der Dokumentation "Miss Americana" erzählt sie etwa von einem Mann, der in ihre Wohnung eingedrungen sei und in ihrem Bett geschlafen habe.

Die Profis

Die Forscherinnen Eva Maria Schörgenhuber und Christina Schuster von der Universität Wien beschäftigen sich mit Celebrity- beziehungsweise Fan-Studies. Im STANDARD-Gespräch (nachzuhören im Podcast "Thema des Tages") erklären sie: Swifties sind tatsächlich nicht die homogene, junge, weibliche und weiße Gruppe, als die sie medial oft abgebildet werden. Es gebe am Ende so viele Swiftie-Typen wie Swifties.

Tatsächlich setzen sich immer mehr Swifties auf akademischem Niveau mit dem Œuvre der Künstlerin auseinander. Die US-Eliteuniversität Stanford etwa nimmt sich Swifts Textzeile "Honey, life is just a classroom" zu Herzen und bietet den Kurs "All Too Well (Ten Week Version)" an – angelehnt an die zehnminütige Version von Swifts Song "All Too Well".

Doch auch nach dem Uni-Abschluss lässt sich das Dasein als Swiftie weiter professionalisieren. Diese Woche stellte das US-Medienhaus Gannett den 35-jährigen Bryan West als ersten offiziellen und exklusiven Swift-Reporter ein. Was diesem Kritik von Journalismuskollegen wie Swifties einbrachte. Er sei als deklarierter Swiftie nicht objektiv genug, meinten Pressekollegen und -kolleginnen. Die Fans wieder meldeten Zweifel an, ob West wirklich das Zeug habe, der "Swiftie der Swifties" zu sein.

Die Girlsquad

Taylor Swifts Privatleben sorgt nicht nur in Liebesdingen verlässlich für Schlagzeilen. Ihre sogenannte Girlsquad, bestehend aus Models, Musikerinnen und Schauspielerinnen, die sich rund um die Entstehungszeit ihres Albums "1989" gründete, hat bei den Swifties Kultstatus. Swift bringt gern öffentlichkeitswirksam Prominente zusammen. Sei es bei ihren legendären Partys anlässlich des US-amerikanischen Unabhängigkeitstags am 4. Juli – oder zuletzt auf den Zusehertribünen der NFL, wo Teile der Girlsquad das Team von Swifts Vielleicht-Partner Travis Kelce anfeuerten. Frauensolidarität bewies Swift auch kürzlich, als sich "Game of Thrones"-Star Sophie Turner von Swifts Ex-Freund und Sänger Joe Jonas scheiden ließ. Während Jonas’ PR-Team die Klatschpresse angeblich mit bösen Gerüchten fütterte, um Turner zu schaden, führte Swift ihre Freundin zum Abendessen aus. Signal: I stand by you – und ihr solltet das auch.

Swifts prominenter Freundeskreis profitiert von der PR – und dankt es ihr mit zahlreichem Erscheinen bei ihren Konzerten. Und selbst die wenigen Stars, mit denen Swift öffentlichkeitswirksam aneinandergeriet, haben in der öffentlichen Wirkung final meist den Kürzeren gezogen. Das freilich wurde sofort in einen Song verwandelt: "Karma", Hymne gewonnener Fehden.

Die Spurenleser

Eigentlich hätte diese Woche "Reputation – Taylor’s Version" erscheinen sollen – die fünfte Neuaufnahme eines ihrer Studioalben. Zumindest wenn es nach den Swifties auf Tiktok geht. Die belegen ihre Theorien zu den Erscheinungsdaten mit komplexen Rechnungen, die Variablen sind frühere Alben-Release-Daten, dazu Formeln mit der Zahl 13. Mit der spielt Swift besonders gern, wie echte Swifties wissen: Die Musikerin ist am 13. Dezember geboren und an einem Freitag, dem 13., 13 Jahre alt geworden. Die 13 ist also ihre Glückszahl, die Ziffern malte sie sich bei frühen Auftritten auf die Hand.

Fans schreiben sich die Zahl 13 auf die Hand, wie Taylor Swift selbst auf Konzerten. 
Die 13 ist für Taylor Swift eine wichtige Zahl - und somit auch für ihre Fans.
REUTERS

Doch nicht nur Numerologie ist ein Steckenpferd der Swifties. Über die Jahre ist eine Vielzahl von Symbolen entstanden, mit denen Swift in Videos und Texten spielt. Die Schlange etwa steht für den Disput mit dem Rapper Kanye West, der ihr einst bei einer Award-Show das Mikro entriss. Auch ein Schal, den sie laut Lyrics nach der Trennung von Schauspieler Jake Gyllenhaal nicht zurückbekam, ist ikonisch.

Mindestens so oft, wie es den Swifties gelingt, die "Eastereggs" ihres Idols zu entschlüsseln, hauen sie freilich auch daneben – so wie bei der Neuveröffentlichung diese Woche. Das nehmen sie aber nicht übel – und nennen übermotivierte Fan-Prognosen selbstironisch "Clowning". (Antonia Rauth, 11.11.2023)