"Sollte es ein Fehlverhalten geben, muss es abgestellt werden." Gemäß dieser Aussage eines Sprechers ist der Münchener Autokonzern BMW nach eigenen Angaben um Aufklärung der Zustände in einer Kobaltmine in Marokko bemüht. Denn die vorgehaltenen Umwelt- und Arbeitsschutzverstöße wollen so gar nicht ins Bild der vermeintlich sauberen und umweltschonenden Elektromobilität passen, in der viele Autoerzeuger ihre Zukunft sehen. Denn Kobalt wird unter anderem für die Batterien dieser Fahrzeuge verwendet.

Das Logo von BMW.
BMW muss sich zu Vorwürfen rund um eine Kobaltmine in Marokko rechtfertigen.
APA/AFP/CHRISTOF STACHE

Konkret geht es um eine Kobaltmine von Bou Azzer, rund 150 Kilometer südöstlich der marokkanischen Metropole Marrakesch gelegen. Dort berichten Anwohner sowie aktuelle und ehemalige Mitarbeiter des Bergwerks laut einer Recherche der Süddeutschen Zeitung und der TV-Sender WDR und NDR von massiven Arbeitsschutzverletzungen. Demnach soll es auch zu großflächiger Umweltverschmutzung gekommen sein.

Enorme Arsenkonzentration

Bereits im Sommer seien erstmals Vorwürfe gegen die marokkanische Betreiberfirma Managem aufgekommen, räumt der BMW-Sprecher ein. Diese habe aber Dokumente zur Verfügung gestellt, welche glaubwürdig ausgesehen hätten. Auch die Umweltzertifikate des Minenbetreibers seien auf dem aktuellen Stand, fügte er an. Allein, dies passt nicht zu den Vorhaltungen der Journalisten. Ihr Verdacht: Auffangbecken rund um die Mine von Bou Azzer könnten Arsen enthalten, das bei der Lagerung und der Aufbereitung des Kobalts freigesetzt wird.

Von dort soll das giftige Halbmetall auch in die rund sieben Kilometer entfernte Oase Zaouit Sidi Blal gelangt sein, wo Wasserproben entnommen wurden. Das Ergebnis: Der Arsengehalt in den Proben aus Zaouit Sidi Blal betrug etwas mehr als 400 Mikrogramm pro Liter Wasser – das ist das 44-Fache des Grenzwerts der Weltgesundheitsorganisation WHO von bloß zehn Mikrogramm. Bei der Mine selbst lag der Wert von dort entnommenen Proben sogar bei fast 19.000 Mikrogramm.

Größter Arbeitgeber

"Ich kann mich nicht erinnern, jemals so hohe Konzentrationen in Wasserproben nachgewiesen zu haben", zitiert die Süddeutsche Zeitung Wolf von Tümpling. Er leitet am Magdeburger Helmholtz-Zentrum die Abteilung Gewässeranalytik und Chemometrie, wo die Proben ausgewertet wurden. "Die Werte sind so hoch, dass sie keinen natürlichen Ursprung haben können", betont der Experte. Oder anders ausgedrückt: Es gebe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Mine für die Arsenverunreinigung in der Umgebung verantwortlich sei.

"Wer offen über das spricht, was in der Mine vor sich geht, der verliert seinen Job", sagt der marokkanische Gewerkschafter Omar Oubouhou. Denn Managem ist einer der größten Arbeitgeber in der strukturschwachen Gegend – und er gehört dem Königshaus, weshalb sich an den Zuständen in der Mine nichts geändert habe. Dazu kommt Oubouhou zufolge: "Die Arbeiter werden nicht über die Risiken aufgeklärt." Viele Arbeitsunfälle der rund 1300 Beschäftigten würden gar nicht gemeldet, zudem habe es zwischen 2008 und 2022 sogar mindestens elf Tote gegeben.

Auch Renault bald Kunde

Das passt nicht zu dem Bild, das BMW anlässlich der Vertragsunterzeichnung mit Managem 2020 zeichnete: "Für uns beginnt eine ethisch verantwortliche Rohstoffgewinnung und -verarbeitung ganz am Anfang der Wertschöpfungskette", versicherte ein BWM-Manager damals. Bald zählt auch Renault zu den Kunden der Mine. Managem bestreitet, dass beim Kobaltabbau in Bou Azzer Arsen freigesetzt werde, was Experte Wolf von Tümpling nicht für glaubwürdig hält.

In Deutschland gilt seit Jahresanfang das Lieferkettengesetz, das Unternehmen wie BMW dazu verpflichtet, in ihren Wertschöpfungsketten Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten. Allein, bei Kobalt ist dies schwer umzusetzen. Denn der mit Abstand größte Teil der weltweit bekannten Reserven, etwa 60 Prozent, befindet sich im Kongo, wo es insbesondere in kleinen Minen zu Kinderarbeit kommen soll. (Alexander Hahn, 13.11.2023)