Beim ersten Start am 20. April 2023 hielt sich das Starship knapp vier Minuten in der Luft. Elon Musk, CEO und Technischer Chef von Space X, hatte im Vorfeld selbst nicht so recht an einen vollen Erfolg glauben wollen: Während eines (damals noch) Twitter Space Meeting wenige Tage vor dem Lift-off erklärte Musk: "Wenn wir uns weit genug von der Startrampe entfernen können, bevor etwas schiefgeht, würde ich das als Erfolg betrachten. Sprengen Sie nur nicht die Startrampe in die Luft."
Der Wunsch konnte ihm letztlich nicht erfüllt werden: Die Startrampe am Space-X-Weltraumbahnhof Starbase nahe Boca Chica in der Nähe von Brownsville, Texas, nahm bei diesem Flugexperiment sogar erheblichen Schaden – doch der ist nicht der Explosion zu verdanken. Fehleinschätzungen und bauliche Mängel haben zur teilweisen Zerstörung der Startrampe geführt.
Unfertige Startrampe
Bei einem Raketenstart werden enorme Energien hauptsächlich über die brennenden Triebwerksgase frei. Bei den Startrampen der Nasa werden diese donnernden Flammen über sogenannte "Flame Trenches" abgeleitet. In Boca Chica hatte sich Space X jedoch für eine andere Lösung entschieden: Eine große wassergekühlte Stahlplatte sollte die Gewalt der Raketentriebwerke auffangen. Doch die Platte wurde für den Start im April nicht rechtzeitig fertig, und man entschied, man wolle es ohne versuchen.

Das Ergebnis war ein acht Meter tiefer Krater, wo eine Startrampe stehen sollte. Lokale Medien berichteten, in Port Isabel, einer zehn Kilometer vom Space-X-Startplatz Boca Chica entfernten texanischen Stadt, hätten während des Starts Gebäude gewackelt, mindestens ein Fenster sei zu Bruch gegangen. Fahrzeuge wurden durch den Trümmerregen beschädigt, aber verletzt wurde glücklicherweise niemand. In einem Tweet erklärte Musk zwei Tage später: "Die Kraft der Triebwerke beim Hochfahren könnte den Beton zertrümmert haben, anstatt ihn einfach zu erodieren."
Triebwerksausfälle
Die Zerstörung der Startrampe rief auch die Federal Aviation Administration (FAA), die Luftfahrtbehörde der USA, auf den Plan. Die Behörde gab nun am 31. Oktober das Ende ihrer Starship-Sicherheitsprüfung bekannt, bei der die Risiken eines weiteren Starts für die öffentliche Gesundheit und das Eigentum bewertet werden. Ein "Okay" für einen Start ist dies freilich noch nicht, denn die Zustimmung der US-Umweltbehörde (United States Fish and Wildlife Service) ist noch ausständig.
Dabei hatte der erste Start der leistungsstärksten jemals gebauten Rakete zunächst gut ausgesehen: Das 120 Meter hohe und betankt 5.000 Tonnen schwere Superschwerlastvehikel erhob sich am 20. April um 8.33 Uhr Ortszeit (15.33 Uhr MEZ) in den Himmel. Der Missionsplan sah einen 90-Minuten-Flug vor, der das Starship von der Starbase über den Golf von Mexiko nach Osten über Asien hinwegführen sollen, bis es nach einer Dreiviertelrunde um den Erdball in der Nähe von Hawaii in den Pazifik fällt.
Doch schon innerhalb der ersten Minuten verabschiedeten sich mindestens fünf der insgesamt 33 Raptortriebwerke des Boosters. Ein kleiner Verlust wäre verschmerzbar gewesen, doch mit den schließlich weniger als 25 verbliebenen Triebwerken sank die Wahrscheinlichkeit rasch, dass man es in die angepeilte Flughöhe schafft.

Keine Trennung
Hätten die Triebwerke des Raumschiffs wie geplant funktioniert, wäre die erste Stufe nach drei Minuten Flugzeit zumindest theoretisch abgetrennt worden. Für die weitere Reise hätten die neun Triebwerke der zweiten Stufe übernommen. Doch so weit kam es gar nicht mehr, denn die beiden Stufen verweigerten eine Trennung. Die Rakete geriet ins Trudeln, wurde unkontrollierbar und explodierte schließlich.
Die Detonation selbst war keine Unfall, sondern die Konsequenz des Flugabbruchssystems FTS. Es soll im Grunde wie ein Selbstzerstörungsmechanismus eine Gefährdung von Menschen oder Gebäuden am Boden verhindern. Ob das FTS automatisch durch das außer Kontrolle geratene Taumeln ausgelöst oder manuell vom Boden aus aktiviert wurde, gab Space X zunächst nicht bekannt.
Wichtige Daten
Auf den ersten Blick ein Misserfolg, lieferte der erste Start dennoch eine große Menge an wichtigen Daten. Ein solcher "Fly-and-fail-Zugang" offenbart Schwachstellen des Systems, ehe die fertige Rakete tatsächliche Nutzlast oder eine Crew transportiert. Diese wenn auch kurzen Flüge geben den Ingenieuren die Gelegenheit, ein erneutes Versagen an den problematischen Punkten zu verhindern.
Ob die vergangenen sieben Monate dafür allerdings ausereicht haben, ist fraglich. Nichtsdestotrotz hat Space X am vergangenen Samstag via X (vormals Twitter) den zweiten Start des Starship für den 17. November vorbehaltlich in Aussicht gestellt. Man warte noch auf eine behördliche Freigabe, heißt es dort und auch von Elon Musk:
Was ist neu?
Was hat sich am Design gegenüber der ersten Rakete geändert? Vor allem hat Space X in den Stufentrennungsprozess eingegriffen: Nun zündet die Oberstufe ihre Triebwerke schon während der Trennung von der Booster-Stufe. Die Space-X-Ingenieure haben für diesen Prozess auch ein neues Entlüftungssystem entwickelt.
"Der erste Flugtest von Starship lieferte viele Erkenntnisse, die direkt in zwahlreiche Verbesserungen sowohl des Fahrzeugs als auch der Bodeninfrastruktur geflossen sind", schrieb Space X in einem Missionsüberblick. Im Mittelpunkt des Testflugs stehen demnach das neue Abtrennungssystem und ein neues elektronisches Schubvektor-Kontrollsystem (TVC) für die superschweren Raptor-Triebwerke.
Auswirkungen auf ein Naturschutzgebiet?
Was die Bodeninfrastruktur betrifft, hat Space X die Startrampe für Starts in den Orbit wiederhergestellt und dabei die Fundamente verstärkt. Außerdem ist der ursprünglich geplante wassergekühlte Schutz aus Stahl mit einem ausgeklügeltem Wasserüberflutungssystem installiert worden. Dieses Wassersprühsystem ist es, das noch auf Freigabe duch die Umweltbehörde wartet. Den Beamten geht es um die Frage möglicher Auswirkungen des Starts mit diesem System auf die Tier- und Pflanzenwelt im Boca Chica Wildlife Refuge, einem Schutzgebiet in der Nähe der Starbase-Anlage.
Ob der Start tatsächlich stattfinden wird, haben nicht nur die Umweltschutzbehörden in der Hand, es hängt zu einem wesentlichen Teil auch vom Wetter ab. Laut dem National Weather Service kündigt sich wolkenloser Sonnenschein an. (Thomas Bergmayr, 13.11.2023)