Junge Frau im Abendlicht
Resilienz soll helfen, tiefe Krisen gut zu meistern.
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Resilienz ist in Zeiten der mehrfachen Krisen ein Modewort geworden. Wir sollen sie in Trainings erlernen, durch Lektüre gezielt stärken und dank ihr in Ausnahmesituationen ausgeglichen und souverän agieren. "Psychische Widerstandskraft" nennt man sie manchmal, doch eine klare Definition gibt es nicht. Fragt man die am Mainzer Leibniz-Institut für Resilienzforschung tätige Wissenschafterin Donya Gilan danach, antwortet sie: "Resilienz ist ein dynamischer Prozess." Fragt man die Autorin Barbara Pachl-Eberhart, sagt sie: "Resilienz ist eine Haltung."

Unsere psychische Widerstandskraft soll uns helfen, Stress und Traumata zu verarbeiten, ohne an ihnen langfristigen Schaden zu nehmen. Pandemie, Krieg, Teuerung oder Arbeitsstress sind dabei kollektive Stressfaktoren. Sie fordern den Menschen als Einzelnen und prägen damit die Gesellschaft im Ganzen. Anders sieht es bei zutiefst persönlichen Schicksalsschlägen aus: einer Krankheit, einer folgenschweren Verletzung oder einem plötzlichen Verlust.

Barbara Pachl-Eberhart hat einen solchen Schicksalsschlag erlebt. "Mein Mann ist am Gründonnerstag 2008 mit unseren beiden Kindern an einem unbeschrankten Bahnübergang mit einem Zug zusammengestoßen", sagt sie. "Weil er das Rotlicht nicht gesehen hat, nehme ich an. Oder weil er abgelenkt war. Das werden wir nie erfahren."

Ihr Mann Heli verstirbt noch an der Unfallstelle. Der sechsjährige Thimo wird wiederbelebt, die zweijährige Tochter Valentina halb bei Bewusstsein geborgen und im Spital in künstlichen Tiefschlaf versetzt. Die nächsten Stunden und Tage verbringt Pachl-Eberhart an den Betten ihrer Kinder. "Ich hatte insofern Glück, als ich eine Übergangsphase von drei Tagen hatte, in der ich meine Kinder lückenlos begleiten, anfeuern und dann verabschieden konnte", sagt sie heute. Am Ostersonntag verstirbt ihre kleine Tochter, am Ostermontag lässt Pachl-Eberhart ihren Sohn gehen. Sie bleibt allein zurück. "Vier minus drei", so wird sie das Buch nennen, das sie später über ihren Verlust schreibt.

Im Kern heil bleiben

Heute, fünfzehn Jahre später, ist Pachl-Eberhart als Autorin und Schreibpädagogin tätig. Sie hält Vorträge über Trauer und Lebensmut und ist erneut Mutter einer kleinen Tochter geworden. Blickt sie zurück, sagt sie: "Das, was mich im Kern ausmacht, ist Gott sei Dank heil geblieben. Es hat sich angesichts all dieser Umstände sogar noch verstärkt, bekräftigt und ist gewachsen."

Was Pachl-Eberhart beschreibt, nennt die Forschung posttraumatisches Wachstum. Es ist ein Phänomen, das mit der Resilienz verwandt ist und sich doch von ihr unterscheidet. Resilienz bedeute, Stress aktiv bewältigen und ihn dadurch zeitlich begrenzt halten zu können, sagt Donya Gilan vom Mainzer Zentrum für Resilienzforschung. "Bei posttraumatischem Wachstum werden Menschen durch den Stressor in ihren Grundfesten so stark erschüttert, dass sie sich neu konfigurieren oder formieren müssen. Und daraus gehen sie gestärkt hervor."

Menschliche Wärme, professionelle Hilfe

Wenn Pachl-Eberhart auf die Zeit nach dem Schicksalsschlag zurückblickt, nennt sie die Wärme, mit der ihr andere Menschen begegneten, als stärkenden Faktor. "Von der Ärztin, die mir von Anfang an die Wahrheit gesagt hat, bis zu den Krankenschwestern, die meinen eigentlich schon toten Sohn, der nur an der Beatmungsmaschine hing, noch mit warmen Waschlappen gewaschen haben", sagt sie. "Das ist eine kleine Geste, die für mich damals unglaublich wichtig war."

Soziale Unterstützung trägt entscheidend dazu bei, dass man Resilienz entwickeln kann. "Es gibt natürlich Menschen, die nicht so viele soziale Kontakte haben", meint Donya Gilan, "Aber eine Bezugsperson reicht eigentlich schon aus, um jemandem in schwierigen Situationen Halt zu geben." Auch professionelle Hilfe ist eine gute Möglichkeit, die eigene Resilienz zu stärken.

Barbara Pachl-Eberhart ist damals als Clowndoktorin bei den "Roten Nasen" tätig. Aus ihrem Berufsalltag weiß sie, wie wichtig professionelle Supervision ist, denn belastende Situationen an den Krankenbetten von Kindern sind ihr vertraut. Am Tag des Unfalls hätte sie einen Einsatz auf jener Station gehabt, auf der dann ihr Sohn und ihre Tochter behandelt wurden. "Ich bin sofort in Psychotherapie gegangen, was auch meinen Freundeskreis entlastet hat", erzählt Pachl-Eberhart. "Es ist für Laien wirklich schwierig, Menschen in so einer extremen Situation gut zu begleiten."

Sprachlosigkeit und Sinn

Nach dem Tod ihrer Kinder zieht sich Pachl-Eberhart zunächst zurück. Sie schläft sehr viel. Sich an ein Leben ohne ihre Familie anzupassen sei eine körperliche Höchstleistung gewesen, sagt sie heute. Sie schreibt, um ihre Erinnerungen festzuhalten, und liest zahllose Bücher über Trauer und den Tod. "So darf man sich mich vorstellen in dieser ersten Zeit", sagt sie: "Vor allem im Bett, mit einem Haufen Bücher, versorgt von Freunden, die mir Essen vor die Tür gestellt, mir den Rasen gemäht und mich Gott sei Dank nicht gezwungen haben, zu kommunizieren." Denn in einer akuten Traumasituation fließt Blut aus dem Sprachzentrum im Gehirn ab. Pachl-Eberhart nennt das, was sie erfährt, eine große Sprachlosigkeit.

In dieser Zeit helfen ihr Bücher über Spiritualität und Nahtoderlebnisse, sich ein neues Weltbild zu schaffen. "Ich habe mich vorher nie mit so etwas beschäftigt", sagt die Autorin. Nun versucht sie, ihren Verlust in ihre Weltsicht zu integrieren. Sinn und Werte spielen eine zentrale Rolle bei der Ausbildung von Resilienz, sagt auch die Forscherin Donya Gilan. Durch sie könne es gelingen, in schwierigen Lebensphasen einen Sinnzusammenhang herzustellen und das Erlebte in die Bedeutungsnetzwerke der eigenen Biografie einzubetten.

Portrait Barbara Pachl-Eberhart
Die Autorin und Schreibpädagogin Barbara Pachl-Eberhart
Nina Goldnagl

"Beifahrerin des Lebens"

Als sie ins Leben zurückkehrt, tut Pachl-Eberhart das als "Beifahrerin", wie sie sagt. Freundinnen und Freunde planen Ausflüge oder kochen für sie eine Extraportion mit. Ob sie mitgeht, mitfährt, mitisst, kann Pachl-Eberhart spontan entscheiden. Ihr damaliger Arbeitgeber stellt sie für unbegrenzte Zeit frei. Als sie früh wieder in ihren Beruf zurückkehren will, wird ihr auch das ohne Druck ermöglicht. Denn ihre Arbeit als Clown hilft Pachl-Eberhart in dieser Zeit: Sie zeigt ihr, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein ist.

"Für mich ist dadurch dieses große Hadern weggefallen, dieses: Warum gerade ich? Ich wusste seit zehn Jahren, das passiert Menschen. Und ich wusste: Jetzt gehöre ich zu ihnen." Der Clown, sagt sie, sei jemand, der wisse, dass er auf nichts ein Anrecht hat. "Aber aus allem, was er hat, und sei es nur der nächste Atemzug, macht er das Beste, das Schönste und das Fantastischste."

Resiliente Menschen, sagt Donya Gilan, seien in der Lage, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. "Sie haben eher eine positiv verzerrte Wahrnehmung und Bewertung, statt sich nur anzuschauen, was nicht funktioniert", meint sie. "Was dazu führt, dass solche Menschen besonders gut mit Krisen umgehen können, ist, dass sie bestimmte Dinge einfach akzeptieren. Sie verwenden nicht zu viel Energie auf Dinge, die man nicht verändern kann, und versuchen den Sinn darin zu sehen."

Resilienz als Haltung

Doch jeder Mensch hat auch Zeiten, in denen er nicht resilient handeln kann. "Da muss man nachsichtig mit sich sein", sagt Gilan. "Das gehört zu den normalen Reaktionen dazu." Auch Pachl-Eberhart stößt sich an oberflächlichen Definitionen von Resilienz, wie man sie aus Trainings am Arbeitsplatz kennt. Wird hohe psychische Widerstandskraft als Anforderung statt als kraftspendende Ressource gesehen, kann daraus Druck entstehen.

Dabei sei die Ausbildung von Resilienz ein höchst individueller Prozess, sagt Donya Gilan. "Was einen Menschen sehr resilient macht, muss für einen anderen gar keine Resilienzressource darstellen." Resilienz sei ein Prozess, in dem viele verschiedene Faktoren zusammenspielen: die Genetik, die Schutzfaktoren und die Resilienzmechanismen eines einzelnen Menschen, aber auch die Arbeit, die Bildung und das Umfeld, die ihm offenstehen.

Doch im Grunde gehe es um geistige Wendigkeit, meint Gilan. Also die Fähigkeit, sich immer wieder neu auf veränderte Lebenssituationen einzustellen. Und um einen fürsorglichen Umgang mit sich selbst und ein Gespür dafür, wann man an die eigenen Grenzen gerät. "Das heißt, nach Stress die Selbstfürsorge sehr stark zu kultivieren, damit man wieder Energie tanken kann", erklärt sie. "Durch Sport, durch Regeneration, durch soziale Unterstützung oder durch gedankliche Arbeit und den Versuch, eine neue Perspektive zu entwickeln."

Für Barbara Pachl-Eberhart entsteht Resilienz aus einer Haltung. "Die setzt sich zusammen aus Offenheit, aus der Bereitschaft, Gefühle an sich heranzulassen, und der Fähigkeit, die eigenen Grenzen anzuerkennen." Wenn man Lebenskrisen mit dieser Haltung begegne, könne Resilienz entstehen.

"Ich glaube, so groß kann eine Krise gar nicht sein, dass es nicht noch irgendwo ein kleines Stiefmütterchen gibt, eine Wolke am Himmel oder das Lächeln im Gesicht eines anderen Menschen", sagt sie. "Vielleicht ist das das Letzte, was bleibt. Resilienz heißt für mich, dieses letzte Lächeln noch zu sehen." (Ricarda Opis, 19.11.2023)