
Unansehnliche, dunkle Flecken wachsen über Gesichter, Gewänder und Haupthaar. Ein scheinbarer Fall von Verschmutzung, die durch eine einfache Säuberung behoben werden kann – so die erste Annahme. Diese stellte sich jedoch als falsch heraus, und das Problem verschlimmerte sich sogar. Die historischen Holzskulpturen des Josephsaltars der Wiener Votivkirche von 1879 waren nicht einfach von normalen Ablagerungen befleckt, sondern von "Bleiseifen", die sich dann in Kombination aus Staub und Schmutz über die Jahre hinweg schwarz verfärbten.
Durch monatelange, penible Detailarbeit und eine spezielle Bearbeitung konnten die Flecken schließlich reduziert und die Malschicht retuschiert werden. Eine Gegenüberstellung einiger Exemplare macht den drastischen Unterschied deutlich: Prächtige Farben, goldenes Dekor und strahlende Haut kommen nun zum Vorschein. Ein äußerst kniffliger Fall für die Restaurierung.
Unzählige solcher Anfragen erhält das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien, darunter Kirchen und Stifte sowie kleine Einrichtungen und die großen Bundesmuseen. Sie alle verfügen über zahlreiche Objekte in ihren Häusern, Sammlungen oder Depots, die aus unterschiedlichen Gründen wieder in Schuss gebracht werden müssen. Die Expertise und ausführliche wissenschaftliche Begleitung an der Uni wird geschätzt. Das kann von kirchlichen Seidenfahnen, Steindenkmälern über Glasluster aus dem Mak, die Reichskrone im KHM bis zu fragilen Skulpturen zeitgenössischer Künstler reichen.
Einfluss der Klimakrise
Das Fach habe sich in den letzten Jahrzehnten deutlich zu mehr präventiver und konservatorischer Arbeit gewandelt, erzählt Gabriela Krist. Seit 24 Jahren leitet die Universitätsprofessorin das Institut an der Angewandten und veränderte den Studiengang maßgeblich. Unter ihrer Leitung kamen zu den bereits bestehenden Klassen Objekt und Gemälde Textil und Stein hinzu.
Vor allem die globalen Veränderungen durch die Klimakrise würden die heutige Arbeit der Bewahrung von Kulturgut betreffen, so Krist. Wie können heikle Materialien länger haltbar gemacht, wie Depots besser geschützt, wie Denkmäler besser verpackt werden?

Kein stilles Kämmerchen
Nicht nur das eigene Selbstbewusstsein des Fachbereichs – ein Hybrid zwischen Natur- und Geisteswissenschaften – sei in den letzten Jahren stärker geworden, sondern auch sein Facettenreichtum. Die klischeehafte Vorstellung, Expertinnen für Restaurierung würden allein im stillen Kämmerchen sitzen und zerrissene Leinwände flicken, ist ein Mythos. Zwar zählt diese minutiöse Arbeit auch dazu, bildet aber nur einen Teil davon ab.
Zum Beispiel gibt es seit Jahren Forschungsprojekte im internationalen Ausland wie in Nepal, China, Indien oder Albanien. Viele Absolventen hegen auch den Wunsch, erklärt Krist, nach dem Studium in Zusammenarbeit mit NGOs Stätten des Weltkulturerbes zu erhalten.
Die Ausstellung Conservator at Work in der ehemaligen Wiener Postsparkasse, einer Außenstelle der Angewandten, macht diese Arbeit anhand vieler Beispiele sichtbar. Bei sogenannten Schaurestaurierungen können Studierende bei ihrer Arbeit beobachtet und diverse Techniken und Projekte kennengelernt werden.

3D-Druck und Holzboxen
Beispielsweise das FWF PEEK Projekt, das sich der Frage widmet, wie man die zerbrochene Porzellan-Sammlung des Schlosses Loosdorf, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, wieder zusammensetzen kann. Spannende 3D-Verfahren machen sichtbar, welche Stützkonstruktionen oder Rekonstruktionen möglich sind. Oder das Verfahren, um eine textile Pullover-Skulptur von Erwin Wurm von einem heftigen Mottenbefall zu befreien: Ganze sechs Wochen musste sie mit Stickstoff bearbeitet werden. Die Restaurierung der meisten Objekte wird trotz verbesserter Technik weiterhin intensive Handarbeit bleiben, ist sich Krist sicher. Immerhin handelt es sich um diffizile Unikate.
Welche teils absurd aussehenden Konstrukte gebaut werden, um historische Objekte zu lagern oder auch vor Witterung im Außenraum zu schützen, zeigen einige Beispiele. Mit extra angefertigten Bügeln können liturgische Gewänder knitterfrei gelagert werden. Durch Holzboxen sollen Gartenskulpturen wie in Schönbrunn vor Frost geschützt werden – eine Maßnahme, die durch sich schneller verändernde klimatische Verhältnisse immer wichtiger wird.
Der Studiengang habe deutlich mehr Zulauf als noch vor 20 Jahren. Die Nachfrage nach Expertise auf dem Gebiet scheint künftig weiter zu steigen. (Katharina Rustler, 14.11.2023)