Es waren einige einfache, präzise Fragen, die der brasilianische Bischof José Negri im Sommer an die vatikanische Glaubenskongregation (heute Dikasterium für Glaubenslehre) gerichtet hat: Dürfen transidente Menschen getauft werden? Dürfen sie Taufpaten oder Trauzeugen sein? Dürfen zwei gleichgeschlechtliche Personen als Eltern betrachtet werden, und darf ihr Kind, das adoptiert wurde oder durch eine Leihmutterschaft zur Welt kam, getauft werden? Die Antwort des argentinischen Kardinals Víctor Manuel Fernández, Präfekt des Glaubensdikasteriums, ist kurz und lapidar: Aber ja doch.

Papst Franziskus veranlasst mehr Rechte für queere Menschen – Italiens Premierministerin Giorgia Meloni (links) macht das Gegenteil.
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Der Antwortbrief von Kardinal Fernández an den brasilianischen Bischof ist Ende Oktober von Papst Franziskus mitunterzeichnet und letzte Woche veröffentlicht worden. Ein Transsexueller – der sich auch einer Hormonbehandlung und einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat – kann unter den gleichen Bedingungen wie die anderen Gläubigen getauft werden, heißt es in dem Schreiben. Und was für erwachsene trans- und homosexuelle Menschen gelte, gelte erst recht für deren Kinder. Bei der Taufe von Kindern gleichgeschlechtlicher Paare müsse lediglich "die begründete Hoffnung bestehen, dass diese katholisch erzogen werden", schreibt Glaubenspräfekt Fernández. Aber das ist eine Regel, die für alle Kinder gilt, die katholisch getauft werden.

"Kirche ist keine Zollstation"

Mit dem Schreiben wird die tolerante Haltung von Papst Franziskus gegenüber allen sexuellen Identitäten, Liebesbeziehungen und Partnerschaften, die nicht dem katholischen Ideal der traditionellen Familie aus Mann, Frau und Kind entsprechen, bestätigt. Der Papst lässt zwar, damit die Kirche im Dorf bleibt, die strenge Lehre unverändert, aber in der Praxis drückt er ein Auge zu, wo er nur kann. "Die Kirche ist keine Zollstation, sondern das väterliche Haus, in dem es Platz gibt für alle Menschen mit ihrem beschwerlichen Leben", schrieb Franziskus schon in seiner vor zehn Jahren erschienenen Enzyklika "Evangelii gaudium". Das gleiche Konzept bekräftigte er in diesem August am Weltjugendtag in Lissabon: "In der Kirche ist Platz für alle – so, wie wir sind. Für alle, alle, alle."

Nur wenige Kilometer vom Vatikan entfernt, auf der anderen Seite des Tibers, ist von der päpstlichen Toleranz und Inklusion nichts mehr zu spüren: Von ihrem Amtssitz im Palazzo Chigi aus führt die postfaschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit einem Jahr einen erbitterten Krieg gegen alles, was für sie unter die "Gender- und LGBT-Ideologie" fällt. Würde man Meloni fragen, ob Trans- und Homosexuelle und deren Kinder die gleichen Rechte haben wie andere Eltern und Kinder, erhielte man ein schroffes Nein als Antwort. In Italien ordnen neuerdings Gerichte an, dass der nicht leibliche Elternteil bei gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern aus dem standesamtlichen Register und aus den Personalausweisen der Kinder gestrichen wird. Dabei geht es de facto um die Rücknahme bereits bestehender Rechte: Die eine Mama ist für diese Kinder plötzlich keine mehr, jedenfalls nach dem Gesetz.

Strafe für Leihmutterschaft

Außerdem will Meloni die in Italien bereits verbotenen Leihmutterschaften auch dann unter Strafe stellen lassen, wenn die "Tat" im Ausland begangen wird. Das entsprechende Gesetz ist von der großen Parlamentskammer bereits gutgeheißen worden. Wenn auch noch der Senat zustimmt, dann sind in Italien sowohl hetero- als auch homosexuelle Eltern nicht mehr nur keine Eltern mehr, sondern Kriminelle, die ins Gefängnis gesteckt werden. "Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin Mutter, ich bin Christin", rief Meloni an einer Wahlveranstaltung der rechtsradikalen spanischen Partei Vox. Das entsprechende Video ist viral gegangen. Auch Papst Franziskus ist ein Gegner von Leihmutterschaften. Nur hat er ein anderes Verständnis von Christentum und Nächstenliebe als Meloni. (Dominik Straub aus Rom, 14.11.2023)