Donald Trump hatte schon eine halbe Ewigkeit geredet, sich über seine gerichtliche Verfolgung beklagt, seine guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gepriesen und den chinesischen Machthaber Xi Jinping gelobt, als er zum dramatischen Höhepunkt seines Auftritts vor Kriegsveteranen in New Hampshire kam. "Ich verspreche euch", hob der Ex-Präsident an, "dass wir Kommunisten, Marxisten und linksradikale Schläger, die wie Ungeziefer auf dem Gebiet unseres Landes leben, ausrotten werden."

Donald Trump hinter einem Maschendrahtzaun.
Donald Trump will seine Gegner "ausgerottet" oder zumindest in der Psychiatrie sehen.
AP/Frank Franklin II

Menschen als Schädlinge, die vernichtet werden müssen? Selbst für Trumps oftmals maßlose Rhetorik schien mit diesem Ausfall am Wochenende ein neuer Tiefpunkt erreicht. Der derzeit aussichtsreichste republikanische Bewerber für das Präsidentenamt sei ein "gefährlicher Mann", warnte seine geschasste Parteikollegin Liz Cheney: "Er bedient sich derselben Nazipropaganda, die Deutschland von 1930 bis 1940 für das Unheil mobilisiert hat." Die "New York Times" und die "Washington Post" wiesen umgehend auf Parallelen zur Wortwahl Adolf Hitlers und des italienischen Diktators Benito Mussolini hin. "Das klingt nicht nur nach 'Mein Kampf'. Das ist 'Mein Kampf'", empörte sich der Historiker Jason Stanley.

Kritiker "zerquetscht"

Doch die Zeiten, in denen eine Grenzüberschreitung wie die Entmenschlichung des politischen Gegners in den USA irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte, sind offenkundig vorbei. Ronna McDaniel, die ebenso machtlose wie opportunistische Vorsitzende der republikanischen Parteiorganisation RNC, wiegelte in einem Interview ab: Sie äußere sich grundsätzlich nicht zum Wahlkampf einzelner Bewerber. Und Trump selber versuchte seine unerhörte Äußerung nicht etwa zu relativieren, sondern legte anschließend noch nach.

Die Kritiker, so ließ er seinen Sprecher Steven Cheung erklären, seien schlichtweg geistesgestört: "Ihre traurige, armselige Existenz wird zerquetscht werden, wenn Präsident Trump ins Weiße Haus zurückkehrt." Der Politiker selber arbeitete sich derweil auf seiner Propagandaplattform Truth Social an Sonderermittler Jack Smith ab, der ihn wegen des Putschversuches vom 6. Januar 2021 angeklagt hat. Smith und sein Team würden nach seiner Wiederwahl in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, drohte Trump, als wolle er absichtlich einen neuen Beleg für seine autoritären Wahngedanken liefern.

Todesstrafe für den Generalstabschef

So alarmierend diese enthemmten Drohungen sind, so wenig überraschend erscheinen sie angesichts Trumps Entwicklung in den vergangenen Monaten. Anders als sein erster Wahlkampf dämonisiert seine derzeitige Kampagne nicht so sehr die Gefahren für die USA von außen, sondern konzentriert sich auf Rachegelüste und Vergeltung gegen die innenpolitischen Gegner des narzisstischen Rechtspopulisten. "Die Bedrohung durch Kräfte von außen ist viel weniger gefährlich als die von innen", erklärte er auch in New Hampshire.

Schon im September hatte Trump erklärt, sein ehemaliger Generalstabschef Mark Milley wäre in früheren Zeiten mit der Todesstrafe belegt worden. Die kaum verhohlene Drohung mit einer Exekution sorgte jedoch kaum für Schlagzeilen, was der Politologe Brian Klaas in der Zeitschrift "The Atlantic" beklagte: "Das zeigt, wie abgestumpft das Land geworden ist." Als Trump im Oktober in direkter Anlehnung an Hitlers Blut-und-Boden-Ideologie behauptete, die Migranten würden "das Blut unseres Landes vergiften", gab es keinen massiven öffentlichen Aufschrei.

Die jüngste Entgleisung mit der faschistischen Ungeziefermetapher ausgerechnet am Gedenktag für die amerikanischen Soldaten rief immerhin das Weiße Haus auf den Plan. "Für unsere Gründerväter wäre es unvorstellbar gewesen, solche Begriffe zu verwenden", sagte ein Sprecher von Präsident Joe Biden. "Aber es weckt schreckliche Erinnerungen bei den amerikanischen Veteranen, die in den 1940er-Jahren die Uniform ihres Landes angezogen haben." (Karl Doemens aus Washington, 14.11.2023)