Vor den Toren der Isi-Gruppe in Wien demonstrierten Gewerkschafter für höhere Löhne.
Streikposten vor der Isi GmbH in Wien, dem auf Sodaflaschen, Druckgasbehälter und Airbags spezialisierten Unternehmen des Wiener Industriepräsidenten Christian Pochtler.
APA/MAX SLOVENCIK

Die Bäcker kümmerten die Streiks in der Maschinen- und Metallverarbeitungsindustrie augenscheinlich nicht. Sie haben einen neuen Kollektivvertrag (KV), die Mindestlöhne werden um 9,71 Prozent angehoben. Das ist fast so hoch wie die für den Metallerabschluss maßgebliche Inflationsrate, die sich seit September 2022 auf 9,7 Prozent summierte – und den Hauptstreitpunkt zwischen den Metallerlohnverhandlern darstellt.

Aber dieser Abstand zur maßgeblichen Inflationsrate – und erst recht zu den von den Gewerkschaften Pro-Ge und GPA geforderten 11,6 Prozent Lohnerhöhung – führte in der sechsten Verhandlungsrunde am Montag zur Ablehnung seitens der Arbeitnehmervertreter und zu den Streiks, die am Dienstag österreichweit in ausgewählten Unternehmen der Metalltechnischen Industrie angelaufen sind.

Kurze Liste

Wobei diese gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen eher defensiv angelegt sein dürften. Viel mehr als 30 Namen von betroffenen Unternehmen fanden sich auf der bis Donnerstag, den 16. November reichenden Liste nicht. So fanden am Dienstag in rund zehn Betrieben Arbeitsniederlegungen statt, darunter in der für ihre Druckgasbehälter und Sodawasserflaschen berühmten Isi Gmbh des Wiener IV-Präsidenten Christian Pochtler ebenso wie in der Leopoldsdorfer Maschinenfabrik oder bei Welser Profile im niederösterreichischen Traisental. Auch der Collini-Ableger in Bürmoos in Salzburg wurde nicht ausgespart, gehört dieser doch zum Metallveredelungsimperium des Arbeitgeberchefverhandlers Johannes Collini.

Am Mittwoch geht es mit Andritz, der Maschinenfabrik Liezen (beide in der Steiermark), Liebherr in Vorarlberg und Schindler Aufzügen weiter. Am Donnerstag könnte es so richtig losgehen, denn dann gibt es keine Verhandlungen mehr. Dienstag und Mittwoch werden parallel zum Arbeitsausstand noch die laufenden KV-Runden in den Fachverbänden Gießerei- und Fahrzeugindustrie sowie Bergbau/Stahlindustrie absolviert. Sie gelten als Formsache, denn neue, verbesserte Angebote seitens der Arbeitgeber sind so gut wie ausgeschlossen. Damit würde man der – aus Sicht der Industrie – heldenhaft kämpfenden Maschinen- und Metallverarbeitungsindustrie in den Rücken fallen. Sie bildet mit 137.000 Beschäftigten und 1200 Unternehmen im Fachverband Metalltechnische Industrie (FMTI) die Speerspitze der industriellen Lohnverhandler.

Voestler sollen Schwung bringen

Das erklärt auch, warum die Voestalpine mit ihren zahlreichen Standorten in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark erst am Donnerstag ganz oben auf der Liste steht. Die Voest-Standorte sind schwergewichtige Kandidaten, gewerkschaftlich gut organisiert – das macht was her, wenn die Voestler öffentlich auf den Putz hauen.

Dass die Arbeitgeber ankündigten, ihre streikenden Mitarbeiter für die Dauer des Ausstands von der Sozialversicherung abmelden zu wollen, ficht die Gewerkschaft nicht an. Das sei zwar zulässig, dürfte aufgrund des enormen bürokratischen Aufwands allerdings überschaubare Folgen haben. Denn der Krankenversicherungsschutz bleibe bei Entgeltunterbrechungen von bis zu drei Tagen in der Regel aufrecht. Anders sieht es bei der Entgeltfortzahlung aus. Diese wollen die von Streiks betroffenen Arbeitgeber erklärtermaßen aussetzen – und das sei ohne Abmeldung bei der Gesundheitskasse schlicht nicht möglich. "Wer streikt, muss auch die Verantwortung für die Konsequenzen tragen", stellt dazu ein Arbeitgeber klar.

Wann die Verhandlungen in der Metalltechnischen Industrie wiederaufgenommen werden, blieb auch am Dienstag offen. Da die Gewerkschaft während der Streiks Verhandlungen erklärtermaßen ablehnt, scheint eine Einigung vor dem Wochenende ausgeschlossen.

Angebot unter der zurückliegenden Inflation

Bleibt die Kernfrage, ob das Angebot der Metallverarbeitungsindustrie so unzureichend ist, dass dies einen Arbeitskampf rechtfertigt. Hinter dem Ziel der Gewerkschaft bleiben sämtliche Varianten zurück, keine deckt die maßgebliche Inflationsrate von 9,7 Prozent seit September 2022 (bis August 2023) in Prozenten ab, wie dies gefordert wird.

·Variante I besteht aus einem Plus von 2,7 Prozent und einem Sockelbetrag von 130 Euro für jeden Dienstnehmer zuzüglich einer steuer- und abgabenbefreiten Einmalzahlung von 1200 Euro (die im Schnitt einer Erhöhung um 2,3 Prozent entspricht).

Alles zusammengerechnet käme man auf 8,3 bis 8,4 Prozent und damit zumindest in die Gegend der geforderten Inflationsabgeltung. Allerdings wäre nur ein Teil nachhaltig im Sinne von dauerhaft. Insbesondere den Industrieangestellten schmeckt diese Variante allerdings nicht, denn der Sockelbetrag von 130 Euro führt zu einer sogenannten Spreizung: Niedrige Einkommen steigen dadurch stärker, in den höheren Lohn- und Gehaltsgruppen flacht der Zuwachs spürbar ab – eine Umverteilung also von oben nach unten, die eigentlich im Sinne der Gewerkschaft ist. "Wir lassen uns die Einmalzahlung nicht einrechnen", stellte Metallgewerkschaftschef Reinhold Binder nach Abbruch der Verhandlungen klar.

Schwache Wirtschaft

·Variante II besteht aus einer Erhöhung um sechs Prozent für alle zuzüglich 1200 Euro Einmalzahlung und ergibt im Prinzip das Gleiche, allerdings ohne Umverteilungseffekt. Das wiederum ist den Metallarbeitern zu wenig, weil untere Lohngruppen schlechter aussteigen beziehungsweise nicht bevorzugt würden.

Ein Wille zu einer raschen Beendigung der jeweils auf einen Tag anberaumten Streiks war am Dienstagnachmittag nicht erkennbar. Das mag auch daran liegen, dass Streiks in der aktuell schwachen Auftrags- und Wirtschaftslage die Unternehmen nicht wirklich teuer kommen, sagen Ökonomen, die diese außergewöhnlich schwierige Lohnrunde nicht öffentlich kommentieren wollen. Unter der aktuellen Inflation, die im September bei 6,1 Prozent lag, werde der Abschluss wohl nicht sein können, rechnet einer vor. Zumindest einen Teil der Einmalzahlung werde sich die Gewerkschaft wohl einrechnen lassen müssen. (Luise Ungerboeck, 14.11.2023)