Auf den ersten Blick haben diese Gebilde etwas Atmosphärisches: Nebelhafte Wirbel, Wolken und Schleifen, die sich hell von den umgebenden, dunkleren Mondregionen abheben. Die oft kilometerlangen Wirbel sind praktisch in jeder Geländeart zu finden, konzentrieren sich aber auf der erdabgewandten Seite des Mondes; und sie scheinen dabei häufig unabhängig von den umgebenden geologischen Strukturen zu verlaufen.
Was sie hervorbrachte, ist nicht gewiss. Eine Studie aus dem Jahr 2015 führte die "lunar swirls" auf Kometeneinschläge zurück. Doch dem widerspricht laut einer anderen Untersuchung, dass gerade bei den größten Mondwirbeln an der passenden Position keine Einschlagsspuren zu entdecken sind. Andere Hypothesen bringen Magnetfelder ins Spiel oder elektrische Felder, nach denen sich feine Staubpartikel orientieren.
Nun steuern topografische Karten des Mondes zum rätselhaften Gesamtbild neue Teile bei – und werfen dabei weitere Fragen auf. Detailgenaue Höhendaten offenbarten einen Zusammenhang zwischen Mondwirbel und Topografie: Die hellen Strukturen liegen im Durchschnitt offenbar auf einem anderen Niveau als ihre dunklere Umgebung.

Frühere Entdeckungen
"Lange Zeit herrschte eher die Ansicht vor, dass die Topografie keinen Einfluss auf die Lage oder Form des Wirbels hat", sagte John Weirich vom Planetary Science Institute. Im Jahr 2022 wiesen Daten des Lunar Reconnaissance Orbiter der Nasa jedoch erstmals darauf hin, dass es hier doch Zusammenhänge gab, die man bisher übersehen hatte: Bei einem Mondwirbel in der Region Mare Ingenii auf der erdabgewandten Seite des Mondes lagen die hellen Bereiche im Durchschnitt drei Meter unter den umgebenden dunklen Zonen.
Weirich und sein Team berichten nun im "Planetary Science Journal" von ähnlichen Beobachtungen an einem anderen Wirbel. Bei der als Reiner Gamma bekannten Struktur liegen die hellen Zonen rund vier Meter tiefer als die dunkleren Regionen. "Die Feststellung eines Zusammenhangs mit der Topografie in einem Wirbel könnte nur ein Zufall sein. Aber findet man so etwas in einer weiteren, weit entfernten Wirbelregionen, ist das schon schwieriger zu ignorieren", so Weirich. "Ganz besonders, wenn man bedenkt, dass Reiner Gamma der archetypische Mondwirbel ist."

Es ist kompliziert
"Die Sache ist sogar noch etwas komplexer", meinte Weirich weiter. "Es ist nicht so, dass die hellen Gebiete gleichmäßig niedriger sind als die dunklen. Wäre das der Fall, ließe sich dieser Zusammenhang zwischen Topografie und Wirbel leicht durch den Vergleich einer Höhenkarte mit einem Bild des Wirbels nachweisen." Stattdessen offenbarte sich dieser Zusammenhang nur, wenn die Forschenden die durchschnittliche Höhe der hellen Bereiche mit der durchschnittlichen Höhe der dunklen Zonen verglichen. Der Mechanismus dahinter bleibt ein Rätsel.
Für ihre Arbeit nutzten Weirich und seine Kolleginnen und Kollegen nicht nur die Topografiedaten aus Bildern der Lunar Reconnaissance Orbiter Camera (LROC), sondern auch die Stereophotoclinometry-Software der Sonde, die Stereobilder zur Bestimmung der Höhe der Mondoberfläche verwendet. Ein maschinelles Lernprogramm half dem Team schließlich dabei, die Übergangsbereiche zwischen den beiden Regionen zu erkennen, die als "diffuse Wirbelzonen" bezeichnet werden.
Rätsel bleibt
Wie könnten diese Beobachtungen mit den Ursachen der Mondwirbel in Verbindung stehen? Eine Antwort hat Wierich nicht parat. Letztlich tappe man noch weitgehend im Dunkeln: "Ihre Entstehung könnte eine Kombination aus gut verstandenen Prozessen sein, die zusammenwirken, oder ein derzeit unbekannter Vorgang. Ungewöhnliche Phänomene sind manchmal der Schlüssel zu tieferen Erkenntnissen, nicht nur aus diesem Grund sind die Mondwirbel sehr faszinierend." (tberg, 15.11.2023)