Ein Team europäischer Astronomen nutzte das James Webb Space Telescope (JWST), um die Gashülle eines nahen Exoplaneten genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei einem tiefreichenden Blick mit Spezialinstrumenten in die Atmosphäre von WASP-107b entdeckten die Forschenden nicht nur Wasserdampf und Schwefeldioxid, sondern sogar Silikatsandwolken.
Mit den neuen wissenschaftlichen Möglichkeiten sind Astronomen dazu in der Lage, den Rätseln von Exoplaneten auf die Spur zu kommen. Besonders vielversprechende Untersuchungen an den Himmelskörpern lassen u. a. die Geräte am-James Webb-Teleskop, dem größten Spiegelteleskop im Weltraum, zu. Eines davon ist das am JWST angedockte Mid-Infrared Instrument (MIRI).

Kleiner und leichter als die Sonne
Dabei handelt es sich auch um eine Art virtuelles Labor im All, mit dem Wärmestrahlung von Gas und mikroskopisch kleinem Staub detektiert werden kann. Aus den Daten lassen sich Rückschlüsse auf im All befindliche Moleküle ziehen und die Zusammensetzung von feinem Staub im Universum untersuchen. Im Fall der nunmehrigen Analyse haben die Wissenschafter um Michiel Min vom SRON Netherlands Institute for Space Research, mit MIRI den Exoplaneten WASP-107b untersucht. Die 2017 entdeckte Welt kreist rund 200 Lichtjahre von der Erde entfernt in der "Virgo"-Sternenkonstellation um den im Vergleich zur Sonne etwas kühleren und weniger massereichen Stern WASP-107.
Schon 2018 haben Forschende mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops Helium in der Atmosphäre von WASP-107b nachgewiesen. Doch mit den fortschrittlicheren Instrumenten gelang es erstmals, die Zusammensetzung von Wolken auf dem Exoplaneten genauer zu analysieren. Die Resultate wurden nun im Fachjournal "Nature" veröffentlicht. Die Beobachtungen waren nur möglich, weil sich die Atmosphäre des Planeten besonders "flauschig" präsentiert, erklärte Manuel Güdel von der Universität Wien, der an der Studie und der Entwicklung von MIRI ab dem Jahr 2003 federführend beteiligt war. WASP-107b hat zwar in etwa die Masse von Neptun, aber nur annähernd die Größe von Jupiter.

Überraschendes Schwefeldioxid
Diese Kombination sorgt für eine aufgelockerte Außenhülle des Exoplaneten und ermöglicht es den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, mit MIRI rund 50-mal tiefer in die Atmosphäre zu schauen, als das bei Jupiter möglich wäre. So ließen sich tatsächlich Wasserdampf, Schwefeldioxid (SO2) und Silikatwolken identifizieren, nicht jedoch Methan (CH4).
"Erstens deutet das Fehlen von Methan auf ein möglicherweise warmes Inneres hin und bietet einen spannenden Einblick in die Bewegung von Wärmeenergie in der Atmosphäre des Planeten. Zweitens war die Entdeckung von Schwefeldioxid (bekannt durch den Geruch verbrannter Streichhölzer) eine große Überraschung, denn frühere Modelle hatten eigentlich dessen Abwesenheit vorhergesagt", sagte der Wiener Astrophysiker.
Dass es nun gefunden wurde, erklären sich die Forschenden dadurch, dass der Wirtsstern des Himmelskörpers zwar relativ wenig Licht und damit auch wenig Energie zu WASP-107b schickt, diese Energie aber tiefer Richtung Inneres vordringen kann, was dort die Bildung von Schwefeldioxid begünstigt.

Sandwolken
Die Daten zeigen allerdings auch, dass hoch oben in der Atmosphäre liegende Wolken den Wasserdampf und das Schwefeldioxid teilweise überdecken. Diese sind aber gänzlich anders beschaffen, als man es von der Erde kennt: Sie bestehen nämlich aus winzigen Silikatpartikeln – also dem Hauptbestandteil von Sand. "Die Entdeckung von Wolken aus Sand, Wasser und Schwefeldioxid auf diesem flauschigen Exoplaneten ist ein entscheidender Meilenstein", so Güdel. "Die neuen Erkenntnisse verändern unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Planeten und werfen ein neues Licht auf unser eigenes Sonnensystem."
Neben den Sandwolken fanden sich auch Hinweise auf regelrechten Sandregen auf dem fernen Himmelskörper. Die Wolken lassen dort nämlich bei Temperaturen um rund 500 Grad Celsius Sandpartikel abregnen. "Die Tatsache, dass wir diese Sandwolken hoch oben in der Atmosphäre sehen, muss bedeuten, dass die Sandregentropfen in tieferen, sehr heißen Schichten verdampfen und der dabei entstehende Silikatdampf effizient wieder nach oben transportiert wird, wo er sich erneut zu Silikatwolken verdichtet.
Dies ist dem Wasserdampf- und Wolkenzyklus auf unserer Erde sehr ähnlich, allerdings mit Tröpfchen aus Sand", erklärte Hauptautor Michiel Min. Dieser kontinuierliche Zyklus von Sublimation und Kondensation durch vertikalen Transport sei verantwortlich für die dauerhafte Präsenz von Sandwolken in der Atmosphäre von WASP-107b, so der Astrophysiker. (red, APA, 15.11.2023)