
New York – Der UN-Sicherheitsrat hat eine Resolution mit der Forderung nach "ausgedehnten humanitären Pausen" im Gazastreifen angenommen. Nach langem Ringen einigte sich das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen (UN) am Mittwoch in New York auf den gemeinsamen Beschluss. Die USA verzichteten auf ein Veto und enthielten sich ebenso wie Russland und Großbritannien. Zwölf der insgesamt 15 Mitgliedsstaaten stimmten für den Text. Israels Außenministerium lehnte die Forderungen umgehend ab.
Resolutionen des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend. Sie können so eine internationale Wirkmacht entfalten.
"Humanitäre Pausen für eine ausreichende Anzahl von Tagen"
Die von Ratsmitglied Malta eingebrachte Resolution verlangt unter anderem "dringende und ausgedehnte humanitäre Pausen und Korridore im gesamten Gazastreifen für eine ausreichende Anzahl von Tagen", also tagelange Feuerpausen, um im Einklang mit dem Völkerrecht humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Es ist dabei aber nicht die Rede von einem formalen Waffenstillstand.
Der Text fokussiert dabei stark auf das Leid der palästinensischen Minderjährigen. Ausgedrückt wird die "tiefe Besorgnis über die humanitäre Lage im Gazastreifen und ihre schwerwiegenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere die unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Kinder".
Alle Konfliktparteien werden zur Einhaltung des Völkerrechts angehalten, eine "Zwangsumsiedlung der Zivilbevölkerung" werde abgelehnt, lebensnotwendige Dienste dürften den Menschen im Gazastreifen nicht vorenthalten werden.
Diese Positionen sind Diplomaten zufolge im Hinblick auf das Vorgehen Israels in der Region zu verstehen – namentlich wird das Land jedoch im gesamten Dokument nicht genannt. Die islamistische Hamas, die Israel am 7. Oktober angegriffen und ein Massaker an Zivilisten mit rund 1.200 Toten verübt hatte, erwähnt der Text nur in der Forderung, die in den Gazastreifen verschleppten israelischen Geiseln freizulassen.
USA, Russland und Großbritannien enthielten sich
Es war bis kurz vor der Abstimmung fraglich, ob die USA als engster Verbündeter Israels die Annahme der Resolution tolerieren könnten. Im Oktober hatte Washington sein Veto für einen Entwurf unter anderem deswegen eingelegt, weil dieser das Recht auf Selbstverteidigung Israels nicht betonte. Der nun angenommene Beschluss geht darauf ebenfalls nicht ein, auch gibt es keine Verurteilung des Hamas-Massakers vom 7. Oktober.
Die USA haben wie China, Russland, Frankreich und Großbritannien ein Vetorecht. Zudem hat der Rat zehn auf zwei Jahre gewählte Mitgliedsstaaten. Eine Resolution braucht mindestens neun der 15 Stimmen, dabei darf es kein Veto geben.
Mehrere Resolutionen zuvor gescheitert
UN-Experte Richard Gowan von der Denkfabrik Crisis Group sagte, US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield scheine gegenüber Washington klargemacht zu haben, "dass die USA nach wochenlanger Blockade von Fortschritten irgendeine Art von Aktion im Rat zulassen müssen". Dabei hätten die Vereinigten Staaten darauf geachtet, die Forderung nach einem formalen Waffenstillstand in dem Text zu vermeiden.
"Letztendlich haben die USA also ihr Hauptziel erreicht, den Rat auf humanitäre Maßnahmen zu konzentrieren und nicht eine vollständige Beendigung des Krieges zu fordern", so Gowan. Russland war in der Sitzung am Mittwoch damit gescheitert, die Forderung nach einem endgültigen Stopp der Kampfhandlungen und nach einem Waffenstillstand in den Entwurf zu integrieren.
Auf dem Weltsicherheitsrat lag immenser Druck, nach Wochen der Verhandlungen um eine gemeinsame Position zu handeln. Bis zum Mittwoch waren Entwürfe unter anderem aber an den Vetos der USA auf der einen Seite sowie Russlands und Chinas auf der anderen Seite gescheitert. Eine deutlich Israel-kritischere Resolution hatte die UN-Vollversammlung mit seinen 193 Mitgliedern Ende Oktober mit großer Mehrheit beschlossen. Österreich hatte damals dagegen votiert. Dieser Beschluss war völkerrechtlich nicht bindend.
Israel lehnt Resolution ab
Israel lehnt eine längere humanitäre Feuerpausen im Gaza-Krieg ab, solange die 239 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas sind. Das israelische Außenministerium teilte dies am Mittwochabend als Reaktion auf die Gaza-Resolution des Weltsicherheitsrats mit. "Israel ruft den Weltsicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft dazu auf, entschlossen die Freilassung aller israelischen Geiseln zu fordern, wie es die Resolution festlegt", hieß es in der Stellungnahme des Außenministeriums in Jerusalem. "Israel erwartet vom Weltsicherheitsrat, die Hamas eindeutig zu verurteilen und sich zu der Notwendigkeit zu äußern, im Gazastreifen eine neue Sicherheitslage zu schaffen."
Israels Armeesprecher: Geiselfreilassung "das A und O dieses Kriegs"
Der israelische Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar erklärte im Zusammenhang mit dem Uno-Votum am Abend in der "ZiB 2", es gebe täglich Feuerpausen im Gazastreifen. "Wir befinden uns im Krieg. Es ist eine unschöne Situation, die Israel nicht provoziert hat, sondern die Hamas", sagte er.
Zudem dürfe auch die "humanitäre Katastrophe" in Israel nicht außer Acht gelassen werden. Dort stünden täglich acht Millionen Menschen unter Raketenbeschuss. Die Befreiung der von der Hamas festgehaltenen israelischen Geiseln sei "das A und O dieses Kriegs", formulierte Arye Sharuz Shalicar. Solange die Geiseln nicht freigelassen worden seien, sei an ein Ende des Kriegs nicht zu denken. (APA, red, 15.11.2023)