Ein Solebecken zu Lithiumgewinnung im Werk Cauchari Olaroz in Argentinien.
Ein Solebecken zu Lithiumgewinnung im Werk Cauchari Olaroz in Argentinien.
REUTERS

Argentinien stieg mit dem Export von Rindfleisch in den 1940er- und 1950er-Jahren in die Riege der großen Wirtschaftsmächte auf – das vom Krieg zerstörte Europa brauchte damals dringend das Protein aus dem Globalen Süden. Heute gehören Soja und Lithium zu den begehrten argentinischen Exportprodukten. Der Autobauer BMW beispielsweise bezieht das Lithium für seine E-Autos aus einer argentinischen Lagerstätte, die vom US-Konzern Livent abgebaut wird. Der argentinische Staat forciert die Erschließung weiterer Vorkommen. Das Soja geht überwiegend nach China, wo es in der Schweine-, Hühner- und Rindermast eingesetzt wird.

Eine dritte Hoffnung der argentinischen Volkswirtschaft ist das Fracking. Im Vorkommen Vaca Muerta in Patagonien fördern vier Firmen Öl und Gas; das Vorkommen hat sein maximales Potenzial aber noch lange nicht erreicht. Mit 60 Prozent ist der Staatskonzern YPF der größte Produzent, gefolgt von Shell, Vista und Pan American Energy. Dank einer in diesem Jahr fertiggestellten Gaspipeline will sich Argentinien rasch von teuren Gas- und Ölimporten befreien und energiesouverän werden und den Staatshaushalt entlasten; Überschüsse sollen exportiert werden.

Auslandsschulden

Der argentinische Staat sowie die Regionalregierungen sind an einer Fortsetzung der Rohstoffausbeutung interessiert, denn sie bekommen dafür Lizenzgebühren; außerdem fallen auf alle exportierten Güter und Dienstleistungen zwölf Prozent Exportsteuer an. Dieses Geld fließt unmittelbar in den Staatshaushalt – und im Fall Argentiniens meist gleich in die Abzahlung von Auslandsschulden. Weder Massa noch Milei stellen dieses extraktivistische Wirtschaftsmodell grundlegend infrage.

Alternative Ökonomen wie Eduardo Gudynas vom Lateinamerikanischen Zentrum für Soziale Ökonomie (Claes) kritisieren es hingegen als wenig nachhaltig – und langfristig als Entwicklungsfalle, selbst wenn dadurch kurzfristige Probleme überbrückt würden. Lateinamerika sei durch den Export wenig verarbeiteter Rohstoffe verarmt, während die reichen Industrieländer die entstandenen sozialen und Umweltkosten auf den Globalen Süden abgewälzt hätten. Der Anteil Argentiniens an der Wertschöpfung ist minimal, auch Arbeitsplätze entstehen in den mechanisierten, extraktivistischen Industrien kaum.

Wie viel Geld beim Staat hängen bleibt, ist ebenfalls nicht immer klar: Viele Verträge zwischen Öl- und Bergbaumultis und dem Staat haben geheime Klauseln, und die globale EITI-Initiative für mehr Transparenz bei der Rohstoffausbeutung ist ins Leere gelaufen: 2018 zog sich die US-Regierung daraus zurück, Multis wie Conoco-Philipps und Chevron folgten. (Sandra Weiss, 18.11.2023)