Welche Partei nominiert wen aufgrund welcher Qualifikationen für einen Posten? Diese Frage war und ist eines der zentralen Themen in den zahlreichen politischen Skandalen, die die Republik in den vergangenen Jahren erschüttert haben.

Am Freitag bot Arnold Schiefer im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts einen tiefen Einblick in das System der Postenvergaben. Schiefer war in den 1990er-Jahren bei der FPÖ angedockt, unter Schwarz-Blau kam er in den Nullerjahren ins Verkehrsministerium. Es folgte eine Karriere bei der ÖBB, wo er mit Unterbrechungen bis heuer tätig war.
Böse Zungen behaupten, Schiefer sei einer der wenigen tatsächlich kompetenten Manager, auf die man in der FPÖ zurückgreifen könne. Zum Einsatz brachte ihn jedenfalls der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache rund um die türkis-blauen Regierungsverhandlungen im Herbst 2017.
Schiefer war der blaue Experte für das Beteiligungsmanagement des Bundes und für Personalvorschläge. Deshalb habe er auch am Sideletter, einer heimlichen türkis-blauen Nebenvereinbarung, mitverhandelt, schilderte er vor Gericht. Auch während der Koalition habe er immer wieder über Personalfragen verhandelt, seine "Schnittstelle zur ÖVP" sei Thomas Schmid gewesen, damals Generalsekretär im Finanzministerium.
Genau das brachte Schiefer am Freitag auch vor Gericht, und zwar als Zeuge. Als der damalige Kanzler Sebastian Kurz im Juni 2020 vor dem Ibiza-U-Ausschuss zu einer "Schmid-Schiefer-Vereinbarung" befragt wurde, gab er sich unwissend. Er habe keine Ahnung, "was die da vereinbart haben", sagte Kurz den Abgeordneten. Sein Kabinettschef Bernhard Bonelli schlug in dieselbe Kerbe.
Bei beiden ist das behauptete Unwissen über den Schmid-Schiefer-Deal nun einer der Anklagepunkte im Verfahren rund um Falschaussage vor dem U-Ausschuss.
"Gigantischer Fehler"
Die Frage, ob die beiden den Inhalt der Vereinbarung kannten, sollte Schiefer erhellen. Er erzählte, dass sich Strache damals furchtbar aufgeregt habe, weil es bei der Verschriftlichung des Sideletters zu einem "gigantischen Fehler" gekommen sei; sinngemäß seien der ÖVP bei der geplanten Staatsholding Öbag zu viele Aufsichtsratsmitglieder zugesprochen worden. Das habe er dann aber bei den Verhandlungen zum Öbag-Gesetz mit der Anwältin Edith Hlawati, die vom Finanzministerium beauftragt worden war, reparieren wollen – Hlawati ist mittlerweile übrigens selbst Öbag-Chefin.
Schiefer gab vor Gericht an, er sei dagegen gewesen, dass der mächtige Posten des Öbag-Chefs von nur einer Person bekleidet werde; aber die ÖVP habe auf einen Alleinvorstand gedrängt. Um die Frage, ob immer schon klar war, dass Thomas Schmid diesen Posten bekommen werde, geht es in diesem Verfahren ja auch. Das sei ein Running Gag gewesen, sagte Schiefer sinngemäß.
Im Lauf der mehrstündigen Befragung wurde er zusehends genervt, sprach von einem "SMS-Dschungel" und Dingen, die vermischt würden. Bei ihm selbst habe Kurz jedenfalls nie interveniert, sagte Schiefer. Mit Schmid habe er einen "Einigungsentwurf" unterzeichnet; eine Art von lebendiger Liste, die "immer wieder aufgetaucht sei", da habe man dann auch rund um Aufsichtsräte für die Öbag verhandelt. Strache sei auch wegen der Bankenaufsichtsreform sauer gewesen und habe gedroht, zu blockieren; das habe man zu verhindern versucht.
Eine "nervige" Geschichte
"Die Geschichte ist einfach nervig", sagte Schiefer, er habe das alles schon in gefühlt 95 Veranstaltungen erzählt – gegen ihn selbst war ja auch wegen des Verdachts auf Falschaussage ermittelt worden, das Verfahren wurde aber eingestellt. Weitere Aufklärung sollen die Ex-Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel bringen, außerdem wird Thomas Schmid selbst befragt werden. Eigentlich hätte der Richter ihn gerne schon am Freitag gehört, da gab es jedoch eine Terminkollision bei Schmid.
Er wird nun am 11. Dezember aussagen. Schmid will bekanntlich Kronzeuge werden, die WKStA stützt ihre Anklage gegen Kurz auch auf dessen Aussagen. Schmids Befragung vor Gericht wird daher mit Spannung erwartet, an ihr wird wohl viel hängen. Kurz attackierte ja mehrfach Schmids Glaubwürdigkeit, das tat er abschließend auch am Freitag: Aus Chats zitierend warf der Exkanzler Schmid sinngemäß ein doppeltes Spiel vor. Beispielsweise habe er dem damaligen Sprecher im Finanzministerium, der ins Team Kurz wechseln wollte, zu einer Absage geraten, Kurz dagegen seine Unterstützung für den Wechsel des Pressprechers zugesagt. Dass solche Chats von der WKStA nicht vorgebracht worden seien, sei unfair, monierte Kurz sinngemäß. Am 11. Dezember wird weiterverhandelt. (Fabian Schmid, Renate Graber, 17.11.2023)