Meredith Whittaker, Präsidentin von Signal
Meredith Whittaker, Präsidentin von Signal, sieht die Machtkonzentration auch im Bereich der künstlichen Intelligenz.
REUTERS/PEDRO NUNES

Der Messengerdienst Signal wird gerne als eine gute, wenn nicht gar die beste Alternative zu Metas Whatsapp und anderen Chatprogrammen großer Tech-Konzerne gehandelt. Die Funktionen sind weitgehend vergleichbar, allerdings liegt bei Signal ein konsequenter Fokus auf dem Thema Datenschutz: Neue Features werden nur ausgerollt, wenn der Schutz persönlicher Daten dadurch nicht untergraben wird.

Hinter der App steht die Signal Foundation, eine Non-Profit-Organisation. Und dass die Organisation nicht gewinnorientiert arbeitet, das ist laut Signal-Präsidentin Meredith Whittaker kein Nice-to-have, sondern ein fundamentaler Teil der eigenen Integrität. Denn wäre dem nicht so, so müsste man laut Whittaker das gleiche Geschäftsmodell anwenden wie die meisten Großen der Branche: das Monetarisieren von persönlichen Daten.

Steigender Umsatz als oberstes Ziel

Whittaker kritisiert während eines Talks auf dem Web Summit in Lissabon, dass es diverse Regierungen verpasst haben, das digitale Geschäft angemessen zu regulieren, wodurch die Konzerne in den vergangenen Jahrzehnten enorm wachsen konnten. "Warum glauben wir an Unternehmen, deren Ziel es ist, jedes Quartal wachsende Umsätze und Gewinne an ihre Aktionäre zu berichten?", fragt sie in den prall gefüllten Saal voller Tech-Unternehmer und -Investoren: "Sie legen uns rein, wenn wir glauben, sie würden irgendein anderes Ziel verfolgen."

Signal president 'concerned with surveillance across the board'
Meredith Whittaker im Gespräch mit dem TV-Sender CNBC International auf dem Web Summit in Lissabon.
CNBC International TV

Das heiße freilich nicht, dass die dort arbeitenden Menschen schlecht seien. Sie selbst habe 13 Jahre bei Google gearbeitet und habe gut gearbeitet – doch sie musste auch erleben, dass Vorhaben nicht umgesetzt wurden, wenn sie dem obersten Ziel des Umsatz- und Gewinnwachstums widersprechen. Deshalb sei es essenziell, dass andere Institutionen eingreifen, um zwischen dem Widerspruch aus kapitalistisch motivierten Zielen und dem Nutzen für die Allgemeinheit auszugleichen.

Konzentriertes KI-Geschäft

Die Konzentration auf einige wenige große Konzerne im Big-Tech-Feld ändert sich laut Whittaker auch nicht durch den aktuellen Hype rund um künstliche Intelligenz (KI), auch wenn dieser Eindruck aufgrund zahlreicher Start-ups in diesem Feld entstehen könnte. Denn die Jungunternehmen bauen auf Infrastruktur großer Anbieter, etwa Microsofts Azure oder Amazons AWS, auf. Sehr wahrscheinlich ist es auch, dass die kleinen Unternehmen ihre KI-Modelle gar nicht selber aufgesetzt haben, sondern per Programmierschnittstelle (API) auf die Modelle großer Anbieter wie OpenAI aufbauen. Hier entstehe eine Konzentration der Marktmacht bei einigen wenigen Unternehmen, die man genauer analysieren sollte.

Argumentiert wird von diesen Anbietern oft, dass KI-Modelle genutzt werden können, um die Klimakrise zu bekämpfen oder menschliche Vorurteile einzuschränken und somit Rassismus zu verhindern. "Das sind aber tiefe gesellschaftliche Probleme, keine technologischen", sagt die Signal-Präsidentin: "Das ist nicht etwas, das Microsoft oder Google mit einem simplen Trick lösen können, ohne dass es einen politischen Willen dahinter gibt." Dass man auch weiterhin nach Öl bohre und so den Planeten zerstöre, sein kein Thema der KI, sondern eines der Anreize in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem.

Die Branche macht sich ihre eigenen Regeln

Politischer Wille ist zumindest vorhanden, die aktuelle Situation zu ändern, das sieht man etwa an den Bestrebungen der EU in Bezug auf den AI Act oder beim zuletzt in Großbritannien abgehaltenen AI Summit. Gerade bei Letzterem wird jedoch deutlich, dass Konzerne und ihre Geschäftsmodelle durch derartige Initiativen höchstens bewegt, aber keinesfalls transformiert werden: Anwesend waren neben politischen Entscheidungsträgern nämlich vor allem Führungskräfte hauptsächlich US-amerikanischer Tech-Konzerne. Whittaker: "Da ist die Tech-Branche also in einem Raum gesessen, um über die Regulierung der Tech-Branche zu reden." (Stefan Mey aus Lissabon, 18.11.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Dieser Bericht ist im Rahmen einer Pressereise entstanden. Die Kosten für die Pressereise wurden von der Wirtschaftskammer Österreich übernommen.