
Wenn man eine Schwäche für einsam klagende Trompeten in der Popmusik hat, dann ist man bei Zach Condon genau richtig. Der US-Musiker ist weitgereist. Seit Jahr und Tag entwirft er unter dem Namen Beirut eine hybride Form von ost-, süd- und überhaupt europäischer Folklore, die sich vor allem der Melancholie verschrieben hat. Mit heller, klagender Stimme und schön in die Songs hineinschmierender Trompete in leichter Schräglage entstanden von 2006 herauf wunderbare Alben wie Gulag Orkestar oder The Flying Club Cup. Mit Songs wie Postcards From Italy, Rhineland, Cherbourg, Bratislava, Venice oder Gallipoli versucht er jeweils die Atmosphäre der von ihm besuchten Orte und Städte einzufangen. Der wehklagende Grundton im mittleren Tempobereich bleibt dabei als Alleinstellungsmerkmal immer erhalten.
Für sein neues Album Hadsel hat sich Zach Condon während der diversen Lockdowns dieses Mal in die abgelegene norwegische Ortschaft Hadsel zurückgezogen. 300 Kilometer nördlich des Polarkreises wollte der an chronischer Schlaflosigkeit leidende Multiinstrumentalist, der seine Alben weitgehend im Alleingang einspielt, Ruhe in der Dunkelheit finden. Interessant bei der Musik von Beirut ist ja auch, dass Condon laut Eigenbekunden die warme Jahreszeit nicht mag.
Im winterlichen Hadsel konnte dem Mann auch bezüglich angenehm frostiger Temperaturen geholfen werden. Er bekam in Hadsel von den freundlichen Bewohnern zudem den Schlüssel für die alte achteckige Holzkirche des Orts. Er konnte sich in dieser zwecks Überbrückung der vielen dunklen Stunden mit der dort ächzenden und schnaufenden Orgel aus dem 19. Jahrhundert auseinandersetzen. Auf diesem hörbar etwas abgelebten Instrument sind weite Teile des neuen Albums entstanden. Dazu spielte Condon noch Ziehharmonika, eine Bariton-Ukulele und einen alten Moog-Synthesizer für die Bassunterlage.
Er addierte seine diversen Gesangspuren zum ebenfalls gern ein wenig dissonant klingenden Zach-Condon-Chor, warf eine alte Rhythmusbox an und drückte auf dieser sehr gern auf die in der angloamerikanischen Popmusik vielgeschmähte Walzer-Taste. Der Walzer im Dreivierteltakt hat ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Siegeszug des Rock 'n' Roll, so wie alle anderen ungeraden Taktarten auch, erheblich gelitten. Damit die Ohren nicht gefrieren, unternimmt Beirut dann ausgerechnet in einem Arctic Forest benannten Stück auch noch einen rhythmischen Ausflug in tropische Gefilde.
Beim zentralen Lied So Many Plans könnten der entsprechend disponierten Hörerschaft schon einmal die Tränen der Rührung aus den Augen kullern. Der Text basiert darauf, dass der Mensch Pläne, Pläne, Pläne schmiedet – und ein Virus dazwischenkommt. Dazu kommt immer wieder diese wunderbare Andachtstrompete. Das alles geht wegen seiner feierlichen und getragenen Grundstimmung auch locker als Weihnachtsalbum für Agnostiker durch. Ganz still muss die Nacht ja dann auch nicht sein. (Christian Schachinger, 20.11.2023)