Wien – Hohe Lohnabschlüsse bei den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller und im Handel würden die Inflation wieder in die Höhe treiben, die Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs stark exportorientierter Industrie schwächen und mittelfristig das Wirtschaftswachstum bremsen, warnt die Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco-Austria, Monika Köppl-Turyna. "Ein Prozentpunkt Lohnerhöhung erhöht die Inflation um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte", sagte Köppl-Turyna zur APA.

Laut einer von Eco-Austria aktuell durchgeführten Studie wäre ein Effekt in diesem Ausmaß die Untergrenze, erklärte die Direktorin des industrienahen Instituts. Dieser Effekt werde unterschätzt, weil in der Vergangenheit die Inflation lange Zeit sehr niedrig gewesen sei, und auch die Lohnabschlüsse seien real gering gewesen.

Die Inflation sei in der Vergangenheit auch deshalb niedrig gewesen, weil durch die Ausweitung des Welthandels viel mehr Konsumgüter aus China importiert worden seien. "Das, was bei uns produziert wird, ist teurer geworden. Das sieht man insbesondere bei den Dienstleistungen." Auch die Kosten im Gesundheits- und Bildungswesen seien signifikant gestiegen. Andererseits sei der Anstieg der Reallöhne nach der EU-Osterweiterung durch die Ausweitung des Arbeitskräfteangebots gebremst worden. "Dazu beigetragen hat auch die Tatsache, dass die Baby-Boomers noch nicht in Pension waren."

Ökonomin Monika Köppl-Turyna auf Bühne in gelbem Kleid
Laut der Ökonomin Monika Köppl-Turyna wird das Exportwachstum bei einem Lohnabschluss von zehn Prozent um 0,75 Prozentpunkte gebremst.
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Eco-Austria: Arbeitnehmer finanzieren sich Lohnerhöhungen selbst

In den primär inlandsorientierten Branchen würden die Lohnerhöhungen stärker weitergegeben werden und die Preise erhöhen, erklärte die Ökonomin. Das betreffe beispielsweise den Handel und Dienstleistungen. "Das wird den Kunden vor Ort direkt weiterverrechnet", die Arbeitnehmer würden sich also die Lohnerhöhungen selbst finanzieren. Etwas anders sei das in der Industrie, die einen Exportanteil von 69 Prozent hat - die Metalltechnische Industrie beziffert ihren Exportanteil sogar mit über 80 Prozent.

Schon in den Jahren 2019 bis 2022 seien die Lohnstückkosten in Österreich um zehn Prozent gestiegen, in vergleichbaren Ländern wie Finnland, Schweden, Slowenien oder Tschechien aber nur um 6 bis 8 Prozent. Die letzte Wifo-Konjunkturprognose habe auf einer angenommenen Lohnerhöhung von 8,2 Prozent basiert und für 2024 ein Exportwachstum von 2,6 Prozent erwartet. Bei einem Lohnabschluss von zehn Prozent würden die Lohnstückkosten weiter steigen und das Exportwachstum um 0,75 Prozentpunkte gebremst, so die Ökonomin.

Auf das Wirtschaftswachstum würde sich so eine stärkere Lohnerhöhung durch die Stützung der Nachfrage kurzfristig sogar positiv auswirken, erklärte Köppl-Turyna. Mittelfristig käme es aber durch den Anstieg der Inflation zu einem Rückgang der heimischen Nachfrage und der Exportnachfrage, und nach rund sechs Quartalen würde der BIP-Effekt ins Negative drehen. Nach acht Quartalen würde das BIP-Wachstum um 0,4 Prozentpunkte sinken, haben die Berechnungen von Eco-Austria ergeben.

Möglicher positiver Beschäftigungseffekt

Die Auswirkungen hoher Lohnabschlüsse auf den Arbeitsmarkt wären unterschiedlich, so die Eco-Austria-Direktorin. Grundsätzlich wäre die Tendenz, weniger Leute anzustellen oder sogar Stellen abzubauen – abhängig von der Auftragslage. Für 2024 werde zwar ein Wachstum der Gesamtwirtschaft prognostiziert, aber nicht in der Industrie. Bisher hätten sich aufgrund des Fachkräftemangels viele Unternehmen nicht getraut, Leute zu kündigen - ob sich die Unternehmen so ein "labour hoarding" weiterhin leisten können, werde von der Höhe der Lohnabschlüsse abhängen. "Andererseits führen höhere Lohnabschlüsse aber auch dazu, dass mehr Menschen bereit sind, in bestimmten Branchen zu arbeiten. Das heißt, es gibt auch einen möglichen positiven Beschäftigungseffekt."

Eine "magische Zahl" für den optimalen Lohnabschluss könne sie nicht nennen, so Köppl-Turyna. "Der Ausweg aus dem Dilemma wäre zu sagen, dass man die Nettolöhne erhöht, ohne dass das alles über die Bruttolöhne passieren muss." Der Staat müsste also auf Einnahmen verzichten. Grundsätzlich wären höhere Transferzahlungen für Menschen mit niedrigen Einkommen gegenüber einer stärkeren Erhöhung der Löhne zu bevorzugen, weil dadurch kein Wettbewerbsnachteil für die Exportunternehmen entstehe. (APA, 19.11.2023)