Claudia Reiterer bei Im Zentrum
Claudia Reiterer diskutierte unter anderem mit Ärztekammer-VizepräsidentStefan Ferenci (2. v. li.).
ORF

Verbale Drohungen von Ärztekammer und Politik lassen daran zweifeln, dass Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen: So eröffnet Claudia Reiterer die Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend im ORF. Sie geht mit ihren Gästen der Frage nach, ob die Gesundheitsreform ein großer Wurf wird.

Wer wirklich für die Menschen da ist, die gesundheitliche Versorgung brauchen, darüber streiten sich die Ärztekammer, die Gesundheitskassen und die Politik. "Totengräber" wurde Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) von der Ärztekammer kürzlich genannt, die Fronten sind verhärtet.

Zu diskutieren gibt es viele Eckpunkte: die Medikamentenversorgung, den Mangel an Kassenärztinnen und -ärzten, die langen Wartezeiten für Operationen und den Mangel an Zeit, die einzelne Ärztinnen und Ärzte für die zu Versorgenden haben. Einzelfälle nennt Michaela Wlattnig, Sprecherin Arge Patientenanwältinnen und -anwälte, jene, die extra einen Kredit für eine Operation aufnehmen, bevor sie lange warten. Aber was genau läuft dann schlechter als früher? Ronny Tekal, Allgemeinarzt und Kabarettist, hat darauf eine klare Ansage: Brauche es spezielle Behandlungen, auf die es fünf bis sechs Monate zu warten gilt, sei die Versorgung ein "Hohn".

Wirkstoffe verschreiben

Reiterer konfrontiert die Runde mit einem Plakat mit der Aufschrift "Mein Arzt weiß am besten, welches Medikament Leos Fieber senkt", zu sehen ist darauf ein kleines Kind. Zwar weicht Stefan Ferenci, Vizepräsident der Ärztekammer, der Kommentierung des Plakates aus, er weist aber auf ein Problem hin: die Medikamentenverschreibung "aut idem". Dabei geht es um die Verschreibung eines Wirkstoffs, der aber nicht in jedem Präparat gleich wirkt.

"Bei chronisch kranken Personen, die sehr lange Medikamente einnehmen müssen, kommt es zu Problemen der kontinuierlichen Medikamenteneinnahme, wenn zu oft das Präparat gewechselt wird", wirft Ferenci in die Runde. Aus Sicht von Arzt Tekal müsste es aber erst eine ordentliche Honorierung der Gespräche mit Patienten geben, die nur "ein paar Euro" bringen würden. Somit müssten die meisten Medizinerinnen und Mediziner in ihrer Praxis einen nach dem anderen abarbeiten.

Gerade jetzt dürften die Menschen aber nicht verunsichert werden, warnt Bernhard Wurzer, Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse, auch nicht mit provokanten Plakaten. Das Land sei mitten in einer Gesundheitsreform, und es gelte jetzt zu schauen, wie im ländlichen Raum Kassenversorgung sichergestellt werden kann und die Städte neue Versorgungsmodelle bekommen.

Was nicht sein dürfe, seien die langen Wartezeiten für Operationen. Für Hüftprothesen bis zu 60 Wochen, für Grauen Star bis zu 67 Wochen und für Bandscheiben bis zu 22 Wochen müssten sich Betroffene gedulden. Das führe zu Problemen bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, meint Wurzer. Sie müssten Menschen versorgen, die wegen der Wartezeiten Physiotherapien und Schmerzmittel bekommen müssen.

Dafür brauche es nun längere Ordinationszeiten, die einzelne Mediziner und Medizinerinnen nicht gewährleisten könnten, aber ein Team in einem Versorgungszentrum etwa. Der Vizepräsident der Ärztekammer warnt daraufhin, dass Ambulatorien einzelne Mediziner wiederum ablösen.

Alle an einen Tisch

Vor allem gelte es jetzt, appelliert letztlich Arzt Tekal, sowohl Patientinnen als auch Pflegepersonal, Therapierende und andere Berufsgruppen, die an der medizinischen Versorgung beteiligt sind, an den Tisch zu holen und einzubinden. Denn sie würden die Neuerungen im System meistens nur aus den Medien erfahren, müssten sich aber dann genauso an diese halten.

Zuletzt wird noch ein Vorbild für die Gesundheitsversorgung gezeigt: Dänemark und seine digitalisierte Versorgung. Menschen nutzen eine App für ihre Medikamentenplanung, verwenden diese auch im Gespräch in der Apotheke und sind mit ihren Ärztinnen und Ärzten auch über diese verbunden. In Österreich soll es eher eine Art "PDF-Friedhof" statt wirklicher Digitalisierung geben, sagt Claudia Reiterer und sieht dabei Katharina Reich an, die Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium. "Es muss eine elektronische Patientenakte geben, die leicht zu bedienen ist, aber auch Ärztinnen müssen mit ihr Grafiken und Werte gut darstellen können." Die Modernisierung sei auf jeden Fall im Gesundheitspaket mitgeplant, verspricht sie. (mera, 20.11.2023)