Weinbad, Rotwein
Man muss es ja nicht gleich übertreiben. Für manche Menschen käme ein Rotweinbad nicht infrage: Schon eine kleine Menge würde reichen, um üble Kopfschmerzenbei den Betroffenen auszulösen.
Foto: EPA/FRANCK ROBICHON

Ein Gläschen Rotwein kann nicht schaden – während dies für manche Erwachsene gelten mag, büßen einige Menschen selbst wenige Schlucke mit schlimmen Kopfschmerzen. Rotwein gilt als Auslöser von Migräneattacken, wenn auch dieser Zusammenhang nicht ganz unumstritten ist. Histaminunverträglichkeiten könnten dabei eine Rolle spielen, aber auch hier rätselt die Forschung noch über die genauen Mechanismen, die im Körper die Beschwerden hervorrufen.

Gemeinsam problematisch

Zuletzt geriet als Kopfwehauslöser eine Gruppe von Substanzen namens Polyphenole ins Visier der Forschung. Welche spezifische Verbindung hierbei die Hauptrolle spielt, blieb bisher jedoch unklar. Nun ist ein Team der University of California, Davis, einem möglichen Verdächtigen auf die Spur gekommen: Das Flavonol Quercetin stört bei manchen Menschen offenbar den Stoffwechsel von Alkohol, so die Befunde.

Der Weininhaltsstoff kommt natürlicherweise in praktisch allen Obst- und Gemüsesorten in unterschiedlichen Konzentrationen vor. Im Rotwein findet man ihn in deutlich größeren Mengen als im Weißwein. Eigentlich gilt die Substanz als gesundes Antioxidans, sie ist sogar in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden. Tritt Quercetin jedoch gemeinsam mit Alkohol auf, kann das zu Problemen führen, haben die Forschenden beobachtet.

Rückstau von Acetaldehyd

"Wenn es in den Blutkreislauf gelangt, wandelt der Körper es in Quercetin-Glucuronid um", sagte Andrew Waterhouse, Seniorautor der im Fachjournal "Scientific Reports" erschienenen Studie. "In dieser Form blockiert es den Metabolismus von Alkohol." Der Umbauprozess beginnt zu stottern, und Acetaldehyd staut sich auf. Das Zwischenprodukt beim Alkoholabbau leistet auch einen erheblichen Beitrag zum morgendlichen "Kater". Die auch Ethanal genannte Substanz führt in nennenswerten Mengen zu Hautrötung, Kopfschmerzen und Übelkeit.

Weintrauben, Stock, Rotwein, Sonne
Rote Trauben im Sonnenschein entwickeln einen höherenQuercetin-Gehalt.
IMAGO/CTK Photo

"Acetaldehyd ist ein bekannter Giftstoff, ein Reizstoff und eine entzündliche Substanz", meinte Apramita Devi, Hauptautorin der Studie, von der UC Davis. Ein Medikament namens Disulfiram arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip wie das Quercetin: Der Wirkstoff soll Alkoholiker vom Trinken abhalten, indem er den Alkoholabbau blockiert. Acetaldehyd reichert sich an und verursacht üble Katersymptome, freilich ohne den vorangegangenen Rausch.

Ohne Alkohol hilfreich ...

Grundlage ihrer Hypothese ist die genetische Version dieser Wechselwirkungen: Rund 40 Prozent der Menschen mit ostasiatischer Abstammung besitzen eine Genvariante, die zu Stoffewechselproblemen bei Alkoholgenuss führt. Auch hier sammelt sich Acetaldehyd an, und die Betroffenen klagen über Kopfschmerzen, Hautrötungen und Übelkeit. Bei Laboruntersuchungen schließlich entdeckte das Team, dass Quercetin tatsächlich eine vergleichbare Wirkung auf den Alkoholstoffwechsel hat. Die Substanz wird von Trauben erzeugt, wenn sie dem Sonnenschein ausgesetzt sind. "Wir bezeichnen es als Sonnenschutzmittel für Trauben", so Waterhouse.

Während Quercetin im Kombination mit Alkohol Kopfschmerzen hervorrufen könnte, lindert es diese, wenn man es ohne Wein zu sich nimmt: Anekdotische Berichte über die Wirkung des Stoffs wurden inzwischen auch bei Untersuchungen mit Laborratten untermauert. Diese zeigten, dass eine erhöhte Quercetin-Zufuhr Migräneschmerzen verringern oder sogar verhindern kann. Die Forschenden vermuten dahinter das Wirken des antioxidativen und entzündungshemmenden Potenzials von Quercetin.

... und gegen dessen Folgen auch

Dass Quercetin auch für den Rotwein-Brummkopf verantwortlich ist, harrt freilich noch einer belastbaren Bestätigung. Nicht alle Fachkolleginnen und Fachkollegen sind überzeugt. Vasilis Vasiliou, Spezialist für den Alkoholstoffwechsel an der Yale University, gibt beispielsweise in der New York Times zu bedenken, dass Dinge, die in der Petrischale passieren, nicht unbedingt genau so auch in unseren Körpern ablaufen müssen. Im Gegenteil: Einige Studien hätten in der Vergangenheit sogar Hinweise darauf gefunden, dass Quercetin vor alkoholbedingten Schäden, etwa der Leber, schützen könnten.

Das Team um Devi gesteht ein, dass entsprechende Detailstudien noch ausstehen würden. Als Nächstes wollen die Forschenden daher klinische Test starten, bei denen Probandinnen und Probanden Weine mit geringen und höheren Quercetin-Dosen trinken sollen. "Es gibt noch viele Unbekannte bei der Suche nach den Ursachen für Rotwein-Kopfschmerzen. Vor allem bleibt weiterhin offen, warum manche Menschen anfälliger dafür sind als andere", so die Wissenschafter. (tberg, 20.11.2023)