Spiralgalaxien sind in einer bestimmten Region unseres lokalen Universums praktisch nicht anzutreffen. Diese sogenannte supergalaktische Ebene ist eine riesige, abgeflachte Struktur, die sich über fast eine Milliarde Lichtjahre erstreckt und mehrere massive Galaxienhaufen beherbergt. Warum es dort fast ausschließlich elliptische Galaxien gibt, während an ihren Rändern durchaus auch Spiralgalaxien (darunter auch unsere Heimatgalaxie) vorkommen, war bisher in der Astrophysik ein Mysterium – für das ein britisch-finnisches Team nun möglicherweise eine Lösung gefunden hat.

Galaxien
Die Aufnahme zeigt eine elliptische Galaxie (links) und eine Spiralgalaxie (rechts). Warum diese beiden galaktischen Varianten in der supergalaktischen Ebene so ungleich verteilt sind, war lange Zeit unklar.
Foto: NASA, ESA, CSA, Rogier Windhorst (ASU), William Keel (University of Alabama), Stuart Wyithe (University of Melbourne), JWST PEARLS Team, Alyssa Pagan (STScI).

Komplexe Simulation

Die Forschenden von der Durham University und der Universität von Helsinki kamen dem Grund für die ungleiche Verteilung der Galaxienarten mithilfe der Supercomputersimulation Sibelius (Simulations Beyond the Local Universe) auf die Spur. Das komplexe Modell ermöglicht es, die Entwicklung des Universums vom frühen Universum über 13,8 Milliarden Jahre hinweg bis zum heutigen Tag nachzuvollziehen.

Während die meisten kosmologischen Simulationen zufällige Ausschnitte des Universums betrachten, die nicht direkt mit Beobachtungen verglichen werden können, zielt Sibelius darauf ab, die beobachteten Strukturen, einschließlich der supergalaktischen Ebene, detailliert zu reproduzieren. Die endgültige Simulation stimmt in verblüffender Weise mit den Beobachtungen unseres Universums durch Teleskope überein.

"Die Verteilung der Galaxien in der supergalaktischen Ebene ist in der Tat bemerkenswert", sagte Carlos Frenk von der Durham University, einer der Hauptautoren der nun im Fachjournal "Nature Astronomy" präsentierten Studie. Auf Basis der Simulation gelang es dem Team jedoch, Prozesse zu identifizieren, die auf eine allmähliche Umwandlung von Spiralgalaxien in elliptische Galaxien durch Galaxienverschmelzungen hindeuten.

Durchmusterung und Simulation
Die Verteilung der hellsten Galaxien im lokalen Universum: links die Daten, wie sie bei der 2MASS-Durchmusterung erhoben wurden, rechts das verblüffend ähnliche Ergebnis der Sibelius-Simulation. Der fast senkrechte leere Streifen stellt den Bereich des Himmels dar, der hinter unserer eigenen Milchstraße verborgen ist.
Illustr.: Till Sawala

Verschmelzung und Veränderung

Wie sich bei den Modellberechnungen zeigte, kommt es in den dichten Galaxienhaufen auf der supergalaktischen Ebene häufig zu Interaktionen und schließlich zu Kollisionen zwischen den zahllosen Galaxien. Dabei werden Spiralgalaxien im Laufe der Äonen in elliptische Galaxien umgewandelt, was auch zum Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher in ihren Zentren beiträgt. Im Gegensatz dazu können sich Galaxien abseits der Ebene in relativer Isolation entwickeln, was ihnen hilft, ihre Spiralstruktur zu bewahren.

Damit sei die Verteilung von elliptischen und spiraligen Galaxien im lokalen Universum keineswegs jene Anomalie, für die sie in früheren Arbeiten gehalten wurde, schreiben die Forschenden. Vielmehr demonstriere Sibelius, dass die Simulation in der Lage sei, auf Grundlage des Standardmodells des Universums die vermeintlich unerklärlichen beobachteten Strukturen im Kosmos adäquat zu reproduzieren, so die Forscher. (tberg, red, 21.11.2023)