Altman muss sich um seine Zukunft keine Sorgen machen. Er gehört zu den führenden Köpfen auf einem Gebiet, das die Zukunft der Menschheit mitbestimmen wird.
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Als am Freitag verkündet wurde, dass der OpenAI-CEO Sam Altman gefeuert wurde, hielt die Tech-Welt den Atem an. Dieser Rauswurf durch den Vorstand bei der wichtigsten KI-Firma der Welt kam völlig unerwartet. Altman war das Gesicht und offenbar auch die Seele des seit letztem Jahr so präsenten Unternehmens.

In den letzten Tagen fand ein dazu passendes, mediales Chaos rund um jene Person statt, die die KI-Revolution ausgelöst hat und sicher auch künftig integraler Bestandteil von deren Weiterentwicklung sein wird. Am Wochenende wurde verlautbart, dass Altman zu Microsoft in deren hauseigene KI-Abteilung wechselt. Am Dienstag das Dementi, der Wechsel sei doch nicht fix, weil die OpenAI-Mitarbeiter für eine Rückholung des Ex-Chefs plädiert hatten. Zeit also, die Fakten auf den Tisch zu legen und zu klären, warum die Zukunft von OpenAI und Altman viele von uns betrifft.

Frage: Wer oder was ist OpenAI?

Antwort: OpenAI ist ein in San Francisco beheimatetes Unternehmen, das in diesem Jahr vor allem durch die Software ChatGPT auch dem Mainstream bekannt wurde. Mit einfachen "prompts" kann man mit diesem Chatbot Gespräche führen, komplexe Texte einfach zusammenfassen oder sogar Codezeilen einfordern. Ebenfalls von OpenAI stammt die Bild-KI Dall-E. Diese kann aus ein paar Wörtern Bilder herstellen, die ebenfalls in diesem Jahr für Aufsehen sorgten, auch wenn auf diesem Gebiet vor allem Konkurrent Midjourney und später Adobe mit Firefly im Rampenlicht standen.

Vor einer Woche wurde das 2015 gegründete Unternehmen im Rahmen einer Fundraising-Runde auf etwa 80 Milliarden Dollar geschätzt. Der 38-jährige CEO dieses aufstrebenden Unternehmens hieß bis vor wenigen Tagen noch Sam Altman. Der charismatische US-Amerikaner stellte Anfang November noch die Möglichkeit vor, dass User künftig eigene KI-Assistenten erstellen können – ohne selbst programmieren zu können. Bereits jetzt nutzen rund 100 Millionen Menschen ChatGPT, obwohl die Software erst knapp über ein Jahr auf dem Markt ist.

Frage: Warum wurde Altman gefeuert?

Antwort: OpenAI wurde als gemeinnützige Organisation gegründet. Ihr Vorstand ist auch für die kommerzielle Tochtergesellschaft OpenAI Global, LLC verantwortlich, die Altman bis vor kurzem als CEO geleitet hat. Am Freitag war es jener Vorstand, der bekanntgab, dass er Altman entlassen habe, weil "er in seiner Kommunikation mit dem Vorstand nicht immer aufrichtig war" und diese Einstellung ihn somit "behindere, seine Verantwortung wahrzunehmen".

Weitere Gründe wurden nicht genannt. In jedem Fall waren offenbar nur wenige eingeweiht. Auf X, ehemals Twitter, meldeten sich mehrere hochrangige OpenAI-Manager, dass sie nichts von der Entlassung gewusst hatten. Im Podcast von US-Journalistin Kara Swisher erklärt Microsoft-CEO Satya Nadella am Dienstag, dass auch er von der Entlassung überrascht wurde. Auf die Frage, ob er als Miteigentümer der Firma nicht gern vorher informiert worden wäre, antwortet Nadella lachend: "Ja, als Partner würde ich gerne über so große Entscheidungen informiert werden." Seit 2019 hat Microsoft Milliarden in OpenAI gesteckt, um so eine "unabhängige Forschung" weiterhin zu ermöglichen, und ist damit mit Abstand der größte Investor des KI-Unternehmens.

Altman als Interim-CEO nachgerückt ist Emmett Shear, einer der Mitgründer der Streaming-Plattform Twitch. Der 40-jährige Yale-Absolvent kam erst im März 2023 zu OpenAI und fiel dort vor allem mit seiner KI-Skepsis auf. So verkündete er öffentlich, dass er die Ausrottung der Menschheit durch KI bei einer Wahrscheinlichkeit von fünf bis 50 Prozent sehe. Eine auf dieser Einstellung beruhende Konfrontation mit Altman sei laut Shear in jedem Fall nicht der Grund für die Entlassung des CEO gewesen.

Anfang November standen Altman und Nadella gemeinsam auf der Bühne, um über die Zukunft von KI zu sprechen. Microsoft gehören als größtem Investor 49 Prozent von OpenAI.
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Frage: Altman geht zu Microsoft?

Antwort: Am Wochenende hatten mehrere Investoren, darunter Microsoft, den Vorstand kontaktiert, man möge Altman doch wieder in seiner alten Rolle zurückholen. Mehrere Hundert Mitarbeiter, darunter die für einen Tag als CEO ernannte Mira Murati, unterstützten diesen Vorschlag und bekannten sich öffentlich zu Altman. Der Schritt wurde vom Vorstand allerdings nicht gegangen. Stattdessen wurde Murati durch Shear ersetzt, und Microsoft gab bekannt, Altman könnte als Leiter einer eigenen KI-Forschungsabteilung beim US-Konzern starten. Auch der ehemalige OpenAI-Präsident, Greg Brockman, sollte bei diesem Schachzug zu Microsoft wechseln.

Frage: Wohin geht die Reise für OpenAI?

Antwort: Es herrscht Unruhe beim zuletzt so hochgelobten KI-Unternehmen OpenAI. Während ein Großteil der 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem offenen Brief an den Vorstand seinen Unmut über den Weggang von Altman kommunizierte, drohte CTO Murati mit Kündigung und einem Wechsel zu Microsoft, sollten Altman und Brockman nicht zurückgeholt werden. Auch der leitende Wissenschafter Ilya Sutskever, der auch einer der vier verbliebenen Vorstandsmitglieder ist, bereute seine Rolle im Drama der letzten Tage und fordert, die Entscheidung, Altman zu entlassen, noch einmal zu überdenken.

Hinter den Kulissen wird deshalb offenbar versucht, eine Lösung zu finden, die den Vorstandsmitgliedern, die gegen Altman waren, einen würdevollen Abgang ermöglicht, erklärten Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, gegenüber "The Verge". Microsoft in Form von Chef Nadella hält sich zurück, die Situation zu kommentieren. Ob Altman wieder CEO von OpenAI werden kann, müssen "andere entscheiden", so Nadella.

Frage: Wird Microsoft OpenAI kaufen?

Antwort: 49 Prozent von OpenAI gehören Microsoft bereits. Eine komplette Übernahme scheint aber in dem heiklen Feld der KI unwahrscheinlich. Allein die Übernahme des Videospiel-Publishers Activision Blizzard dauerte über anderthalb Jahre, weil diverse Regulierungsbehörden vor einer zunehmenden Monopolisierung der Games-Branche warnten und deshalb dieser massiven Akquirierung nicht zustimmen wollten. Vor wenigen Wochen gab es dann aber dennoch grünes Licht, und Microsoft wird somit zum größten Spiele-Publisher der westlichen Welt. Eine Übernahme von OpenAI würden ebendiese Behörden aber wohl noch genauer unter die Lupe nehmen. Da ohnehin schon ein reger Personen- und Informationsverkehr zwischen den zwei Unternehmen zu bestehen scheint, ist eine Übernahme in naher Zukunft unrealistisch.

Frage: Was heißt das für die künftige KI-Entwicklung?

Antwort: "Wir haben immer Bedarf an Talenten im Bereich KI," ließ Microsoft-Chef Nadella im bereits erwähnten Interview mit Journalistin Kara Swisher wissen. Mit Altman und Brockman hat man signalisiert, dass man das Zuhause für ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Partnerfirmen sein kann. Die Relevanz von Microsoft auf diesem Gebiet, die ohnehin in den letzten Monaten nach diversen Ankündigungen in diesem Bereich gewachsen ist, könnte mit diesem Know-how-Boost noch größer werden. Ob man als Reaktion das Engagement bei OpenAI reduzieren wird, bleibt abzuwarten.

Altman kann seine Ideen in jedem Fall weiter verwirklichen, auch wenn ChatGPT im Besitz von OpenAI bleibt. Der US-Amerikaner macht immer wieder in Statements klar, dass er kaum Grenzen für die KI-gestützte Zukunft sieht. So träumt er öffentlich von einem KI-System, das Aufgaben erledigen kann, die im Bereich oder sogar über den Möglichkeiten von menschlicher Intelligenz liegen. Die Konkurrenz auf dem Gebiet der KI wird in den nächsten Jahren allerdings eher zu- als abnehmen. Auch Elon Musk arbeitet mit xAI bereits an einem Chatbot namens Grok, der kürzlich der Öffentlichkeit präsentiert und ausgewählten Nutzern in den USA bereits zugänglich gemacht und laut Musk in nur vier Monaten entwickelt wurde. (Alexander Amon, 21.11.2023)